Jönköping. .
Bundestrainer Heiner Brand hat bei der WM zwischen den Pfosten die Qual der Wahl: Johannes Bitter und Silvio Heinevetter haben gezeigt, dass sie zur Weltklasse auf der Torhüter-Position zählen.
Johannes Bitter oder Silvio Heinevetter? Auch vor dem zweiten Hauptrundenspiel bei der WM in Schweden am Montag gegen Ungarn (18.15 Uhr/ARD) hat Handball-Bundestrainer Heiner Brand die Qual der Wahl. Das Gute dabei: Für welchen Torhüter er sich auch entscheidet, er kann nichts falsch machen. Beim 27:24 (15:13) am Samstag gegen Island vernagelte Heinevetter (26) in den entscheidenden Momenten seinen Kasten, zuvor in den Gruppenspielen hatte Bitter (28) die Tür für den Gegner oft zugemacht. Beide spielen eine Weltklasse-WM -- und könnten als Typen verschiedener gar nicht sein.
Bitter, 2,05 m groß und blond, strahlt im Spiel eine Aura der Gelassenheit aus. Er ist der, der die Übersicht behält. Heinevetter, 1,94 m und dunkel-gelockt, zappelt im Torraum so unberechenbar herum, dass die Gegner oft gar nicht wissen, wie sie den Ball an diesem „Hampelmann“ vorbei befördern sollen.
Russe und Hampelmann
Als „russische Schule“ beschreibt der Hamburger Bitter seinen sachlichen Torhüter-Stil, „ich bin nicht so der Springer“. Der Berliner Heinevetter zuckt dagegen ratlos mit den Schultern, wenn er erklären soll, in welcher Schule seine Art gelehrt wird. „Keine Ahnung“, sagt er dann, „das ist reine Intuition. Ich geh ins Tor und mach das einfach. Dazu brauche ich das Adrenalin. Im Training kann ich nie so halten wie im Spiel.“
Im Kollegen-Kreis nennen sie ihn schon mal eine „Heißkiste“. Gelegentlich sieht’s sogar so aus, als würde er sich bei seinen Emotions-Ausbrüchen verbrennen. Zum Beispiel, wenn er einen Spieler des Gegners nicht nur anbrüllt, sondern ihm dabei auch noch über das halbe Spielfeld hinterherläuft. „Ich nehme mich da schon ein bisschen zurück“, erzählte er gestern im Mannschaftshotel in Jönköping, „Schiris sind ja manchmal auch Tratschweiber. Aber man darf mir das nicht ganz wegnehmen.“
Nein, Silvio Heinevetter will nicht so sein, wie sich andere ihn wünschen. Er ist ein Paradiesvogel, ein bunter Hund. Und das zeigt er auch. Er geht mit seiner Beziehung zur Schauspielerin Simone Thomalla bereitwillig auf den Boulevard. „Seit dieser Story“, sagt Bob Hanning, der Manager der Berliner Füchse, „kommen nicht mehr nur Sportreporter zu uns in die Halle, sondern auch welche von Gala oder der Bunten.“ Wird ein Siebenmeter gegen Heinevetter geworfen, läuft die Tatort-Melodie über die Hallenlautsprecher. Der Torhüter als junger Freund der Kommissarin – eine Rolle, die Heinevetter längst gerne mitspielt.
Entspanntes Verhältnis
Gerne hätte er in der Nationalmannschaft die „Nr. 1“ im Tor besetzt. Auch daran ließ Heinevetter im WM-Vorfeld keinen Zweifel. Ob seine öffentlich geäußerten Pläne Bitter unangenehm aufstießen? Wenn ja, lässt es sich der Ältere nicht anmerken. Beide betonen, dass sie ein entspanntes, kollegiales Verhältnis haben. Und das wirkt nicht gespielt. Bitter, der schon 2007 zusammen mit Henning Fritz das deutsche Weltmeister-Duo bildete, reicht Heinevetter im Spiel Getränke und Handtuch an, umgekehrt macht’s dieser genauso.
Und nach welchen Kriterien entscheidet der Bundestrainer, wem er zu Beginn einer Partie das Vertrauen schenkt? „Ich studiere Videobilder und mache mir meine Gedanken“, sagt Brand, „doch dann entscheidet oft das Bauchgefühl.“ Bitter oder Heinevetter? Erfahren wird’s die Mannschaft heute gegen 15.30 Uhr bei der Abschlussbesprechung vor dem Ungarn-Spiel. „Wenn der Coach entscheidet, ich spiele nicht, dann spiele ich eben nicht,“ will Heinevetter ganz cool bleiben, „da muss man Ruhe bewahren.“