Herning. Die deutschen Handballer fordern bei der WM in Dänemark das beste Team der Welt heraus. Ein Trend macht Wolff, Knorr und Co. aber Mut.
Und nun? „Wir haben nichts zu verlieren. Der Druck ist komplett auf der dänischen Seite.“ Aber die sind doch so erschreckend stark, so dominant. „Wir wissen ja, dass wir eine unheimlich große Außenseiterrolle gegen Dänemark haben – die hat aber jeder Gegner im Welthandball seit ein paar Jahren.“ Welches Mittel hat man selbst da überhaupt? „Sie sind das beste Team des Turniers, der Welt – wir werden hart kämpfen müssen.“ Wird das die Revanche für Lille im vergangenen Jahr? „Wir haben eher eine Rechnung mit uns selbst offen, dass wir nicht wieder so schlecht aussehen wie im Olympia-Finale.“
Handball-WM: Deutschland erst gegen Dänemark, danach gegen Italien und Tunesien
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Bei den Einlassungen der Handballherren Juri Knorr, Alfred Gislason, Andreas Wolff und David Späth kommen Zuhörer nicht sofort auf die Idee, dass sich die Spieler und der Trainer der deutschen Nationalmannschaft in freudiger Erwartung eines auch für sie nicht alltäglichen Länderspiels befinden. Doch genau das ist es, wobei am Dienstagabend (20.30 Uhr/ARD) auf den Tribünen der 15.000 Zuschauer fassenden Jyske Bank Boxen von Herning kein Platz frei bleiben wird. Der Auftakt in die Hauptrunde dieser Weltmeisterschaft, das Aufeinandertreffen zweier Handball-Giganten, die Chance zur Verarbeitung olympischer Traumata nach dem deutschen Endspieldebakel gegen übermächtige Skandinavier. Oder wie Dänemarks Welthandballer Mathias Gidsel sagte: „Einfach ein schönes Handballspiel.“
Das Lächeln saß leichter im Gesicht, als die deutschen Nationalspieler am Sonntagabend nach dem 29:22 über Tschechien auf dem Weg in die Kabine noch ihre Erleichterung mitteilten. Auch wenn laut dem Bundestrainer „Italien längst kein Fallobst mehr“ ist und die Tunesier „körperlich stark und heißblütig“ sind, also jeden sportlichen Respekt verdienen, sollten zwei Siege über diese Teams (Italien am Donnerstag, Tunesien am Samstag) bei 4:0 Punkten, die aus der Vorrunde mitgenommen werden, den Einzug ins WM-Viertelfinale bedeuten. Ganz gleich, was schon morgen der Olympiasieger und Titelverteidiger vor heimischem Publikum mit seinem Widersacher aus dem Süden veranstalten wird.
Handball-WM: Selbst bei Pleite gegen Dänemark ist Viertelfinale für Deutschland wahrscheinlich
Es trifft sich ganz gut, dass Andreas Wolff ergänzend zur Aussicht, im vierten Spiel in Herning erstmals nicht in der Favoritenrolle zu sein, ein wenig den Dampf vom Kessel nimmt: „Die sind in der Breite so gut, dass wir eigentlich alle Spieler aus der Partie nehmen müssen“, sagte der 33 Jahre alte Torhüter, der beim zweiten Vorrundensieg gegen die Schweiz so einen Sahnetag erwischt hatte, „aber ehrlich gesagt: Das ist ein Gruppenspiel, kein Finale.“ Die Weltmeisterschaft wird am Dienstagabend weder gewonnen, noch verloren. Selbst bei einer – zu erwartenden – Niederlage und zwei anschließenden Siegen stünde der Gislason-Auswahl am 29. November in Oslo ein Viertelfinale voraussichtlich gegen Schweden oder Spanien bevor. „Wir spielen uns immer mehr ein“, sagte Wolff-Vertreter David Späth, der sich diesmal mit 14 Paraden als Rückhalt gegen Tschechien erwiesen hatte. „Wir sind auf einem sehr guten Weg.“
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Es gehört neben der italienischen Comeback-Geschichte nach 28 Jahren WM-Abstinenz zu den Phänomenen in Herning, dass die Deutschen besagten Weg immer erst nach der Halbzeit beschreiten. Ob gegen Polen (35:28 nach 15:14), die Schweiz (31:29 nach 15:14) oder nun gegen die Tschechen (29:22 nach 11:11) – die Mannschaft um den unersetzlichen Juri Knorr kommt immer erst in den zweiten 30 Minuten ins Rollen. Der Beschützerinstinkt der Mittelblocker für ihre Torhüter nimmt zwar zu, aber dafür findet die Gislason-Abwehr noch nicht so richtig ein Rezept gegen Rückraum-Asse. Und da kommen nun mal mit Mathias Gidsel (25) von den Füchsen Berlin und Simon Pytlick (24) von der SG Flensburg-Handewitt die beiden aktuell größten Kaliber des Welthandballs auf Deutschland zu. „Wir sind keine Mannschaft wie die Dänen, die viele Tore aus dem Rückraum machen können“, so der Bundestrainer, „aber wenn wir lockerer werden, bekommen wir auch unsere Chancen – die müssen nur alle sitzen.“
Handball-WM: Deutschlands Stärken liegen im zweiten Durchgang
Auch wenn David Späth, der 22 Jahre alte Torwart von den Rhein-Neckar Löwen, „viele Comeback-Qualitäten“ bei sich und den Kollegen erkennt, dürfte Dänemark seinen Fans in der Jyske Bank Boxen kaum zumuten wollen, ein schon gewonnenes Spiel noch aus der Hand zu geben. „Uns fehlt ein bisschen die Leichtigkeit von Olympia“, sagte der Leipziger Luca Witzke am Sonntag noch. In Paris und Lille habe in nahezu allen Spielen „alles gepasst – hier bisher meistens nur in den zweiten Halbzeiten“. Von einem deutschen Antrag beim Weltverband IHF, das Duell mit Dänemark erst ab der 31. Minute beginnen zu lassen, ist bisher aber nichts zu hören.