Berlin. Dem souveränen Finaleinzug folgte die geschmacklose Entgleisung: Diskus-Riese Robert Harting machte seinem Namen als Provokateur wieder mal alle Ehre. Fünf Stunden nach seinem Verbal-Angriff bedauerte der Vize-Weltmeister seine Äußerungen.

Nach seiner angekündigten Diskus-Attacke gegen die Doping-Opfer ist Robert Harting zurückgerudert. Fünf Stunden nach seinem Verbal-Angriff bedauerte der Vize-Weltmeister seine Äußerungen. Die Anspannung des Qualifikations-Wettkampfes habe nachgewirkt. Seine Äußerungen seinen unakzeptabel sagte Harting, der am Mittwoch (20.10 Uhr) im Finale der WM erneut auf eine Medaille hofft.

Der Diskuswerfer hatte sich kurz nach seinem Einzug ins WM-Finale am Dienstagmorgen eine geschmacklose Entgleisung erlaubt und unter die Gürtellinie getroffen: "Wenn der Diskus aufkommt, soll er gleich gegen die Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben - damit sie wirklich nichts mehr sehen." Die Opfer hatten seinen Trainer Werner Goldmann wegen dessen Verstrickungen ins Dopingsystem der DDR angegriffen. "Ich glaube, dass ich die Kraft des Wortes ein wenig unterschätze, aber ich lüge nicht. Die Leute, die die Sachen vor den Kopf bekommen, sollen sich Gedanken machen", schob Harting nach. "Ich finde diese Aussagen unerträglich", sagte Präsident Clemens Prokop vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Entrüstet reagierten die Dopingopfer. "Das ist ein offizieller Angriff gegen Geschädigte", sagte Andreas Krieger, selbst Dopingopfer: "Wenn so die neuen Helden im deutschen Sport aussehen, ist es um den deutschen Sport schlecht bestellt." Hartings Entgleisung nach der Quali-Bestweite von 66,81 m im ersten Versuch rückte den Sport in den Hintergrund.

Angriff auf Kampagne der Dopingopfer

Der Vizeweltmeister zielte auf eine Kampagne der Doping-Opfer-Hilfe-Verein (DOHV). Diese verteilt vor dem Berliner Olympiastadion 25.000 Schutzbrillen, um symbolisch gegen die ihrer Meinung nach zu harmlose deutsche Anti-Doping-Politik zu protestieren. Die Papierbrillen verwehren den Durchblick auf einen vom Doping belasteten Sport. Die Initiatoren der 'Brillen-Kampagne' mit Ines Geipel, Uwe Trömer, Gerd Jacobs und Krieger an der Spitze hatten Harting-Trainer Goldmann zuletzt scharf attackiert.

Krieger nannte ihn einen 'Kaiser der Verdrängung'. Goldmann hatte zunächst seinen Job als Bundestrainer verloren, weil Jacobs erklärte, der Trainer habe ihn zu DDR-Zeiten mit Dopingmitteln versorgt. Mittlerweile ist Goldmann zurück im deutschen Team. 'Zu Jacobs sage ich nichts mehr', meinte Harting und stellte verärgert fest: 'Die machen alles kaputt.'

Harting wirbelt oft Staub auf

Schon oft sorgten Hartings Äußerungen für Wirbel. Kurz vor der WM stellte er den Kampf gegen Doping in Frage. 'Wo Geld ist, wird gedopt. Eigentlich ist es sinnlos, gegen diese Tatsache anzukämpfen', meinte er. Kurz Zeit später relativierte der einzige Berliner mit Medaillenchancen bei der Heim-WM seine Aussagen: 'Es ist offensichtlich, dass ich natürlich nicht für Doping stehe.'

Am Wochenende ließ der 'Provokateur' dann eine harsche Kritik an der Spitze des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) folgen: 'Leute wie unseren Präsidenten Clemens Prokop und Generalsekretär Frank Hensel brauchste eigentlich nicht. Die sind seit über fünf Jahren im Amt, passiert ist aber nichts.' Obwohl verbal entgleist, ist Harting sportlich in der Spur. Im Finale am Mittwoch (20.15 Uhr) ist eine Medaille drin, was er mit der besten Weite in der Quali unterstrich. 'Dabei war ich ganz schön nervös. Mir ging der Arsch auf Grundeis.' Gold scheint zwar fest an den seit 13 Monaten ungeschlagenen Olympiasieger Gerd Kanter (Estland) vergeben, der mit 66,73 m ähnlich überzeugend auftrat wie Harting, doch dahinter ist alles möglich. Deutschlands zweiter Starter Markus Münch (Pinneberg/60,55) schied aus.