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Es sollte nicht passieren, aber es passiert. Menschen machen Dinge, die inakzeptabel sind, doch sie werden sie immer wieder tun, weil sie keine Maschinen sind. Paolo Guerrero wird dieses simple Erklärungsmuster nicht vor einer harten Strafe schützen.

Aber wie immer nach einem Fehlverhalten ist es auch in diesem Fall hilfreich, den skandalösen Flaschenwurf des HSV-Stürmers gegen einen Zuschauer in seinem Gesamtzusammenhang zu betrachten.

Die Aktion wirkt ja vor allem deshalb so schockierend, weil im Unterhaltungsspiel Fußball die Rolle des Randalierers einseitig mit pöbelnden Fans auf den Rängen besetzt ist. Erstmals aus diesem Schema ausgebrochen war 1995 der für Manchester United spielende Franzose Eric Cantona, der einen ihn schwer beleidigenden rechtsradikalen Zuschauer mit einem Kung-Fu-Tritt niederstreckte und dafür weltweit ein halbes Jahr gesperrt wurde.

Cantonas Attacke, die interessanterweise nicht nur bei Berufskollegen, sondern auch bei vielen – friedfertigen – Fans auf ein hohes Maß an Verständnis stieß, war das erste öffentliche Signal an ein zunehmend aggressiver werdendes Publikum: Bis hierhin und nicht weiter! Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen!

In diese Richtung zielt auch Frank Rosts – linkische – Rechtfertigung von Guerreros Tat angesichts der vorangegangenen Provokation seines Teamkollegen: „Da muss ein Zuschauer auch mal damit rechnen, dass etwas zurückkommt.“

Gewiss, würde jeder so reagieren wie Guerrero – es herrschte Anarchie. Auf der anderen Seite wäre es zu billig, an Fußball-Stars, nur weil diese Millionäre sind, andere Maßstäbe anzulegen als etwa an den zahlenden Fan. Ein noch so teures Ticket ist kein Freibrief für Beleidigungen jeder Art, und die persönliche Schmerzgrenze für Provokationen hängt nicht von der Einkommenshöhe ab.

HSV-Coach Bruno Labbadia glaubt, eine zunehmende Bereitschaft zur Grenzüberschreitung in der Gesellschaft und fehlenden Respekt im Umgang miteinander ausgemacht zu haben. Der Fall Guerrero passt dazu wie die Flasche aufs Auge des Fans.