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Sport in Maßen ist gesund und kann das Leben verlängern, doch das trifft nicht immer zu. Immer wieder werden Risiken unterschätzt und Sportler kommen ums Leben.
Anfang September ist auf tragische Art und Weise der Motorrad-Pilot Shoya Tomizawa ums Leben gekommen. Der 19-Jährige hatte seine Maschine in einer kritischen Situation nicht im Griff, wurde von zwei Konkurrenten überrollt und starb später im Krankenhaus. Kritiker forderten man müsse über den Sinn der Sportart nachdenken.
Einen ähnlichen Fall gab es bei den Olympischen Spielen in Vancouver. Auf der Rennrodelbahn war der junge Georgier Nodar Kumaritaschwili wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele im Training aus der Bahn geschleudert und tödlich verletzt worden, als er mit einer Geschwindigkeit von 144,3 Stundenkilometern gegen einen Stahlträger prallte. Die Bahn sollte laut Rodel-Weltpräsident Josef Fendt (Berchtesgaden) nur eine Geschwindigkeit von 137 km/h zulassen, war nach seinen Worten vor Olympia jedoch „um fast 20 Stundenkilometer schneller“.
Höher, schneller, weiter – Anscheinend ist die Rekordjagd das entscheidende Kriterium wenn es um eine gute Zuschauerquote geht – oftmals auf Kosten der Sportler.
Sportler sterben an Herzversagen
Doch nicht nur äußere Umstände sorgen beim Sport für Gefahr, auch dem menschlichen Körper sind Grenzen gesetzt. Marc-Vivien Foé, Antonio Puerta, Heiko Fischer, Florence Griffith-Joyner – sie alle starben an Herzversagen, oft sogar noch auf dem Platz oder in der Arena. Ein Schicksal, das 900 Sportler in Deutschland jährlich ereilt.
In letzter Zeit häufen sich die Fälle. Im September sind innerhalb von zwei Tagen zwei Fußballer zusammengebrochen. Evander Sno, aus der Reservemannschaft von Ajax Amsterdam, erlitt einen Herzstillstand. Der 23-Jährige war auf dem Feld zusammengesackt, erst nach mehrfachen Wiederbelebungsversuchen konnte er gerettet werden.
„Hätten die Teamärzte von Ajax und Vitesse nicht so schnell reagiert, wäre Evander nicht mehr am Leben. Sie waren 15 Minuten auf dem Feld. Evander hatte viel Glück“, sagte Ajax-Trainer Albert van der Dussen.
Unglücksfälle haben verschiedene Ursachen
Kein Glück hatte der ehemalige Dresdner Oberliga-Kicker Nduka Anyanwu. Der Verteidiger des rheinland-pfälzischen Bezirksligisten SV Geinsheim, war beim Auswärtsspiel in Queichhambach kurz vor Ende der ersten Halbzeit zusammengebrochen und konnte trotz 45-minütiger Reanimation auf dem Platz nicht wiederbelebt werden. Anyanwu starb im Alter von 30 Jahren.
Diese Unglücksfälle haben verschiedene Ursachen, wie Dr. Heribert Ditzel, Internist und langjähriger Mannschaftsarzt von Borussia Mönchengladbach, erläutert. Eine mögliche Todesursache sei der klassische Herzinfarkt, bei dem eine Verkalkung zu einer Verengung der Herzgefäße führe und somit die Funktion des Herzens beeinträchtige. In diesem Fall sind meistens Sportler über 35 Jahre betroffen.
Risikofaktoren sind der Konsum von Nikotin, erhöhte Blutfettwerte, zu hoher Blutdruck, Zuckerkrankheit und eine genetische Veranlagung, durch die Herzprobleme vererbt werden.
Spitzensportler erleiden keinen klassischen Herzinfarkt
Spitzensportler jedoch erleiden in der Regel keinen klassischen Herzinfarkt. Vielmehr sind es oftmals angeborene Herzkrankheiten, die bei hohen Belastungen z.B. schwerwiegende Herzrhythmusstörungen verursachen können. Profifußballer müssen deshalb einen jährlichen Medizincheck, unter anderem bestehend aus Blutcheck, EKG und Belastungs-EKG sowie Herzultraschall absolvieren. Dadurch sollen angeborene Herzkrankheiten erkannt werden.
Eine hundertprozentige Sicherheit bietet aber auch dieser Check nicht. Denn auch eine verschleppte oder akute Herzmuskelentzündung kann einen Herzstillstand verursachen, ausgelöst durch einen Infekt. Wird der Infekt erkannt und behandelt, besteht eigentlich kaum ein Risiko – gefährlich wird es bei kleineren Infekten, die die Sportler nicht als gefährlich ansehen und deswegen nicht beim zuständigen Arzt melden. Denn auch durch eine verschleppte Erkältung kann eine lebensgefährliche Situation entstehen.
