Essen. Wegen einer Finanzierungslücke gerieten die World University Games an Rhein und Ruhr kurzzeitig in Gefahr. Jetzt spricht CEO Niklas Börger.

Es war ein heißer Sommer für Niklas Börger. Das hatte weniger mit hohen Temperaturen als mit finanziellen Lücken zu tun. Der 39-Jährige ist CEO der Durchführungsgesellschaft, die die World University Games im kommenden Jahr an Rhein und Ruhr plant. Weil Bund und Land sich im Sommer nicht in der Lage sahen, eine Finanzierungslücke zu schließen, kam es zu einem öffentlichen Schlagabtausch der politischen Vertreter. Derweil machten Börger und sein Team sich daran, das ursprüngliche Konzept komplett zu überarbeiten. So konnten die Studentenspiele im Ruhrgebiet (16. bis 27. Juli 2025) zwar gerettet werden, Düsseldorf fiel als Standort jedoch weg. Neu dabei sind Berlin und Hagen. Zum Jahresende blickt Niklas Börger nun ruhigeren Zeiten entgegen.

Herr Börger, hinter Ihnen liegt eine aufregende Phase. Können Sie mittlerweile wieder ruhig schlafen?

Niklas Börger: Ach, das konnte ich eigentlich die ganze Zeit ganz gut. Als ich meinen Vertrag unterschrieben habe, war mir bewusst, dass bei der Größe der Veranstaltung auch schwierige Entscheidungen auf mich zukommen könnten. Seit zwei Jahren bin ich dabei und habe bereits beim ersten Blick in die Bücher gesehen, dass es planerisch herausfordernd werden könnte.

Kam es trotzdem überraschend für Sie, dass plötzlich 30 Millionen Euro fehlten, für die weder Land noch Bund aufkommen wollten?

Überraschend war eher die Konsequenz. Es wurde deutlich signalisiert, dass Bund und Land aufgrund ihrer jeweiligen Haushaltslage die zusätzlichen Mittel nicht in Gänze bereitgestellt werden. Wir arbeiteten jedoch mit einem Budget aus 2019 – und das wurde trotz Corona und Inflation nie angepasst. Dass man 2024 für 50 Euro nicht mehr dasselbe bekommt wie 2019, liegt auf der Hand.

Klingt logisch.

Eben. Deshalb haben wir schon im Herbst 2023 in den relevanten Gremien, in denen auch Vertreter von Bund und Land sitzen, darauf hingewiesen, dass wir nach eingehender Marktanalyse rund 28 Millionen Euro zusätzlich benötigen, um das ursprüngliche Konzept umzusetzen. Als dann im Frühjahr 2024 klar war, dass weder Bund noch Land diese Summe bereitstellen würden, mussten wir schnell reagieren, um die Austragung der Spiele zu sichern. Das war der Moment, noch einmal ganz grundsätzlich neu zu denken.

Börger: Es ging nur ohne Düsseldorf als Standort

Welche Optionen hatten Sie?

Eine Möglichkeit war, die Spiele zurückzugeben. Das schien von außen betrachtet auch die realistischste Lösung, denn 28 Millionen Euro Defizit sind eine hohe Summe. Die andere Option war, komplett neu zu denken. In einer intensiven Klausurtagung haben wir den Vertrag analysiert, zwingende Rahmenbedingungen definiert und geprüft, wo wir Abstriche machen können. Das Ergebnis war eine schmerzhafte Einsicht: Es ging nur ohne Düsseldorf als Standort.

Wie wurde das aufgenommen?

Es war klar: Entweder finden die Spiele gar nicht statt oder eben nicht in Düsseldorf. Bund und Land haben Letzteres direkt unterstützt. Wir haben sofort das Gespräch mit der Stadt Düsseldorf gesucht, die diesen Schritt im Sinne des Sports akzeptiert und mitgetragen hat.

Wie konnten Sie überzeugen?

