Essen. Eine Argumentationshilfe für den Schalker Torwart, noch einmal über den von vielen bereits als beschlossen geltenen Wechsel zum Rekordmeister nachzudenken.
Als bekennender Fan der „Toten Hosen“ ist Manuel Neuer bisher nicht in Erscheinung getreten. Sollte er gleichwohl heimlicher Verehrer der Gruppe sein, dürfen die Schalker Fans noch hoffen, dass ihnen der Publikumsliebling erhalten bleibt. Heißt es doch in dem schönsten Lied der Düsseldorfer Musiker u.a.: „Ganz egal, wie hart mein Schicksal wär, ich würde nie zum FC Bayern München gehen.“ Sollte der Songtest den Nationaltorwart immer noch nicht überzeugen, bieten wir ihm hier eine weitere Argumentationshilfe an, um den in der Fußball-Szene als sicher geltenden Wechsel zum deutschen Rekordmeister noch einmal zu überdenken.
Die Ausgangslage:
Seit seiner erfolgreichen WM in Südafrika und der anschließenden Bestätigung seiner Leistung in der Bundesliga gilt Manuel Neuer als einer der weltbesten, wenn nicht gar als weltbester Torhüter. Weil sein Vertrag mit Schalke im Juni 2012 ausläuft, ist für den Verein nur noch nach der aktuellen Saison eine Ablösesumme zu erzielen, die bei Neuers Marktwert um die 25 Millionen Euro liegen dürfte. Auf die Erfüllung des Vertrages zu pochen, ist freilich nur dann eine Option, wenn es sich der hoch verschuldete Klub wirtschaftlich leisten kann, was Außenstehende nur schwer beurteilen können.
Sollte Schalke auf der Einhaltung des Vertrages bestehen, hat Manuel Neuer folgende Alternativen:
1. Er bestreitet die nächste Spielzeit – zu dann unveränderten Konditionen – für Schalke und kann sich danach als ablösefreier Spieler wohl den Großteil der sonst fälligen Ablöse in die eigene Tasche stecken.
2. Er verlängert seinen Vertrag zu deutlich erhöhten Bezügen – mit der Klausel, zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine festgeschriebene Ablöse wechseln zu können. In diesem Fall würde Schalke die sofort fälligen höheren Gehaltszahlungen später wieder hereinholen. Finanziell würden sich für Neuer beide Varianten rechnen.
Die Karriere-Komponente:
Solange Neuer (bis zur Verletzung des Leverkuseners René Adler kurz vor der WM) noch nicht die Nummer eins bei Joachim Löw war, versprach ein möglichst schneller Wechsel zu den Bayern – angesichts der starken Münchener Lobby – größere Chancen, zum Nationaltorwart aufzusteigen, als ein Verbleib auf Schalke. Seitdem Neuer die unumstrittene Nummer eins ist, benötigt er jedoch die Bayern nicht mehr für den entscheidenden Karrieresprung.
Das Argument, der Nationaltorwart müsse regelmäßig in der Champions League spielen (was bekanntlich bei den Bayern für die nächste Saison noch nicht ausgemacht ist), stand schon immer auf tönernen Füßen. Weder ein Bodo Illgner noch ein Andreas Köpke spielten regelmäßig im Klub international. Der Italiener Gianluigi Buffon, der jahrelang als weltbester Torwart galt, stieg zwischenzeitlich mit Juventus Turin gar in die zweite Liga ab, ohne dass ihn jemand als Nationalkeeper in Frage gestellt hätte.
Der Vereinsaspekt:
Die Aussicht, mit Rekordmeister Bayern München Titel zu gewinnen, ist vergleichbar mit der Chance, innerhalb eines Jahres drei richtige Zahlen auf einem Lottoschein anzukreuzen. Nach 53 Jahren ohne Schale käme dagegen ein Titelgewinn für Schalke schon beinahe sechs Richtigen im Lotto gleich. Andererseits: Als Deutscher Meister mit den Bayern würde Neuer einer von vielen sein, die Schale mit Schalke zu holen, würde ihm im Revier ewigen Ruhm bescheren. Außerdem: Dass auch mit Königsblau Titel möglich sind, zeigt sich möglicherweise schon am 21. Mai beim Pokalfinale in Berlin.
Der Fan-Faktor:
Die jüngsten Protestaktionen gegen Neuer in der Münchener Arena („Koan Neuer“) sind zu vernachlässigen. Hassgesänge müsste der Nationalkeeper allenfalls fürchten, würde er gleich beim Debüt daneben greifen. Sobald sie den Neuen aber als Erfolgsgaranten ausgemacht haben, werden auch die Münchener Ultras ihr Fähnchen in den Wind hängen. Neuer sollte sich dennoch nicht täuschen: In München erwartet ihn bestenfalls eine Reaktion, die mit der Anteilnahme von Börsianern am Kursverlauf ihrer erfolgreichen Aktien vergleichbar ist.
Auf Schalke dagegen ist dem Eigengewächs wahre Fan-Liebe sicher. Ein Mann, der schon als Junge in der Kurve mit Königsblau gefiebert hat und manches Tränental durchschritten hat, wird von den Anhängern immer als einer der Ihren wahrgenommen. Eine fast schon familiäre Bindung, die ihn auch in einer etwaigen Krise schützt.
Das Fazit:
Da die finanziellen Aspekte ebenso unter den Tisch fallen wie der Aspekt Nationalmannschaft, wird es darauf hinauslaufen, was Manuel Neuer wichtiger ist: die Aussicht, mit dem Rekordmeister mehr Titel gewinnen zu können – oder die Chance, auf Schalke, wie einst nur Fritz Walter (Kaiserslautern) oder Uwe Seeler (HSV), mit einem Verein identifiziert und dort lebenslang als Idol verehrt zu werden. Nebenbei: In der Bundesliga-Geschichte würde er auch seinen Platz finden als erster großer Star, der dem Lockruf der Bayern widerstanden hätte.
Auszüge aus dem Text des Bayern-Liedes von den Toten Hosen:
Es gibt nicht viel auf dieser Welt, woran man sich halten kann. Manche sagen die Liebe, vielleicht ist da was dran. Und es bleibt ja immer noch Gott, wenn man sonst niemand hat. Andere glauben an gar nichts, das Leben hat sie hart gemacht.
Es kann soviel passieren, es kann soviel geschehen. Nur eins weiß ich hundertprozentig: nie im Leben würde ich zu Bayern gehen. Ich meine, wenn ich 20 wär und supertalentiert, und Real Madrid hätte schon angeklopft und die Jungs aus Manchester. Und ich hätt auch schon für Deutschland gespielt und wär mental topfit, und Uli Hoeneß würde bei mir auf der Matte stehen. Ich würde meine Tür nicht öffnen, weil’s für mich nicht in Frage kommt, sich bei so Leuten wie den Bayern seinen Charakter zu versauen.
Muss denn sowas wirklich sein? Ist das Leben nicht viel zu schön? Sich selber so wegzuschmeißen und zum FC Bayern zu gehen.
Es kann soviel passieren, es kann soviel geschehen. Ganz egal, wie hart mein Schicksal wär, ich würde nie zum FC Bayern München gehen.