Kapstadt. .

Argentiniens Trainer Diego Maradona war nach dem 0:4 gegen Deutschland konsterniert und nahm seinen Abschied vorweg: „Das war ein Hieb wie von Muhammad Ali. Ich habe keine Energie mehr.“

Das 0:4 (0:1) gegen Deutschland war Maradonas Offenbarungseid als Coach. Regungslos, fast versteinert hatte der sonst so agile, ja mitunter rumpelstilzchenhafte Diego die letzten Minuten der Blamage verfolgt. Unfähig, noch einmal zu reagieren. Planlos. Vernichtet. Er selbst sprach nach der höchsten Pleite einer argentinischen WM-Elf seit 36 Jahren von der „härtesten Niederlage meines Lebens“. Und das schillernde Leben des „Goldjungen“ ist reich an Tiefschlägen.

Nach dem Spiel verlor Maradona kurz die Beherrschung. Ganz offensichtlich genervt von feiernden Deutschen hinter der Bank der Argentinier, ließ er sich zu Beschimpfungen der Fans hinreißen. Doch anders als nach manchem K.o. in der Vergangenheit zeigte Maradona auch Größe. Er gratulierte dem Gegner zu einem großen Sieg, umarmte die Spieler, tröstete, bedankte sich. Dass er selbst Trost brauchte, bemerkte erst seine Tochter Dalma. Die nahm den Papa lange in den Arm, als der die Umkleidekabine verlassen hatte, einen „Hort der Traurigkeit“, wie es Kapitän Javier Mascherano beschrieb.

Seinen engsten Vertrauten gegenüber soll Maradona bereits nach dem Spiel angedeutet haben, dass er seinen bis zur Copa America 2011 laufenden Vertrag kündigen wird. Öffentlich wollte er das aber noch nicht kundtun. „Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, als Trainer der Nationalmannschaft aufzuhören. Ich muss erst mit meiner Familie und den Spielern sprechen“, sagte er.

„Diego hat nicht bestanden“

Das Urteil der Öffentlichkeit ist längst gefällt: Höchststrafe! „Maradona hat die Partie falsch eingeschätzt. Vorher, währenddessen und danach. Die Auswahl braucht eine Erneuerung“, schrieb La Nacion. Das Blatt Ole befand: „Diego hat nie Antworten gefunden.“ Und Clarin meinte: „Diego hat einen Schnellkurs gemacht und nicht bestanden.“

Tatsächlich waren Maradona schon im Vorfeld Fehler unterlaufen. Rekordnationalspieler Javier Zanetti und Mittelfeldarbeiter Esteban Cambiasso ließ er zu Hause, obwohl beide maßgeblichen Anteil am Sieg von Inter Mailand in der Champions League hatten. Stattdessen nahm er den unbekannten Abwehrspieler Ariel Garce mit, angeblich, weil er ihm im Traum erschienen war. Er ließ ihn keine Sekunde spielen.

Maradonas Abwehr blieb ein Experimentierfeld, besonders deren rechte Seite, auf der gegen Deutschland Nicolas Otamendi dilettieren durfte. Der schlimmste Vorwurf aber: Maradona hat keine Spielidee entwickelt. Bezeichnend seine Aussage, Messi spiele „immer da, wo der Ball ist“. Einen Plan gab er dem Star nicht mit - und so musste der gegen eine starke deutsche Mannschaft mit untergehen.

„Sterblicher aus Fleisch und Blut“

An Messis Auftritt, das betonte Maradona nachdrücklich, sei das Scheitern jedoch nicht festzumachen. Der „Floh“ habe „eine große WM gespielt“, sagte er. Wer anderes behaupte sei „ein Idiot“. Allein: Coach Maradona hat aus Messis Fähigkeiten zu wenig gemacht. „Die Spieler haben gemerkt, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Aus der göttlichen Gestalt Maradonas ist ein Sterblicher aus Fleisch und Blut geworden“, urteilte Clarin.

Von Maradonas Spielern gab es jedoch kein böses Wort für ihren Chef. Mascherano bedankte sich artig „für sein Vertrauen“. Wie es weitergehe, müssten „andere beurteilen, das steht uns nicht zu“. Ein Plädoyer für den Trainer war das nicht, stattdessen gab es indirekt Kritik. „Nach dem frühen 0:1 wussten wir keinen Ausweg mehr“, sagte Carlos Tevez. Maradona hatte ihnen keinen Ausweg aufgezeigt.

Eine Gebetskette, zwei Armbanduhren - aber keine Vision, keinen Plan: Maradona ist gescheitert. La Nacion beschrieb treffend, was er jetzt von seinen Uhren hört: „Tic-tac, tic-tac, tic-tac.“ Maradonas Zeit als argentinischer Nationaltrainer läuft ab. Volkes Stimme legt Argentiniens Fußball-Nationaltrainer Diego Maradona schon den Rücktritt nahe. In Umfragen diverser argentinischer Medien sprachen sich die Fans eindeutig gegen eine weitere Beschäftigung von „El Diez“ aus. Beim Sportblatt Ole haben bereits über 61.000 Internet-User abgestimmt, 59 Prozent wollen den Weltmeister von 1986 nicht mehr als Trainer der Nationalelf sehen.

Die Tageszeitung Clarin zählte am Sonntag schon 38.602 „No“-Stimmen (60 Prozent). Noch eindeutiger ist das Votum bei der Zeitung La Nacion. 68 Prozent der Umfrage-Teilnehmer halten Diego Maradona ungeeignet für den Neuaufbau nach dem 0:4 im Viertelfinale gegen Deutschland. (sid)