Dortmund. Marcel Schmelzer erlebte 2013 den Champions-League-Halbfinalsieg gegen Real Madrid. Im Interview spricht er über die Stärken des BVB.

Es ist noch nicht lange her, da hat Marcel Schmelzer noch selbst vor der Südtribüne gespielt, die auf einem großen Foto im Hintergrund abgebildet ist. Der 36-Jährige sitzt in einem kleinen Besprechungsraum auf dem Trainingsgelände von Borussia Dortmund. Er wirkt entspannt, lächelt viel. 2022 beendete er als Linksverteidiger-Legende offiziell seine Karriere, nun arbeitet Schmelzer als Co-Trainer der U17 im Klub. Vor allem aber war er beim letzten Champions-League-Halbfinale 2013 im Dortmunder Stadion dabei, als die Borussia über Real Madrid hinwegfegte, 4:1 siegte und sich im Rückspiel durch ein 0:2 ins Finale rettete.

Diese Erinnerung lebt nun wieder auf, erlebt der Klub am Mittwochabend (21 Uhr/DAZN) doch erneut ein Königsklasse-Halbfinale. Diesmal gegen die Starauswahl von Paris Saint-Germain.

Herr Schmelzer, täuscht es, oder wirkt Ihr Schnurrbart etwas voller?

Marcel Schmelzer: Das täuscht nicht, wir haben uns den Bart als Co-Trainer wachsen lassen, weil wir uns für das Halbfinale qualifiziert haben und auch, um unseren Cheftrainer Marco Lehmann zu ärgern, denn der wollte nicht mitmachen.

+++Lesen Sie auch: Felix Nmecha: Erschreckende Szene steht für eine BVB-Schwäche+++

Ich nehme an, es geht um den Halbfinaleinzug mit der U17 bei der Deutschen Meisterschaft und nicht um die Champions League.

Stimmt, auch wenn mich das Spiel der Profis auch sehr beschäftigt.

Mittwoch kommt Paris Saint-Germain ins Ruhrgebiet. Trauen Sie dem BVB zu, diese Starauswahl zu bezwingen?

Fünf Tore gegen Atlético Madrid zu schießen, ist schon außergewöhnlich. Also ist auch jetzt alles möglich. Paris ist keine Einheit, vor der man sich fürchten muss. Sie haben viele herausragende Individualisten, aber von außen beobachtet fehlt ihnen die Geschlossenheit. Vielleicht ruft mich jetzt aber Achraf Hakimi an und sagt: ,Das ist Quatsch.‘

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sie haben es 2013 erlebt. Wie fühlt sich ein Königsklassen-Halbfinale im Dortmunder Stadion an?

Alles prickelt. Und ich glaube und hoffe deswegen, dass die Jungs gegen Atlético endlich gemerkt haben, was das hier für eine geile Atmosphäre sein kann. Wie geil es ist, Leidenschaft zu zeigen. Weil diese Leidenschaft wieder zurückkommt wie ein Bumerang.

Sie haben damals Real Madrid 4:1 besiegt. Und vor mir sitzt jemand, der eines der vier Tore von Robert Lewandowski vorbereitet hat.

Na ja, eigentlich wollte ich das Tor machen, doch das ging ein bisschen in die Hose. Ich habe den Ball einfach direkt genommen, der ist aber komplett verrutscht und hat seinen Weg zum Glück zu Lewy gefunden.

So stand es 3:1, später 4:1. Wie hat die Mannschaft das gegen die Künstler aus Madrid gemacht?

Es ging nur als Kollektiv, das hat uns immer ausgezeichnet. Alle, die dabei waren, selbst die ganz jungen Spieler, sagen heute noch, dass es etwas Besonderes gewesen sei. Wir waren eine Gemeinschaft, geschmückt mit Ausnahmefußballern wie Lewandowski, Marco Reus und Mario Götze. Zudem schwebt über allem ein Name: Jürgen Klopp. Ohne ihn als Trainer, das wissen wir alle, wäre es nicht möglich gewesen.

Der Torschütze und der Vorbereiter: Robert Lewandowski (links) und Marcel Schmelzer im Halbfinale der Champions League 2013.
Der Torschütze und der Vorbereiter: Robert Lewandowski (links) und Marcel Schmelzer im Halbfinale der Champions League 2013. © Bongarts/Getty Images | Lars Baron

Kurz vor dem Spiel wurde öffentlich bekannt, dass Mario Götze zum FC Bayern wechseln wird. Was hat das mit der Gemeinschaft gemacht?

Wir wussten es schon etwas vorher, und es war wirklich ein Schock. Aber Jürgen war ein Künstler darin, es so hinzukriegen, dass wir das ausblenden. Wir hatten eine einzigartige Chance, und wir wussten auch, dass wir diese Chance nur hatten, weil wir Mario hatten.

Damals schwebte der Klub auf einer Euphorie-Welle. Heute ist die Stimmung oft trotz einiger Erfolge dröger. Woran liegt das?

Einmal tut es den Fans noch weh, am Ende der vergangenen Saison die Meisterschaft verspielt zu haben. Dazu kommen immer wieder Rückschläge. Deswegen hoffe ich, dass die Jungs gespürt haben: Wenn das Feuer einmal brennt, dann ist es unfassbar, das kann man nur genießen. Und man will mehr davon. Wir haben das 2011 nach der ersten Meisterschaft gemerkt. Wir sind durch Dortmund gefahren, wir haben die Augen der Menschen gesehen. Das ist der Moment, in dem man sagt: ,Dafür hast du das alles gemacht. ‘

+++Auch interessant: BVB-Ohrfeige in Leipzig: Bittere Zahlen für Nmecha und Özcan+++

Die Erwartungshaltung ist nun allerdings eine andere, die Gehälter sind gestiegen. Sie galten damals als wilde Außenseiter.

