London. Auf der Trainerbank der Bayern erlebt Jupp Heynckes nach langen Karriere-Jahren einen großen Triumph. Sein Gegenüber in London - Trainer Jürgen Klopp von Borussia Dortmund - hat diesen Weg noch vor sich.

Um kurz vor 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit hatte Jupp Heynckes die Hände an diesem begehrtesten Pott, den der Weltvereinsfußball vergibt. Der Trainer glühte im Gesicht, aber mit diesem Osram-Scherzchen, das ihn selbst in seiner späten Karriere noch begleitete, ist es nun endgültig vorbei. Heynckes hat 1998 mit Real Madrid die Champions League. Und er hat am Samstagabend im Stadion von Wembley in London mit Bayern München ausgerechnet gegen Borussia Dortmund ein zweites Mal in der Königsklasse triumphiert. Er glüht nicht mehr. Er überstrahlt. Er überstrahlt auf den letzten Metern vor dem Renteneintritt sogar den vielfach begehrten und heiß verehrten jungen Kollegen Jürgen Klopp.

Der applaudierte den Siegern engagiert auf dem Wembley-Rasen. Und um kurz nach halb zwölf wieder mitteleuropäischer Zeit sprach Klopp auch ein kleines Grußwort an die Sieger, die Bayern, und ein großes Grußwort an Heynckes: „Vor allem herzlichen Glückwunsch an Jupp Heynckes, dem ich diesen Titel wirklich gönne.“

Das Cupfinale in Berlin ist Heynckes' letzte Station

Der Dortmunder hat nicht hinzugefügt: zum Abschied. Und es war noch nicht das letzte Spiel des Trainers Heynckes. Weil es ihm wie schon im Vorjahr gelungen ist, die Bayern in allen drei Wettbewerben, in der Bundesliga, im nationalen Pokal und in der europäischen Königsklasse, bis auf die Zielgerade zu führen, ist ihm auch ein dreimaliger Abschied vergönnt. Letzte Station also: Cupfinale in Berlin, in der kommenden Woche. Wenn Beruf ein Wunschkonzert wäre, hätte Heynckes aber wohl die Reihenfolge der Ereignisse geändert. Mit 19 Jahren wurde er Profi bei Borussia Mönchengladbach, 1979 startete er am Niederrhein die Trainerkarriere. Und am letzten Bundesligaspieltag, als der Titelgewinn schon lange klargemacht war, durfte er da, wo für ihn Heimat ist, mit dem FCB sein letztes, sein 1012. Ligaspiel bestreiten.

Die Gladbacher Fans haben ihn gefeiert, und Heynckes konnte die Tränen nicht zurückhalten. Er hat geweint, nur einen kurzen Moment lang, aber es wurden natürlich Bilder gefertigt, Bilder, die auch in Jahrzehnten noch dokumentieren werden: Hier hat einer mit dem Herzen Abschied genommen. Samstagabend ging es dann um etwas Anderes. Es ging darum, noch einmal Größe zu demonstrieren, noch einmal den Respekt dieser Fußballwelt abzusichern, die sich manchmal ruppig gezeigt hat.

Jürgen Klopp ist besser geschützt, er weiß sich besser zu wehren, er kann vor allem besser austeilen als Heynckes. Wenn der BVB-Trainer, wenn der Trainer des Konkurrenten, über den Kollegen spricht, dann muss der allerdings nichts fürchten. „Respekt“ ist genau das Wort, mit dem Klopp operiert, wenn er beschreiben soll, wie er dem Älteren begegnet. Respekt dürfte das sein, was Heynckes bei seinem eigenen Klub vermisst hat, nicht erst, als verkündet wurde, dass er gehen müsse, dass sein Nachfolger ab dem Sommer Pep Guardiola würde. Schon am Ende der vergangenen Spielzeit, als er hinter der Hand in Frage gestellt wurde, weil es keinen Titeln, nur zweite Plätze gab. Oder als Matthias Sammer zum Sportvorstand erkoren wurde, Sammer, der am Lautstärkeregler drehte, der schrille Töne einspielte.

Es lässt sich leicht vorstellen, wie Klopp und Sammer unter ähnlichen Voraussetzungen zusammengeprallt wären. Der Trainer der Borussen kann witzig und charmant sein, er kann Kluges formulieren, nicht allein auf seinem Sachgebiet. Das hat ihm von Königsklassenspiel zu Königsklassenspiel weltweit immer mehr Sympathien eingebracht, auch das macht ihn zum begehrtesten Trainer auf dem Globus. Doch Klopp kann anders. Er kann scharfzüngig werden, wenn ihm etwas nicht passt, wenn ihm jemand in die Quere kommt. Wie also wäre er umgegangen mit dieser Situation? Der Trainer, der sich seit 34 Jahren im Bankgeschäft bewegt, möchte Lautstärke vermeiden, der neue Sportvorstand hält Lautstärke für leistungsförderlich?

Heynckes freut sich für Lahm und Schweinsteiger

Heynckes hat das Ruder in der Hand behalten, mit stiller Konsequenz. Wahrscheinlich genießt der 68-Jährige auch dafür den Respekt des 22 Jahre jüngeren Kollegen, der 22 Trainerjahre weniger im Kreuz hat, der so anders ist, der aber auch schon vor dem eigenen Scheitern an der Thronbesteigung wusste, dass die stille Konsequenz des seriösen Herrn von der Gegenseite, gefährlich sein kann. Jupp Heynckes kommt spät zur späten Pressekonferenz im Bauch des Wembley-Stadions. Markus Hörwick, der Mediendirektor des FCB, sagt ein paar Worte voraus. Für den Verein sei es eine Freude, dass der Pott eingesackt werden konnte, noch eine viel größere Freude sei es aber, dass Heynckes ihn nun gerade jetzt mit seiner Mannschaft gewonnen habe. Und dann spricht der scheidende Trainer, er sagt, dass der Titel wichtig gewesen sei, aber vor allem für seine Spieler, vor allem für Kapitän Philipp Lahm und Vize Bastian Schweinsteiger, die noch keinen großen internationalen Erfolg vorzuweisen haben. Und er strahlt dabei und gibt auch noch Klopp einen Satz mit auf die Frustreise: „In einer Laufbahn gibt es Höhepunkte, aber auch Tiefschläge.“ Hauptsache, das Beste kommt (fast) zum Schluss.