Essen. Natürlich, sie ist jetzt die Prinzessin. Das bietet sich ja an, angeblich geht’s ja um ein neues Sommermärchen. Dann heißt die andere auch noch Prinz. Frau Prinz und Frau Prinzessin also. Das ist schon mal kein schlechter Anfang für ein Märchen.

Natürlich, sie ist jetzt die Prinzessin. Das bietet sich ja an, angeblich geht’s ja um ein neues Sommermärchen. Dann heißt die andere auch noch Prinz. Frau Prinz und Frau Prinzessin also.

Das ist schon mal kein schlechter Anfang für ein Märchen. Oder auch nur für eine Geschichte von Aufstieg und Fall, in der die Rollen klar verteilt worden sind: Frau Prinz, Birgit mit Vornamen, ist 33 Jahre alt, sie gilt als spröde und in den letzten Wochen schien es so, als habe sie von ihrem Zauber verloren.

Die Prinzessin, mit bürgerlichem Namen Alexandra Popp, ist dagegen erst 20, sie ist offen, unverbraucht, ein bisschen keck und seit sie für die WM auf ihre geliebte Schokomilch verzichtet, trifft sie auch noch wie sie will. Popp für Prinz? Generationenwechsel in der deutschen Frauenfußball-Nationalelf?

Mal langsam. So schnell geht’s vielleicht im Märchen, aber das ständige Gerede von einem neuen Sommermärchen mag bei der deutschen Mannschaft niemand hören. Und dann gibt es da auch noch Bundestrainerin Silvia Neid.

Die 47-Jährige, die in dieser Geschichte die Königin wäre, hat ein feines Gespür dafür, wenn von außen etwas in den Hofstaat hingetragen wird. Und sie mag das gar nicht.

Neid hat viel experimentiert

Tatsächlich ist es ja einer der wenigen Diskussionspunkte in der Woche vor dem WM-Eröffnungsspiel gegen Kanada. Silvia Neid hat viel experimentiert, sie lobt zu Recht die Ausgeglichenheit ihres Kaders und sie deutet wieder und wieder an, dass die Zeit der festgefügten Stammelf vorbei sein könnte. Da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Debatte, ob das Team im Sturm nicht mit Alexandra Popp am besten besetzt wäre.

Die Argumente liegen ja auf dem Tisch: Popp hat einen rasanten Aufstieg hinter sich, die 20-Jährige, die aus Gevelsberg stammt und für den FCR Duisburg spielt, hat in vier WM-Testspielen fünf der 15 deutschen Treffer erzielt. Birgit Prinz keinen, dieser Hinweis fehlt an dieser Stelle nie.

Popp ist robust und sie hat Dampf im Fuß.  Vielleicht, weil sie früher als Schülerin der Gelsenkirchener Gesamtschule Bergerfeld mit den Jungs gekickt hat. Trotz der blöden Sprüche. „Ich bin dahin gegangen, wo’s weh tut“, sagt sie dann lachend. Seit Monaten hat sie Sonderschichten geschoben, um Bauch- und Rückenmuskeln zu stärken, sie hat Schokomilch und Eistee durch Wasser ersetzt, „was anfangs hart war.“ Nun sind sechs Kilo weg.

Und sie ist herrlich unbeeindruckt vom Wirbel, der um sie gemacht wird. Wenn Birgit Prinz im Bauch eines Stadions Rede und Antwort steht, dann tut sie das professionell, abgeklärt und mit einem Rest Distanz, den sie nie ablegen wird, nie ablegen will. Popp ist Sturm und Drang: Nach ihren beiden Toren beim 3:0 über Norwegen im letzten WM-Test stand sie vor einer Wand aus Mikrofonen, Blöcken und Diktiergeräten. Irgendwann  setzte sie diesen Blick auf: Wie, mehr wollt ihr nicht wissen?

Popp als idealer Joker?

Ihre Trainerin hat die Debatte um Prinz oder Popp wohl registriert. Sie legt sich nicht fest, aber Silvia Neid gibt deutliche Hinweise, wie sie Popp sieht: als idealen Joker. Bisher war’s genau so: Popp kam rein und mischte alles auf, was andere,  vor allem Inka Grings und Birgit Prinz, vorher mürbe gelaufen, gespielt und gekämpft hatten. Außerdem genießt Prinz nach einer Weltkarriere mit zwei WM-Titeln eine Ausnahmestellung. Im Team und bei Neid, die die Absicht erkennen lässt, loyal zu ihrer Spielführerin zu stehen.

Alexandra Popp hat das begriffen. Sie ist selbstbewusst, eine von den Jungen, die sich vor dem Spiel stylen.  „Wir sind Püppchen“, sagt sie voller Ironie. Aber Popp ordnet sich auch ein. Die WM als Edeljoker? Warum nicht. Also: Prinzessin statt Prinz? Ja, bald. Nur nicht sofort. Alexandra Popp wird noch etwas Geduld brauchen an Silvias Hofstaat. Wir sind ja nicht im Märchen.