Oberhausen. .
Bei Rot-Weiß Oberhausen spielt er in der 2. Liga - am Dienstag bekommt er jedoch eine erstklassige Bühne: Heinrich Schmidtgal spielt für Kasachstan in der EM-Qualifikation gegen das DFB-Team.
Sein Vater Eduard war Ringer, das ist in Kasachstan Volkssport. Heinrich Schmidtgal, klein, bullig, ein Kraftpaket, schaut zwar ebenfalls nach Zweikampf aus, hat aber eine andere Spielwiese. Er beackert für den Fußball-Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen die linke Außenbahn. Das mit großem Erfolg und daher spielt er nun für die kasachische Nationalmannschaft am morgigen Dienstag in der EM-Qualifikation in Astana gegen Deutschland. „Das ist natürlich ein Hammer“, sagt „Schmiddi“, der im Alter von zwei Jahren mit seiner deutschstämmigen Familie Kasachstan verließ.
Ins Ostwestfälische zog es die Schmidtgals mit Vater Eduard, Mutter Elsa, Heinrich und seinen vier Brüdern. Ihn zieht es bald weiter, vom SC Verl zum VfL Bochum, er will Fußballprofi werden. Biss, Schnelligkeit und Durchsetzungsvermögen bringt er mit. Doch Trainer Marcel Koller mag ihn nicht, lässt ihn in der zweiten Mannschaft versauern. RWO-Trainer Günter Bruns, der die Reserven der Bundesliga-Clubs regelmäßig auf gute, aber unzufriedene Spieler abklopft, will ihn verpflichten. Schmidtgal will spielen, und so einigen sich beide.
Der 24-Jährige schlägt ein, wird Stammkraft, mehrfacher Torschütze und Motor einer Mannschaft, die regelmäßig zu den Absteigern gezählt wird und sich zäh und bislang erfolgreich dagegen wehrt.
Unter deutschem Trainer
Seit 2009 führt der Deutsche Bernd Storck das Kommando in der kasachischen Nationalmannschaft, zuvor bei der U 21 und als Vereinstrainer bei FK Almaty, der ehemaligen kasachischen Hauptstadt – besser als Alma Ata bekannt. Storck, einst Profi in Bochum und Dortmund, erneuert den kasachischen Fußball und sucht intensiv nach Verstärkungen. Schon zu Schmidtgals Zeiten in Bochum gibt es die ersten Gespräche. Storck bittet Schmidtgal, die kasachische als seine zweite Staatsbürgerschaft anzunehmen. Schmidtgal nachdenklich: „Damit habe ich mich lange auseinandergesetzt, weil Deutschland meine Heimat ist.“ Letztlich entscheidet er sich in Rücksprache mit seiner Familie dafür: „Da liegen meine Wurzeln, also bin ich stolz darauf, für Kasachstan zu spielen.“
Russisch spricht er leidlich, derzeit bringt ihm seine Mutter kyrillische Schriftzeichen bei, damit er die Zeitungen seines Herkunftslandes verfolgen kann. „Ringen ist zwar Nationalsport, aber Fußball ist schwer im Kommen.“ Was auch daran liegt, dass systematisch gearbeitet wird. Storck hat mit seinem komplett deutschen Trainerstab ein Nachwuchs- und Scouting-Netz aufgebaut. Der Nationalmannschaft wurde in Almaty ein Leistungszentrum hingestellt. In der neuen Hauptstadt Astana wurde das 30 000 Zuschauer fassende Nationalstadion gebaut. „Mit dem besten Kunstrasen der Welt“, glaubt Schmidtgal.
Der Vertrag läuft aus
Dort spielt der 126. der Weltrangliste nun gegen Deutschland. Die Wertigkeit der Partien lässt sich am Eintritt ablesen: Mit 75 Euro ist der Durchschnittspreis gegen Deutschland doppelt so hoch wie am Freitag gegen Belgien, als es eine 0:2-Niederlage gab – mit Schmidtgal in der Elf.
Gegen Deutschland dürfte er ebenfalls spielen. „Natürlich sind wir Außenseiter, aber gegen die großen Nationen zu spielen, ist eine tolle Sache.“ Für den Deutschen mit kasachischer Herkunft in vielerlei Hinsicht, sein Vertrag bei RWO läuft aus. Gegen die deutsche Elf wird er auf einen ebenfalls kleinen, aber großen Spieler treffen: Philipp Lahm. „Den kenne ich schon aus unserem Pokalspiel bei den Bayern.“ Da fiel Schmidtgal nicht auf. Doch spätestens Dienstag dürften sich manche Bundesliga-Scouts vor dem Bildschirm fragen, warum sie nicht schon längst mal im Stadion Niederrhein vorbeigeschaut haben.