Ein Beispiel ist das Schwimmen: In Düsseldorf war geplant, ein mobiles Wettkampfschwimmbecken in der Messehalle aufzubauen. Transport, Aufbau und Betrieb – insbesondere die Beheizung – hätten immense Kosten verursacht. In Berlin nutzen wir dagegen nun die einzige geeignete bestehende Schwimmhalle in Deutschland, was erhebliche Einsparungen bringt. Auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit konnten wir Vorteile erzielen: Durch die Umverteilung auf andere Städte und die Einbeziehung von Hagen für Basketball sind die Wege kürzer, der Transportaufwand geringer, und wir nutzen mehr bestehende Infrastruktur. In der Not haben wir die Chance gesehen, an vielen Stellen sogar bessere Lösungen zu finden.

Also hat es letztlich sogar etwas Positives.

Ja, sie hat vor allem eine erhebliche Dynamik gebracht. Wir haben eng mit Kommunen und vielen weiteren Stakeholdern zusammengearbeitet und sind dadurch noch enger zusammengerückt. Die Erfahrung hat auch das Bewusstsein geschärft, dass „too big to fail“ nicht existiert. Unser Ansatz, die Absage der Spiele unbedingt zu verhindern, hat die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten enorm gestärkt.

Ist es nicht dennoch auch frustrierend, wenn man die ganze Arbeit übernimmt, die Politik sich öffentlich aber lieber auf einen Schlagabtausch konzentriert?

Nein, ich bin keinesfalls frustriert. Wer mit so hohen Fördergeldern arbeitet, muss die damit verbundenen Rahmenbedingungen akzeptieren. Daher haben wir uns bewusst aus der politischen Diskussion herausgehalten, weil es wichtig ist, die operative Arbeit des Organisationskomitees von politischen Mechanismen zu trennen. Ich sehe meine Aufgabe als Geschäftsführer des Organisationskomittees darin, pragmatisch und lösungsorientiert zu agieren. Gemeinsam mit dem Team konnten wir so unseren Lösungsansatz glaubwürdig präsentieren und umsetzen.

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Teile des deutschen Sports sorgen für internationale Irritation

Können Sie auf diese Art auch bei den internationalen Verbänden und Funktionären punkten, um nach der unruhigen Zeit wieder Vertrauen zu schaffen?

Ja, das gelingt uns. Wir stehen in engem Austausch mit der FISU, dem Weltverband in Lausanne, sowie den internationalen Sportfachverbänden und informieren offen über unseren aktuellen Stand. Diese Transparenz hat Vertrauen geschaffen und wird sehr geschätzt. Inzwischen weiß auch jeder wieder, warum sich die Reise nach Deutschland im kommenden Juli lohnen wird.

Stoßen Sie auf offene Ohren, wenn Sie auch einmal die Rahmenbedingungen seitens des Weltverbandes hinterfragen?

Wenn die Argumente gut sind, ja. Grundsätzlich besteht Offenheit, da oft die Innovationskraft nicht aus großen Verbänden, sondern von Akteuren wie uns kommt, die unter Zeit- und Budgetdruck Lösungen finden müssen. Unsere Sportmanager, die schon bei Olympia oder Weltmeisterschaften Medaillen geholt und/oder in leitenden Funktionen gearbeitet haben, bringen wertvolle Erfahrung ein. Meine Aufgabe ist es, die daraus resultierenden Veränderungen überzeugend zu präsentieren.

Wie wurden die deutschen Finanzierungsprobleme international aufgefasst?

Ich habe schon die eine oder andere irritierte Rückfrage erhalten. Unsere Veranstaltung ist dabei kein Einzelfall – auch andere Aspekte des Sports in Deutschland werden international kritisch betrachtet. Insbesondere die grundsätzliche Herangehensweise an große sportliche Projekte und die damit verbundenen Prozesse stoßen aktuell auf Verwunderung. Dies wirft Fragen über die Struktur und Priorisierung des Sports in Deutschland auf, die international aufmerksam beobachtet werden.

