Essen. Im Pokalspiel zwischen Gladbach und Dortmund schauen alle auf Marco Rose. Was treibt den Trainer an? Eine Spurensuche.
Plötzlich lauerten die Journalisten, lockten die Spielerberater, stiegen die Gehälter, sagt Damian Halata über die Zeit nach der Wende. Als der heute 58-Jährige als Co-Trainer beim VfB Leipzig miterlebte, wie Marco Rose im Jahr 1995 in die erste Mannschaft aufstieg, während der Profi-Fußball im Osten Deutschlands nach und nach in eine neue Welt stolperte.
„Das war eine turbulente Phase, aber Marco war ein intelligenter Spieler, auf seine Einstellung war immer Verlass“, berichtet Halata.
Gladbach empfängt den BVB im DFB-Pokal
Rose verteidigt damals als junger Fußballer bei seinem Herzensverein in der 2. Bundesliga. Am Dienstag, viele Erlebnisse später, werden alle Kameras auf ihn gerichtet sein, wenn er als Trainer von Borussia Mönchengladbach seinen künftigen Arbeitgeber Borussia Dortmund aus dem DFB-Pokal-Viertelfinale werfen kann (20.45 Uhr/ARD und live in unserem Ticker). Seit Mitte Februar steht fest, dass es ihn zum BVB zieht, seitdem schwankt seine Elf durch die Saison. Alle drei Pflichtspiele wurden verloren. Sogar über einen vorzeitigen Rauswurf wird daher spekuliert.
Am Montag auf der Pressekonferenz vor dem Duell verschränkt Rose die Arme, auf seinem Trainingsanzug prangt die Gladbacher Raute, die Haare und der Bart glänzen grau. „Ich lese wenig, das tut mir sicher ganz gut. Ich empfinde den gleichen Druck, den ich immer empfinde, weil wir morgen einfach ein wichtiges Spiel vor der Brust haben“, sagt der 44-Jährige. Natürlich muss er geahnt haben, dass der Gegenwind heftig pfeifen wird, sobald er seine Entscheidung bekanntmacht. Doch er hat den Wechsel trotzdem gewollt. Warum?
Wenn man sich auf Spurensuche begibt, lernt man zum einen einen Menschen kennen, der sich immer durchbeißen wollte. Schon als Spieler musste Rose fehlendes Talent durch Einsatz wegschwitzen. Zum anderen loben viele seine menschliche Wärme, erwähnen eine gewisse Gelassenheit, die Rose auch ausstrahlen kann. Vielleicht, weil er in der DDR schon miterlebt hat, wie ein gesamtes politisches System kollabierte. Was sind dagegen ein paar verlorene Spiele?
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2000 wechselt der Verteidiger vom VfB Leipzig zu Hannover 96, zwei Jahre später zieht es ihn weiter zum FSV Mainz 05. Hier bleibt er acht Jahre, lernt in Mitspieler Sandro Schwarz, der derzeit selbst als Trainer bei Dynamo Moskau arbeitet, einen Freund fürs Leben kennen. Beide ziehen in eine gemeinsame WG, streiten über den leeren Kühlschrank. Häufig schaut Ex-Handballer Pascal Hens vorbei, der Bälle für die benachbarte HSG Wallau/Massenheim wirft. „Das war eine schöne Zeit“, erzählt Hens. „Wir konnten nach einem Spiel noch durch die Stadt ziehen. Natürlich waren wir alle Leistungssportler, aber es war mehr erlaubt als heute.“ Marco Rose sei einfach ein guter Typ. „Wir haben uns damals nicht explizit darüber unterhalten, aber Sandro und Marco haben schon immer mit dem Gedanken gespielt, Trainer zu werden.“
Marco Roses Trainer in Mainz hieß Jürgen Klopp
Vor allem rauschen die beiden damals als Spieler durch eine emotionale Achterbahn. Unter Trainer Jürgen Klopp kratzen sie zweimal am Bundesliga-Aufstieg, sie verpassen diesen 2003 nur aufgrund der um ein Tor schlechteren Tordifferenz, ehe sie ein Jahr später doch aufsteigen. „Mir hat das gezeigt, dass es sich immer lohnt, weiterzumachen“, erklärt Rose. Noch heute schreibt er sich mit Klopp.
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Der Welttrainer vom FC Liverpool gehört zu den Vorbildern, die Rose hat, als er sich ab 2010 schrittweise nach oben trainiert. Erst als Co-Trainer in der zweiten Mannschaft von Mainz, dann in der Regionalliga bei Lokomotive Leipzig, wie der VfB Leipzig nach einer Pleite jetzt heißt. 2013 wechselt Rose in die Jugend zu Red Bull Salzburg, übernimmt 2017 die Profis, wetzt mit ihnen mit offensivem Fußball durch die Liga und die Europa League. Zwei Jahre später folgt das Angebot von Borussia Mönchengladbach. Rose qualifiziert sich schon in seiner ersten Saison für die Champions League. Jetzt also Dortmund.
Damian Halata schätzt es, dass es einer aus „dem Osten“ so weit geschafft hat, was weiterhin nicht selbstverständlich sei. Seine Heimat bedeute ihm sehr viel, hat Rose einmal im Interview mit dieser Redaktion betont. Die Familie lebt dort, viele Freunde. Deswegen fliegt er immer, wenn es seine Arbeit erlaubt, nach Leipzig. Dort hat er sogar eine schwarz-gelbe Legende kennengelernt. Siegfried Held, 1966 Europapokalsieger mit dem BVB, verschlägt es 30 Jahre später als Trainer zum VfB. „Er ist nicht unangenehm aufgefallen“, sagt Held über seinen damaligen Spieler. Immerhin.
Bald kann Marco Rose daran arbeiten, selbst mit den Dortmundern Titel zu gewinnen.