New Orleans. Im einseitigen Super Bowl lassen Hurts‘ Eagles Mahomes‘ Chiefs lächerlich aussehen. Die wichtigste Person trug selbst gar kein Trikot.

Noch bevor die Bilder der jubelnden Sieger aus Philadelphia im Konfettiregen und von Eagles-Quarterback Jalen Hurts mit der Vince Lombardi Trophy in den Händen digital um die Welt gehen, steht der Super-Bowl-Sieger bereits bunt auf weißem Papier gedruckt fest. So schnell jedenfalls konnten die Druckstraßen gar nicht die Sonderausgabe der New York Post ausspucken, dass Zack Baun sie in der Interviewzone des Superdomes von New Orleans schon vor sich liegen haben kann. „Champions!“ prangt in Großbuchstaben über einem Foto von Saquon Barkley, dazwischen passend, dass die Eagles die Chiefs überflügelt hätten. Der Philadelphia Inquirer titelt ähnlich. „Dieses Jahr gehört dokumentiert, ganz sicher“, sagt Baun, vor zehn Monaten noch arbeitsloser Hinterbänkler und seit wenigen Minuten stolzer Super-Bowl-Champion. „Vielleicht schreibe ich ein Buch, denn es war ein wirklich wildes Jahr.“

Die Eagles kommen: Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes kann den Ball so gerade noch wegwerfen.
Die Eagles kommen: Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes kann den Ball so gerade noch wegwerfen. © Getty Images via AFP | Patrick Smith

Super Bowl: Demütigung auch für Donald Trump, der klar für die Kansas City Chiefs war

Es ist davon auszugehen, dass die New York Post besagtes Extrablatt auch für einen Triumph der Kansas City Chiefs vorbereitet hatte. Das war am Ende das Papier nicht wert, denn die Titelverteidiger um Superstar Patrick Mahomes waren von ihrem historischen dritten NFL-Titel in Serie so weit entfernt wie die USA von Grönland. Das 20:44 (0:24) gibt nicht im Ansatz die Demütigung her, die die Chiefs sowie ihre Edelfans Taylor Swift (Freundin von Co-Superstar Travis Kelce) und Donald Trump (als erster amtierender Präsident der USA bei einem Super Bowl im Stadion und mit klar formulierter Vorliebe für Kansas City) vor mehr als 65.000 Zuschauern am Mississippi erfuhren. Überrollt von einer grün-weißen Dampfwalze, ein heftiger Schlag in The Big Easy.

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„Es fühlt sich wieder richtig scheiße an“, sagt Mahomes angefressen nach dem Déjà-vu einer Finalpleite wie schon 2021 gegen Tom Bradys Tampa Bay Buccaneers. Viele seiner 257 Yards Raumgewinn durch die Luft und zwei seiner drei Touchdowns erzielte der 29-Jährige erst, als die Eagles gedanklich schon längst bei ihrer Siegerparade am Montag in Philly waren. Erst beim Stand von 0:34 in der 44. von 60 Minuten schafften es die Chiefs-Offensive auf die Anzeigentafel. „Deshalb nehme ich diese Niederlage mehr auf mich als jede andere Niederlage in meiner gesamten Karriere“, ärgert sich Mahomes über den von ihm durch drei Ballverluste mitinitiierten Kansas-Kollaps, er habe sein Team „im Stich gelassen“.

Super Bowl: Patrick Mahomes mit desaströser Leistung

Eagles-Linebacker Zack Baun (vorne links) feiert seine Interception gegen Chiefs-Star Patrick Mahomes.
Eagles-Linebacker Zack Baun (vorne links) feiert seine Interception gegen Chiefs-Star Patrick Mahomes. © AFP | TIMOTHY A. CLARY

Zach Baun, in der Verteidigung der Eagles mit der Position des Linebackers direkt hinter den schweren Jungs betraut, pflückte einen Wurf Mahomes‘ aus der Luft. Sein Abfangjäger-Kollege Cooper DeJean krönte dessen 22. Geburtstag in New Orleans nach gleicher Glückserfahrung sogar noch mit einem 38-Yards-Touchdown-Lauf. Es waren also eher die Defensivspezialisten, die den weisen Spruch, dass sie die Meisterschaft sichern, während die Offensive zumeist nur einzelne Spiele gewinnt, aufs Neue bestätigten. Runningback Saquon Barkley, noch ein Geburtstagskind und nun 28, beschenkte sich selbst mit seinem erwartbaren Rekord (2504 gelaufene Yards in regulärer Saison und Play-offs). Noch erwartbarer war, dass Jalen Hurts (221 geworfene und 72 erlaufene Yards, drei Touchdowns insgesamt) als Quarterback der Siegermannschaft zum Most Valuable Player ausgezeichnet wurde.