Können Sie das konkretisieren?

Es wird hinterfragt, ob der Sport hierzulande wirklich die oft beschworene Bedeutung hat. Die Frage, warum selbst den World University Games so spät in der Planung die notwendige Rückendeckung fehlen könnte, ist schwer zu beantworten. Wenn man sieht, wie bei den Olympischen Spielen in Paris alle Beteiligten sichtbar an einem Strang gezogen haben, wird der Unterschied deutlich. Die Einführung der verbindlichen 30 Minuten Sport pro Tag an französischen Schulen ist nur ein Beispiel für die umfassenden Effekte der diesjährigen Spiele.

Ist man da ein bisschen peinlich berührt, wenn man solche Fragen hört?

Man steht tatsächlich ein wenig zwischen den Stühlen. Operativ lösen wir gemeinsam mit unseren Stakeholdern vieles sehr gut, und es gibt viele positive Entwicklungen. Aber als Durchführungsgesellschaft können wir nur unser Bestes geben und versuchen, das optimal zu kommunizieren. Es bleibt eine Herausforderung, die Diskrepanz zwischen operativer Arbeit in der Region und internationaler Wahrnehmung zu überbrücken.

Börger hält Olympia in Deutschland für erstrebenswert

Also holen Sie die Kohlen aus dem Feuer, die die Politik hätte verbrennen lassen?

Zumindest gab es angesichts der angespannten Haushaltslage und des engen zeitlichen Korridors keinen politischen Akteur, der eine Lösung mit der nötigen Priorität und Durchsetzungskraft vorantreiben konnte. Wir haben eine Lösung gefunden, die die Absage verhindert, und setzen diese jetzt Schritt für Schritt um. Ein gewisser Imageschaden bleibt dennoch vorerst in der Öffentlichkeit bestehen.

Die World University Games werden oft als eine Art Generalprobe für eine deutsche Olympiabewerbung genannt. Wie beurteilen Sie das?

Das stimmt. Keine Multisport-Veranstaltung kommt Olympia so nahe wie die World University Games. Sie kann in der Tat ein guter Testlauf sein.

Und wie sind Ihre bisherigen Erkenntnisse? Taugt Deutschland für Olympia?

Ich glaube, das ist absolut möglich. Es geht dabei um 2040 oder später – bis dahin haben wir noch viel Zeit. Entscheidend wird sein, dass politisch und gesellschaftlich eine breite, stabile Einigkeit darüber herrscht, dass die Kosten von Olympia gesellschaftlich gut investiert sind. Olympia hat nach wie vor eine einzigartige gesellschaftliche Bedeutung. Der Sport vermittelt Werte, die andere Bereiche oft nicht mehr leisten können. Die nächste Konsequenz wäre, dass erfahrene Experten mit der Umsetzung betraut werden – Menschen, die wissen, wie solche Großprojekte funktionieren und welche Ressourcen notwendig sind. Dann halte ich Olympia in Deutschland für erstrebenswert.

Wie fällt denn Ihr Urteil mit Blick auf die Sportstätten aus? Sind sie zukunftsfähig für Olympia?

Nicht alles ist in der Qualität vorhanden, die wir benötigen würden. Aber die Sportstrukturen – Vereine, Kommunen, Verbände – sind extrem motiviert und bereit, sich einzubringen. Oft reichen schon kleine Investitionen, um große Effekte zu erzielen. Bei zentralen Disziplinen, wie bei uns in der Sportart Schwimmen, fehlt es aktuell an grundlegenden Infrastrukturen für eine Veranstaltung höchster Qualität sowie an einem Konzept der entsprechenden nachhaltigen Folgenutzung.

Börger: Paris nachzuahmen wäre fatal

Bei den Olympischen Spielen in Paris hat man im Sommer gespürt, wie wichtig es ist, dass alle sich einig sind und hinter dem Projekt stehen – aber auch, welche Strahlkraft notwendig ist. Womit kann Deutschland punkten?

