Hamburg. Die deutschen Handballer bestreiten Samstag in Hamburg ihr letztes Testspiel vor der WM. Startgarantie für Jungvater Andreas Wolff.
Die Gefahr, dass ein paar der Jungs ausbüxen und sich auf einen Sprungturm wagen, ist zum Glück nicht existent. Am Tag vor der WM-Generalprobe herrscht in Hamburg feinstes Schietwetter; ein paar Schneeflocken mischen sich vor der Barclays-Arena, wo an diesem Samstag (16.20 Uhr/ZDF) die deutschen Handballer zur finalen Standortbestimmung auf Brasilien treffen, in den dichten Regen. Die Szenerie im Stadtteil Bahrenfeld vermittelt auch dem ärgsten Zweifler, dass ein unerlaubter Ausflug ausgeschlossen ist.
Handball-WM: Deutsches Team noch von Olympia-Form ein Stück entfernt
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Bundestrainer Alfred Gislason wird nach seinen Eindrücken vom Vorabend gefragt, als es im ersten Vergleich mit den Südamerikanern ein 32:25 gab. Das erste Resümee fällt hart aus: „Ich war überrascht, wie schlecht wir gespielt haben, wie unbeweglich wir waren.“ Der 65 Jahre alte Isländer wählt danach noch mildere Worte. Nicht, weil sie ohnehin zum Zeitpunkt der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Dänemark, Kroatien und Norwegen (14. Januar bis 2. Februar) weise sind, sondern weil sie auch den Tatsachen entsprechen. Die DHB-Auswahl hat sich nach schwacher Auftaktviertelstunde gesteigert, mehr Sicherheit in der Abwehr gezeigt sowie nach und nach mehr Effizienz in die Würfe bekommen. „Eine Akklimatisierung ans Wettkampftempo“ nach zwei Wochen Spielpause das Kapitän Johannes Golla die 60 Minuten. „Wir müssen die Fehler ja sehen, um sie abstellen zu können“, ergänzt Alfred Gislason, „aber wir sind noch ein bisschen entfernt von der Form der Olympischen Spiele.“
Olympia, erst Lille, dann Paris – und am Ende vor allem Silber! Überhöhungen gehen mit solchen Erfolgen einher, von Helden und Wundern ist schnell die Rede. Auch wenn seitdem der Selbstanspruch keineswegs geringer wurde, sind alle beim Deutschen Handballbund bemüht, überbordende Erwartungen einzugrenzen. Und so wählt Benjamin Chatton ein eher sommerliches Bild, um den Umgang aller mit der Situation zu beschreiben. „Es ist wie früher im Schwimmbad, wenn man da sitzt und das erste Mal vom Einer springen soll“, sagt der neue Nationalmannschaftsmanager zur teaminternen Wahrnehmung. „Vor uns jedoch sitzen Menschen, die eigentlich schon über den Zehner sprechen und die Siegerehrung. Wir aber müssen erstmal den Beckensprung hinkriegen, auf Betriebstemperatur kommen.“
Handball: DHB-Kapitän Golla: „Haben uns handballerisch schon einiges erarbeitet“
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Ans Freibad ist in der Hansestadt im Januar nicht zu denken. Zwischen Beckensprung und Zehn-Meter-Brett liegt zudem jede Menge Steigerungspotenzial. Johannes Golla ist aber beruhigt, dass es Stück für Stück rauf auf den Turm gehen kann: „Also ins Wasser sind wir vom Beckenrand schon gesprungen“, sagt der 27 Jahre alte Kreisläufer. Was für das 32:25 gegen Brasilien in Flensburg gelte, erwartet er auch für diesen Samstag. „Wir haben gesehen, dass es nur auf uns ankommt. Und wir wissen, dass wir spätestens am 15. auf Topniveau sein müssen.“ Einen Tag nachdem Co-Gastgeber Dänemark das Turnier eröffnet, treffen die deutschen Handballer am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) in Herning auf Polen. Weitere Vorrundengegner sind die Schweiz (17. Januar) und Tschechien (19. Januar).
Es bleiben also noch einige Tage Zeit, Kommunikation und Verständnis untereinander aufzupolieren, Abläufe einzubläuen, den Mittelblock in der Defensive sattelfest zu bekommen, die Genauigkeit bei den Torabschlüssen zu verbessern. „Handballerisch haben wir uns hier schon einiges erarbeitet“, sagt Johannes Golla voller Zuversicht, „das sah schon gut aus.“ Alfred Gislason muss darüber hinaus noch entscheiden, mit wie vielen Spielern es am Montag Schleswig-Holstein hoch ins WM-Quartier Silkeborg, rund 40 Kilometer vom Spielort entfernt gelegen, geht. 16 bis 18 Plätze fürs WM-Turnier kann der Bundestrainer im Reisebus vergeben. Klar ist nur, dass Joel Birlehm, der dritte Torhüter ist aktuell 19. Mann im Vorbereitungskader, zu Hause bleiben wird.
Handball-WM: Torhüter Andreas Wolff beginnt im letzten Test gegen Brasilien
Denn Alfred Gislason vertraut wie schon 2024 bei der Heim-EM und den Olympischen Spielen auf Andreas Wolff und David Späth im Tor. Wolff, von unzähligen Paraden in den meisten seiner 33 Lebensjahre routiniert, soll bei der Generalprobe auch zwischen den Pfosten anfangen. Den Test in Flensburg verfolgte er noch unbeteiligt, nachdem seine Freundin Samira morgens den gemeinsamen Nachwuchs zur Welt gebracht hatte. „Wenn er sich durch das Vatersein noch mehr verbessert“, sagt der Bundestrainer über einen möglichen Babyboost beim Keeper, „wird sich kaum jemand mehr freuen als ich.“ Beim obligatorischen Mannschaftsfoto am Freitagmorgen bekommt Andreas Wolff die Augen kaum auf, mag auch noch nicht sprechen. Ein Sprung ins Wasser vor dem Spiel könnte ihm da schon zu neuer Frische verhelfen…