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Dabei befand sich der Unterschied zur 35:38-Pleite gegen die Chiefs vor zwei Jahren eher an der Seitenlinie der Eagles und ist 66 Jahre alt. Vic Fangio steht für die geglückte Revanche mehr als alle Hurts, Barkleys oder Nick Sirianni, schon 2018 beim ersten Titel der Eagles ihr Head-Coach. Seine Aufgabe als Defensivkoordinator ist es, den gegnerischen Angreifern den Lebenssaft, die Freude am American Football aus den Körpern zu saugen. „Es war heute sein Abend, einfach großartig“, lobt der Vorgesetzte Sirianni seinen wichtigsten Assistenten. Fangio gelang gegen die Chiefs sein Meisterstück, ohne in die Trickkiste zu greifen. Die von ihm befehligten menschlichen Fleischberge stürmten auf Mahomes zu, stifteten Verwirrung im Umfeld des Quarterbacks, brachten diesen sechsmal für Raumverlust zu Fall. Auszeiten der Chiefs wirkten wie eine richtige new-orleansige Trauerparade – es fehlten lediglich die Blaskapelle und Trauergäste in bunten Anzügen, die mit Regenschirmen wirbelten.

38 Jahre in der NFL und endlich Super-Bowl-Sieger mit den Philadelphia Eagles: Vic Fangio, hier mit einer Sieger-Zeitung des Philadelphia Inquirer, gilt als einer der besten Defensivkoordinatoren der Liga.
38 Jahre in der NFL und endlich Super-Bowl-Sieger mit den Philadelphia Eagles: Vic Fangio, hier mit einer Sieger-Zeitung des Philadelphia Inquirer, gilt als einer der besten Defensivkoordinatoren der Liga. © IMAGO/Imagn Images | IMAGO/Kirby Lee

Erster Super-Bowl-Triumph für Vic Fangio: „Wie lange ist er schon dabei – 40, 50, 60 Jahre?“

„Das freut mich so sehr für ihn“, sagt Zack Baun nach der Fangio-Packung und zwinkert mit einem Auge. „Es ist sein erster Titel, nicht? Und wie lange ist er schon dabei – 40, 50, 60 Jahre?“ Fangio gilt als knochenharter, recht emotionsloser Coach, dessen größte Wertschätzung aber die Scherzchen seiner Spieler sind. Vor 38 Jahren begann seine Trainerlaufbahn in New Orleans bei den Saints. An Ort und Stelle erlebte er 2013 seine größte Niederlage, die Super-Bowl-Pleite als Defensiv-Chef der San Francisco 49ers gegen die Baltimore Ravens. Um die Eagles vor den damals gemachten Fehlern zu bewahren, zeigte Fangio seinen Abwehrmannen zur Vorbereitung Szenen vom 31:34. „Der Film sieht ein bisschen alt aus, Vic“, spotteten die Spieler. Wie wichtig es ist, auf der größten Bühne des Sports den Fokus zu behalten, wissen sie nun alle.

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Seit Saisonbeginn ist Fangio bei den Eagles, dort musste er eine Abwehr mit acht neuen Startern formen – und machte teilweise aus ihnen Pro-Bowler. Zach Baun war zuletzt vier Jahre bei den Saints nur zweitrangiger Rollenspieler in den Special-Teams: „Ich weiß gar nicht, was er in mir sah, als er mir das Vertrauen schenkte.“ Vielleicht sogar den Kandidaten zum Defensivspieler des Jahres, der Baun in dieser Saison war. Nach dem zweiten Spielzug der Chiefs hätten er und seine Kollegen gewusst, „dass sie es heute nicht mit uns aufnehmen können“. Josh Sweat, der Mahomes dreimal niederriss, liebt den „Angebermodus“, den Fangio bei den Eagles forciere: „Wir wollen uns gegenseitig übertreffen, treiben uns an und sehen dann, wer es am besten hinbekommt, den gegnerischen Quarterback zu erlegen.“

Super NFL: NFL braucht nicht nur den wichtigsten Spieler, sondern auch die wichtigste Person

Die Eagles feiern den Super-Bowl-Triumph: Quarterback Jalen Hurts, als wertvollster Spieler des Finals gegen die Chiefs auszeichnet, hält die Vince Lombardi Trophy in den Händen. Neben ihm: Head-Coach Nick Sirianni.
Die Eagles feiern den Super-Bowl-Triumph: Quarterback Jalen Hurts, als wertvollster Spieler des Finals gegen die Chiefs auszeichnet, hält die Vince Lombardi Trophy in den Händen. Neben ihm: Head-Coach Nick Sirianni. © Getty Images via AFP | JAMIE SQUIRE

Im neunten Versuch hat Vic Fangio nun endlich einmal mit einem von ihm trainierten Team Patrick Mahomes besiegt. Der Lohn ist der ersehnte Super-Bowl-Ring und eine große Genugtuung. „Ich bin als Philadelphia-Sportfan aufgewachsen, ich werde meine Karriere wahrscheinlich hier in den nächsten Jahren beenden.“ Er sei noch immer der gleiche Trainer wie am Tag zuvor – „nur habe ich jetzt eine Meisterschaft gewonnen, was mich aber nicht zu einem anderen Menschen macht.“

Wohl aber zu einer entscheidenden Figur im bedeutendsten Spiel seiner Sportart. Vielleicht sollte die NFL mal darüber nachdenken, als MVP nicht nur den wichtigsten Player, sondern auch die bedeutendste Person des Super Bowls auszuzeichnen. Die Vic Fangio Trophy böte sich dafür an.

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