Paris hat Maßstäbe gesetzt. Es war eine nahezu perfekte Symbiose aus nationalen Stärken und dem olympischen Format. Deutschland müsste seine eigenen Vorzüge herausstellen, ohne Paris zu kopieren. Es gäbe wahrscheinlich keinen Louis-Vuitton-Koffer für die Fackel und die Medaillen, aber es hätte einen anderen, bodenständigen Charme, der genauso seine Berechtigung auf der Weltbühne hat. Ein Versuch, Paris nachzuahmen, wäre dagegen fatal.

Aber bevor es so weit ist, arbeiten Sie daran, mit den Studentenspielen das Image Deutschlands in Bezug auf Sportgroßveranstaltungen zu verbessern?

Ja, das ist unser Ziel. Ob es gelingt, wird sich zeigen, wenn die Spiele stattfinden. Die aktuelle Umsetzungsreife und die bisherigen Zahlen stimmen uns optimistisch.

In welcher Phase sind Sie denn gerade?

Bis Ostern befinden wir uns in der Vorbereitungsphase und liegen gut im Zeitplan, auch was die Wettkampfstätten angeht. Wir können bald erste Testveranstaltungen durchführen. Sehr erfreulich ist, dass wir einige Zielvorgaben bereits übererfüllen. So haben wir schon 157 angemeldete Teilnehmernationen – unser Ziel waren 150. Diese Zahl wurde so früh noch nie erreicht. Außerdem werden wir zum Jahreswechsel die Marke von 10.000 Volunteers knacken. Der Ticketverkauf läuft ebenfalls hervorragend: Schon jetzt sind wir fünfstellig, und unser niederschwelliges Preismodell wird sehr gut angenommen.

Woran liegt es, dass sich jetzt schon so viele Nationen angemeldet haben? Haben Sie offensiv Werbung gemacht?

Wir haben mit unserem internationalen Team sehr intensiv an der Ansprache gearbeitet und mit allen Delegationen Gespräche geführt, um unser Konzept vorzustellen. Für viele ist es zudem attraktiv, den Sommer in Europa zu verbringen und das Event mit weiteren touristischen Angeboten zu verbinden. Dass die Wege vor Ort kurz sind und wir ein Festivalerlebnis für alle schaffen, kommt sehr gut an.

Große Delegationen aus USA, Kanada, Australien

Große Delegationen werden unter anderem aus den USA, Kanada und Australien erwartet.

Ja, besonders das australische Schwimmteam, darunter viele Olympiamedaillengewinner aus Paris, wird ein Highlight. Das zeigt, dass wir mit Qualität überzeugen. Die USA haben bereits fünf Hotels für Familien und Freunde der Athleten reserviert. Das ist großartig – eine starke Fanbase bringt viel Atmosphäre.

Mit welchen Besucherzahlen rechnen Sie Stand jetzt?

Wir haben Kapazitäten für mehrere Hunderttausend Besucher. Wir gehen davon aus, dass wir mit der Kombination aus Sport, Mitmachangeboten, Konzerten und Künstlern über 500.000 Besucher erreichen können. Wie nah wir an die Millionenmarke kommen, hängt auch vom Wetter ab.

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Mit welchem Argument begeistern Sie die internationalen Teilnehmer von der Rhein-Ruhr-Region?

Indem wir die besonderen Werte und die Geschichte des Ruhrgebiets hervorheben, ohne dabei in Klischees zu verfallen. Die Region verbindet Tradition mit Zukunft. Als Wissenschaftsregion hat sie sich einen Namen gemacht, und genau deshalb finden diese Spiele hier statt. Familien könnten etwa das Bergbaumuseum besuchen, während sich Athleten für die akademischen Möglichkeiten der Universitäten interessieren, die sie vielleicht zu einem späteren Masterstudium inspirieren.