Hamburg. Lange Zeit im Rückstand, gewinnt Deutschland den letzten Test vor der Handball-WM gegen Brasilien 28:26. Gislason hat noch viel Arbeit.

Es gehört zum guten Ton, Nationalmannschaften vor ihrer Abreise zu großen Turnieren die besten Wünsche mit den auf den Weg zu geben. Und so wollten die 12.379 Zuschauer in der Barclays-Arena zu Hamburg, wo bekannterweise eh gern Tschüss gesagt wird, den deutschen Handballern am Samstag einen stimmungsvollen Abschied bereiten, der sie ab Mittwoch bei der Weltmeisterschaft im dänischen Herning beflügeln soll. Klatschpappen gehören zum Glück nicht mehr zum Anfeuerungs-Besteck, viel mehr sind auch für diesen Zweck mittlerweile Handys der Standard. Als das Licht in der Halle heruntergedimmt war, die Fans an ihren Mobiltelefonen die Taschenlampen-Funktion aktiviert hatten, dirigierte Maskottchen Hanniball die funkelnde Show. Die Begeisterung für den Jahreshöhepunkt der DHB-Auswahl war spürbar – für Bundestrainer Alfred Gislason bleibt dagegen bis zum Auftakt am Mittwoch gegen Polen noch viel Arbeit. Auch wenn gegen Brasilien schlussendlich noch ein 28:26 (13:17) gelang, fiel die WM-Generalprobe alles andere als zufriedenstellend aus.

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„Das war ein Dämpfer“, mit dem es am Montag nach Dänemark geht, sagte Juri Knorr nach dem insgesamt dürftigen Offensivauftritt. Zwei Tage nach dem 32:25 in Flensburg tat sich die Gislason-Auswahl erneut schwer, der Isländer zeigte sich enttäuscht und bezeichnete den Stresstest gegen die Südamerikaner als „Weckruf für uns. Normalerweise, wenn man an die 20 Bälle oder mehr verwirft, gewinnt man so gut wie nie.“ Rune Dahmke betonte, „es ist wichtig, dass wir mit zwei Siegen zur WM fahren. Aber wir haben gesehen, dass nichts von alleine gehen wird.“

Der Bundestrainer ließ zumindest in den 20 Anfangsminuten weitestgehend die erste Sieben aufs blaue Parkett, die auch bei der WM eine denkbare Startformation sein könnte: Jungpapa Andreas Wolff im Tor, Kapitän Johannes Golla am Kreis flankiert von den beiden Lukas-Außen mit Nachnamen Mertens (links) und Zerbe (rechts). Der Rückraum von links: Julian Köster, Juri Knorr und Renars Uscins. Nur gut elf Minuten lang ging das gut, nach dem ersten Ausgleich zum 6:6 brachte der Mann mit dem wunderbaren brasilianisch klingenden Namen, Jean Pierre Dupoux, die Südamerikaner mit zwei Treffern in Führung.

Nationaltorhüter Andreas Wolff (links) schreit die Wut heraus: Die deutschen Handballer sind noch nicht im WM-Modus.
Nationaltorhüter Andreas Wolff (links) schreit die Wut heraus: Die deutschen Handballer sind noch nicht im WM-Modus. © dpa | Soeren Stache

Großer Unterschied bis zur Pause war vor allem Wurfquote, bei der sich die DHB-Männer schwer taten. Lukas Zerbe vergab freistehend am Kreis und vom Siebenmeterpunkt, die Zielgenauigkeit sämtlicher Rückraumwerfer inklusive des inzwischen für Julian Köster gebrachten Marko Grgic ließ aber immer weiter nach. Eine Unterzahl beim 11:14 nach Strafe gegen Lukas Stutzke nutzten zwar Uscins und Grgic zum 13:14, doch die lückenhafte Deckung ermöglichte Brasilien bis zur Pause einen Vier-Tore-Vorsprung.

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Noch reichlich Defizite, die sowohl Alfred Gislason als auch Stefan Kretzschmar ab Mittwoch nicht sehen wollen. Der Weltmeister von 2007 hatte vor dem Spiel noch mal ein wenig den Druck erhöht, als er meinte, die Vorrundengegner Polen, Schweiz (ohne Top-Torjäger Manuel Zehnder) und Tschechien „können keine Gradmesser sein“. Wenn die Deutschen „in dieser Vorrunde nicht Gruppenerster werden, läuft was ganz gewaltig schief“.

Marko Grgic (Mitte) muss sich gegen zwei Brasilianer behaupten.
Marko Grgic (Mitte) muss sich gegen zwei Brasilianer behaupten. © dpa | Soeren Stache

Die italienische Nationalmannschaft, die ebenfalls in Herning spielt und nach entsprechenden Ergebnissen gegen Dänemark, Algerien und Tunesien in der Parallelgruppe einer der drei Hauptrundengegner werden könnte, hat von der Tribüne aus über weite Strecken allerdings noch keinen WM-Favoriten gesehen. Auch nach dem Seitenwechsel ließ das Gislason-Team viele Chancen liegen. Aufholjagden wurden oftmals durch leichte Fehler wieder zunichte gemacht. Weil aber die Kräfte bei den Gegnern nachließen, die deutsche Deckung beherzter zugriff, David Späth im Tor sein Team mit Paraden nach vorne peitschte und Luca Witzke in der zweiten Halbzeit vier Tore warf, kam Deutschland noch einmal heran. Knorr erzielte im dritten Anlauf mit dem 26:26 den Ausgleich. Knapp anderthalb Minuten vor Spielende erlöste Renars Uscins sein Team und die Zuschauer mit dem 27:26.. Knorr machte noch sein fünftes Tor zum Endstand und war vor Luca Witzke (4), Julian Köster und Johannes Golla (je 3) erfolgreichster DHB-Torschütze.

Handball-Nationalmannschaft reist am Montag nach Dänemark

Den Sonntag wird Alfred Gislason zur Analyse und Aufarbeitung nutzen. Am Montag geht es dann nach Dänemark. „Wir dürfen jetzt auch nicht alles schlecht reden“, befand Julian Köster, es käme nicht oft vor, dass eigene Würfe so oft ihr Ziel verpassten und der Gegner mit der letzten Chance träfe. Allerdings: „Wenn uns das hier passiert, kann uns das auch bei der WM passieren.“

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