Budapest. .

Bei der EM holte Paul Biedermann über die 200-Meter-Freistil-Distanz den Titel. Doch die Jahres-Weltbestzeit von Michael Phelps konnte er nicht unterbieten. Mit Freundin Britta Steffen will der 24-Jährige nun Urlaub machen.

Glücklich sieht anders aus. Wer Europameister ist, hat noch längst nicht Feierabend. Dann beginnt der Medien-Marathon. Fernsehanstalten der verschiedensten Nationen, Radiosender, Internet-Portale und die Zeitungen, alle wollen sehen und hören, was der Mann, der gerade Gold aus dem Pool geangelt hat, an Gefühlen und Erkenntnissen mitzuteilen hat. Vor einem Jahr hätte Paul Biedermann den Small-Talk-Parcours am liebsten gar nicht beendet, so überschwänglich freute er sich über seine Weltmeister-Titel über 200 und 400 Meter Freistil. Er lachte, er scherzte. Gestern hat Paul Biedermann erneut Gold gewonnen. Aber alles war ganz anders.

Über 200 Meter Freistil holte er sich den Titel in 1:46,06 Minuten und hielt den Russen Nikita Lobintsew (1:46,51) und den Niederländer Sebastiaan Verschuren (1:46,91) klar auf Distanz, aber von den gewaltigen Emotionsausbrüchen des vergangenen Jahres war nichts zu sehen. Professionell brachte er die Interviews hinter sich, stand höflich und geduldig Rede und Antwort auf die sich immer wiederholenden Fragen. Doch die Enttäuschung hatte sich in seine Gesichtszüge tief eingegraben. „Ich bin nicht zufrieden mit meiner Zeit. Ich wäre schon gern schneller geschwommen“, fasste er den Grund seiner leicht depressiven Verstimmung zusammen.

Und dann erzählte er vom gewaltigen Druck, der auf seinen breiten Schultern lastete, nachdem er als Weltmeister und Weltrekordler am Montag gegen den erst 18-jährigen Franzosen Yannick Agnel über 400 Meter Freistil verloren hatte und nur Silber gewann. Biedermann wollte zwei Tage später über seine Lieblingsstrecke natürlich in Abwesenheit seines Bezwingers gewinnen. Aber nicht nur das: Biedermann wollte auch einen kleinen Gruß über den großen Ozean schicken.

„Mir fällt nichts in den Schoß“

„Ich wollte die Führung in der Weltjahresbestenliste zurückholen“, gab er zu. Doch die beiden US-Amerikaner Michael Phelps (1:45,61) und Ryan Lochte bleiben vor dem Mann aus Halle an der Saale. Einerseits war Biedermann traurig und frustriert, andererseits zog er sofort den richtigen Schluss, wie es nur ein so ehrgeiziger Weltklassesportler tun kann. „Ich weiß jetzt, dass mir nichts in den Schoß fällt, dass ich für meine Erfolge weiter hart, sehr hart arbeiten muss. Es hilft mir gewaltig, dass Phelps vor mir steht. Das gibt mir Motivation für das Training der nächsten Monate.“

Das Wort „Druck“ fiel in fast jedem seiner Sätze an diesem Mittwoch in Budapest. „Ich habe nicht gedacht, dass ich den Druck so nah an mich heranlasse, dass er mich so blockierte“, sagte er, um dann Sekunden später zu erklären: „Ich weiß jetzt, wie sich der Druck anfühlt.“ Und wie genau hat Biedermann diesen Druck gespürt? „Das ist sehr schwer zu beschreiben. Die Erwartungshaltung von mir selbst und von der Öffentlichkeit hat mich im Kopf gebremst. Mir hat die Gelassenheit gefehlt.“

Die richtigen Schlüsse

Paul Biedermann will jetzt die richtigen Schlüsse ziehen. Denn der 24-Jährige blickt schon voraus auf die Weltmeisterschaften im kommenden Jahr in Schanghai. In China will er auf jeden Fall seinen Titel über 200 Meter Freistil verteidigen. Am liebsten gegen Michael Phelps und gegen den jungen Senkrechtstarter Agnel, der dann wohl im Gegensatz zur EM in Budapest vom französischen Verband auch auf dieser Strecke nominiert werden wird.

Es könnte jedoch sein, dass sich Biedermann von den 400 Meter Freistil verabschiedet. Auf jeden Fall fest steht Biedermanns Verzicht auf die 100 Meter Freistil in Budapest. „Ich kann höchstens Fünfter werden“, sagte er, „da spare ich mir die Kraft für unsere Staffeln.“ Und dann geht es endlich in den Urlaub mit seiner Freundin Britta Steffen. Wohin? „Ans Meer“, antwortete er und kann wieder lachen. Wohin auch sonst? Endlich wieder Wasser.