Leipzig/Mainz.. Wenn Waldis Club im Ersten schließt, läuft nach Mitternacht noch die ZDF-Talkrunde bei Markus Lanz. Alle reden über Fußball. Keiner will dabei verlieren. Entscheidend für beide Sender ist die Quote. Volltreffer aus Sicht des Zuschauers gibt’s bislang kaum.

Medial sind das extrem anstrengende EM-Zeiten. Jeden Abend erst die unendlichen Spielanalysen mit dem Titan Oliver Kahn oder Spitzbube Mehmet Scholl. Später geht es noch in die Verlängerung mit den Talkmastern Waldemar Hartmann oder Markus Lanz. Auf beiden Kanälen wird gequatscht und geblubbert bis dem Konsumenten die Augen zufallen. Dummes Zeug? Nicht immer.

Es kommt auf die Experten an: Hansi Müller spricht über Fußball so qualifiziert wie er ihn einst auf dem Platz zelebriert hat. Sitzt der Ex-Europameister bei Waldi am Stammtisch, steigt das sachliche und fachliche Niveau der ARD-Show. Oder wie am Freitag beim Besuch von Campino. Tote Hose herrscht garantiert nicht, wenn der Punkmusiker aus Düsseldorf über den Fußballsport philosophiert. An solchen Abenden unterstreicht er seine Kompetenz aus vielen erlebten Spielen mit Höhen und Tiefen seiner geliebten Fortuna. Humor ist dabei Trumpf!

Campino und Didi Hamann rechnen mit England

Campino ist bekanntlich aus familiären Gründen auch ein Fan der Premiere League. Mit Freund Didi Hamann – Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool - liefert er die Insider-Analysen über den britischen Fußball. Drei Tore in einem Turnierspiel – das hat es bei den Lions lange nicht mehr gegeben. Sind die Engländer nach dem 3:2 gegen Schweden schon auf dem Weg ins Viertelfinale oder nun sogar ein Geheimfavorit? Campino und Hamann, der seit 14 Jahren im Königreich lebt, trauen den Schützlingen von Trainer Hoodgsen alles zu: "Eine Team ohne Stars - da geht vielleicht was."

Matze Knob nimmt Holländer auf die Schüppe

Sogar Flügelzange Matze Knob sagt: "Die Engländer machen mir ein bisschen Angst. Für mich waren sie immer ein sicherer Kandidat für das Ausscheiden in der Vorrunde." Seine Running Gags, egal in welcher Rolle, sind Knüller. Vor allem, wenn er unsere Nachbarn aus Holland auf die Schüppe nimmt.  Als Gesprächsgast Kai Pflaume ein Oranje-Trikot überstreifen muss mit seinem Nachnamen auf dem Rücken, stachelt Knob: „Das wäre nach dem Spiel gegen Deutschland auch passende Kleidung für die Holländer.“ Spitzenspruch!

Waldi macht sich lustig über Lothar Matthäus

Und selbst der Moderator haut ab und an einen raus. Wie vor kurzem diesen hier: „Lothar Matthäus ist heute leider nicht anwesend, weil er bei der Geburt seiner zukünftigen Frau dabei sein möchte.“ Bayerischer Humor. Waldi schießt gerne mal aus der Hüfte. Brüllt aber der ganze Saal im Bayerischen Bahnhof von Leipzig bierselig ein "Trulala" oder  „Es gibt nur einen Rudi Völler“, weil ihn Hansi Müller im Zusammenhang mit früheren Fußballzeiten erwähnt hat, ist das nervtötend und peinlich für die Sendung.Andererseits: Live ist eben auch Life. Da schwappt die Stimmung schon mal über.

Fazit nach einer Woche verbalem Ballgeschiebe im Ersten: Waldis EM-Club hat durchaus noch Luft nach oben.

Hartwig Sellmann

Im ZDF hangelt sich Markus Lanz mit geballter Prominenz durch

Im Zweiten sieht man beim smarten Herrn Lanz zwar fast täglich eine geballte Prominenz aus Politik, Kultur, Film und Sportfernsehen. Besser als beim Ersten wird das inhaltliche Angebot damit aber nicht in jedem Fall. Wen amüsieren noch die Plattitüden von Sky-Spaßmacher Oliver Pocher? Wer will wissen, mit wem Abonnementstalker Manfred Boßbach im Bundestag die Deutschland-Spiele anschaut? Wen juckt es, welche Bundesliga-Profis in ihrem Urlaub am Ballermann vor der Bühne von Stimmungskanone Micky Krause mitfeiern? Die Antworten befriedigen nur die Neugier von Markus Lanz und seinen Hang zum Boulevard.

Schmankerl von Manni Kaltz

Was Lanz allerdings aus dem wortkargen Alt-Internationalen Manni Kaltz herauskitzen konnte, war genial. Nach der Schmach von Cordoba (WM 1978 – 2:3 gegen Österreich) traute sich der HSV-Star zwei Wochen lang nicht auf die Straße. Auf der Liberoposition hatte Kaltz als Nachfolger von Franz Beckenbauer völlig versagt. „Einfach mal abgetaucht“, sei er damals, um dem öffentlichen Druck der Medien zu entfliehen.

Das konnte Mario Gomez im EM-Quartier der heutigen Nationalmannschaft nicht. Der zweifache Torschütze ließ Dampf ab vor laufenden Kameras nach dem Holland-Spiel.  Und genau in diese Kerbe packte Markus Lanz. Am Frust von Gomez zäumte der Moderator die intensive Diskussion um das Seelenleben der Fußballer auf. Reporter-Legende Jörg Wontorra schaltete sich ein, Sky-Fachfrau Jessica Castrop ebenfalls. Zu später Stunde kam der Fußballtalk doch noch in Fahrt.

Michael Schulz versteht Gomez nicht

Aus der Meinungsvielfalt stachen die Argumente eines Mannes heraus, der nur selten noch im Fernsehstudio auftaucht. Michael Schulz sprach Klartext. Kein Verständnis habe er für die scheinbare Weichei-Mentalität von Gomez. Etwas dicker sollte das Fell eines Profis mit dem Adler auf der Brust schon sein. Schulz: „Du musst Kritik wegstecken können, wenn sie berechtigt ist.“

Das flapsige Wortspiel von ARD-Experte Mehmet Scholl sei ja kein Angriff unter die Gürtellinie gewesen. Und als Prügelknabe möge sich Gomez bitte auch nicht fühlen. Da hätten er und andere im Berufsleben schon mehr „auf die Fresse gekriegt“, behauptet Schulz. Der frühere BVB-Verteidiger war jahrelang ein Raubein. Das hat sich später gewandelt. Michael Schulz weiß, was Druck im Fußball bedeutet. Er ist ein kompetenter Berater für dieses Thema.

Fazit nach der ersten Woche bunter Fußballrunden im Zweiten: Es wird nie langweilig bei Lanz. Aber etwas mehr Spannung täte gut!

Hartwig Sellmann