Essen. Wenn im Fußball von Skandalen die Rede ist, handelt es sich in der Regel um falsche Pfiffe, fiese Fouls oder Randale auf den Rängen. Nichts von dem war beim Revier-Derby zu beobachten. Umso ungewöhnlicher und ärgerlicher ist das durch BVB-Spieler ausgelöste verbale Nachspiel.
Im Brennpunkt des Nachspiels steht Schalke-Torwart Manuel Neuer, dem grobe Unsportlichkeit vorgeworfen wurde. Gewöhnlich werden Fernseh-Beweise herangezogen, um eine vom Schiedsrichter übersehene Tätlichkeit zu ahnden. Diesmal allerdings dienen die Bilder, die der WDR am Sonntagabend sendete, der Entlastung eines Spielers. Denn bei aller Vorsicht, die grundsätzlich bei Fotos und TV-Aufnahmen geboten ist, lässt sich danach die Version, Neuer habe Kevin Großkreutz absichtlich den Ellbogen ins Gesicht gerammt, nicht mehr halten.
Man muss nicht gleich soweit gehen, den BVB-Profis zu unterstellen, bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben. Man weiß von Zeugenaussagen nach Verkehrsunfällen, wie subjektiv Wahrnehmungen ein und desselben Vorganges sein können. Gleichwohl bleibt der Eindruck, dass hier Profis – offenbar im Frust über eine besonders bittere Niederlage – überzogen haben, als sie einen ihrer Berufskollegen nach einer allem Anschein nach eher harmlosen Rangelei an den Pranger stellten.
Allerdings: Gemessen an wirklichen Fußball-Skandalen handelt es sich doch eher um Scharmützel, die kein tagelanges Nachkarten rechtfertigen. Insofern ist es bedauerlich, dass es die Borussia gestern – nach Kenntnis der neuen Fernseh-Bilder – versäumte, die Wogen zu glätten. Nach den lobenswerten Bemühungen der beiden Vereinschefs um Deeskalation im Vorfeld des Derbys täten Hans-Joachim Watzke und Clemens Tönnies jetzt gut daran, das unnötige Nachspiel zur Chefsache zu machen und zu sagen: „Jetzt ist gut”. Es müssen sich ja nicht alle gleich lieb haben.