Fußball-Profis werden also besser untersucht, sind aber größeren Belastungen ausgesetzt als beispielsweise ein Amateur-Sportler.
Freizeitsportler sollten Checkup machen
Nicht zuletzt aus diesem Grund steht bei Borussia Mönchengladbach seit Jahren immer ein Defibrillator am Spielfeldrand bereit. Wie auch auf dem Trainingsgelände, im Internat und auf der Tribüne, für die Stadionbesucher sind drei Stadionärzte im Dienst.
Freizeitsportler ab 30 aufwärts sollten regelmäßig einen Checkup machen lassen, um das Risiko einen plötzlichen Herztod zu minimieren, empfiehlt Dr. Ditzel. Besonders ältere Sportler sind Gefahren ausgesetzt, ohne das vielleicht zu wissen. Viele Marathon-Veranstalter verlangen aus diesem Grund mittlerweile eine medizinische Untersuchung.
Depressionen längst Volkskrankheit
Spätestens seit dem Selbstmord von Robert Enke sind jedoch auch die psychischen Belastungen des Sports in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Jüngstes Beispiel ist der Suizid des amerikanischen Football-Profis Kenny McKinley. Der 23 Jahre alte talentierte Wide Receiver der Denver Broncos litt an Depressionen und sah keinen anderen Ausweg.
Doch wieso nehmen sich erfolgreiche Sportler das Leben? Der Tod von Robert Enke hat das Thema ein Stück weit enttabuisiert, aber immer noch ist den Wenigsten bewusst, dass Depressionen längst zu einer Volkskrankheit geworden sind.
Thomas Graw, Sportpsychologe und ehemals beim Vfl Bochum tätig, erläutert den Prozess durch den die Krankheit entsteht: „Gründe für eine Depression entstehen nie plötzlich, sondern gehen aus einem Bewertungsprozess hervor, der zu einer negativen Bilanz führt. Rückzug und Niedergeschlagenheit sind die Symptome.“
Im Sport gibt es verschiedene Risikofaktoren: Eine negative Selbstbewertung, das Gefühl unzureichenden Talents und die daraus resultierenden Selbstzweifel. Der hohe Leistungsdruck im Spitzensport verstärkt diese Symptome. Wenn andere Bereiche, wie Freunde oder Familie, dieses Gefühl nicht ausgleichen können wirkt das Leben nicht mehr lebenswert. „Der Sportler fühlt sich nicht als Mensch, sondern als Ware – nur die Leistung zählt“, beschreibt Graw die Situation.
Sportpsychologie steckt noch in den Kinderschuhen
Ein Problem, das der Verband Deutscher Vertragsfußballer (VDV) schon länger kritisiert, nicht erst seit dem Krankheitsfall Enke.
Ulf Baranowski, Geschäftsführer beim VDV, sieht die Vereine in der Pflicht. „Der Einsatz der Sportpsychologie im Fußball steckt noch in den Kinderschuhen. Nur die Minderheit der Vereine haben einen Sportpsychologen fest eingestellt. Viele Vereine arbeiten nur sporadisch mit einem Psychologen, so sein Fazit.“ In Gladbach gibt es einen, der das Internat betreut. Thomas Graw musste beim VfL seine Koffer packen, als der damalige Trainer Marcel Koller entlassen wurde.
Dabei reicht die Einstellung eines Sportpsychologen allein nicht aus. „Es fehlen die nötige Kenntnisse über die Krankheit Depression und die Fähigkeiten zum frühzeitigen Erkennen von Krankheitsmerkmalen“, sagt Graw. „Der Sportpsychologe hat vielmehr die Aufgabe durch mentales Training und Konzentrationsübungen das Leistungsvermögen der Profis zu verbessern.“
Vereine in der Pflicht
Um die Krankheiten „Burn-Out-Syndrom“ und Depressionen zu bekämpfen, versucht der VDV, Hilfestellung zu leisten. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum „medicos“ auf Schalke bietet er Erstberatungen für Spieler an. Um aber eine wirkungsvolle Prävention zu gewährleisten, soll es eine Kooperation aus der Berufsgenossenschaft, der Wissenschaft und verschiedener Gremien geben. Vor allem aber die Vereine müssen ihren Anteil leisten.
Baranowski verweist auf Studien, die gezeigt haben, dass etwa 70 Prozent der Spieler die Arbeit mit einem Sportpsychologen annehmen würden. Eine Handvoll Spieler ist in jeder Mannschaft gefährdet, an Depressionen zu erkranken.
Sport kann also eine Gefahr für die Gesundheit bedeuten. Auf der Couch sitzen, Alkohol trinken und rauchen ist aber auch nicht gerade gesundheitsfördernd und so kann Sport in Maßen das Leben verlängern – es muss ja nicht gerade ein Triathlon sein.