Wenn man uns die Schuld dafür geben möchte, dass Borussia Dortmund die Nummer zwei in Deutschland geworden und die Erwartungshaltung gewachsen ist, dann werde ich mich dafür natürlich nicht entschuldigen. Vor allem war es die letzten Jahre, die ich beim BVB mitgespielt habe, auch schon so. Es geht dann darum, trotzdem als Einheit aufzutreten.

Sie hatten als Mannschaft in den Jahren 2011 und 2012 große Probleme in Europa, erst dann folgte der Durchbruch. Ist das Niveau so unterschiedlich im Vergleich zur Bundesliga?

Es ist viel schwerer, gegen die herausragenden Klubs zu bestehen. Gleichzeitig sehe ich es genauso als Herausforderung an, den Alltag nicht zu vernachlässigen.

Mit Mats Hummels (links) und Marco Reus (Zweiter von rechts) stehen zwei ehemalige Teamkollegen von Marcel Schmelzer (rechts) noch heute im Kader des BVB.
Mit Mats Hummels (links) und Marco Reus (Zweiter von rechts) stehen zwei ehemalige Teamkollegen von Marcel Schmelzer (rechts) noch heute im Kader des BVB. © dpa | Federico Gambarini

Mats Hummels und Marco Reus als Spieler und Sven Bender und Nuri Sahin auf der Trainerbank sind am Mittwoch dabei, sie gehörten schon 2013 zur Mannschaft. Bemerkenswert, oder?

Damals hätte das keiner von uns gedacht. Auch nicht, dass einer aus unserer Truppe nach so vielen Jahren immer noch mitspielen kann. Das steht aber für den Spirit, den wir damals hatten.

Da Sie Jürgen Klopp so loben. Was denken Sie über sein baldiges Aus bei Liverpool?

Irgendwie kam es überraschend, aber irgendwie auch nicht. Er ist vom Spieler direkt zum Trainer geworden, hatte kaum Pausen. Es bleibt aber einfach schön, wie er an jedem Ort alle mitreißt. Egal, wo er ist, schafft er das.

+++Lesen Sie auch: BVB gegen die Top-Teams: Eine schockierende Bilanz+++

Sie arbeiten nun auch als Trainer. Ist Jürgen Klopp ein Vorbild?

Ich erwische mich oft dabei, dass ich denke: ,Was hätte Jürgen gemacht?‘ Selbst wenn ich im Moment Co-Trainer bin und weniger entscheide. Diese Gedanken kommen immer wieder. Ich werde viel von ihm mitnehmen für meine Trainerkarriere, auch von Thomas Tuchel. Dazu versuche ich, meinen eigenen Weg zu finden.

Es fällt auf, dass schon während Ihrer aktiven Zeit junge Spieler berichtet haben, wie sehr Sie ihnen geholfen hätten.

Ich hatte mir irgendwann vorgenommen, mich um die zu uns kommenden Talente zu kümmern, die noch nicht wissen, wo ihr Fahrrad steht. Gerade jüngere Spieler aus dem Ausland sind, wenn sie sich verletzen, sehr alleine. Ich wollte einfach da sein und Hilfe anbieten.

Kennen ihre heutigen U17-Spieler noch die Mannschaft von 2013?

Es ist wohl die letzte Generation, die sich daran erinnert. Noch jüngere Talente kennen mich nicht mehr so richtig, das spüre ich.

Ein Vorbild als Trainer: Jürgen Klopp und Marcel Schmelzer.
Ein Vorbild als Trainer: Jürgen Klopp und Marcel Schmelzer. © BM | firo Sportphoto

Erklären Sie ihnen denn, was den Klub Borussia Dortmund ausmacht?

Es schadet nicht, dies den jungen Fußballern aufzuzeigen. Hier wird Wert darauf gelegt, dass du arbeitest. Nach dem Atlético-Spiel habe ich ihnen gesagt: ,In der Champions League ist immer das ganze Stadion dabei. Aber im Bundesliga-Alltag kann es im Stadion auf manchen Tribünen an Unterstützung fehlen, diese Unterstützung muss man sich erarbeiten. Wenn man hier mit seinem Riesentalent denkt, es geht alles von alleine, dann bist du nur einer von vielen.‘

Wo soll Sie der Weg hinführen?

Ich habe keine Zielsetzung, keinen Wunsch. Ich möchte erst mal lernen, aufsaugen. Vielleicht höre ich auch irgendwann auf, Trainer zu sein, wenn ich merke, dass es doch nicht passt.

Ich habe auch zwei fiese Fragen. Erstens: Welche Mannschaft ist besser? Die von 2013 oder die von 2024?

Geht es darum, wer das Spiel gegeneinander gewinnen würde oder wer mehr Qualität hat?

Ist es nicht das gleiche?

Nein, das glaube ich nicht. Von der reinen individuellen Qualität und vom Potenzial her steckt in der Mannschaft heute mehr. Wir hatten fünf Starspieler, die auch etwas mit dem Ball konnten, und dann hatten wir fünf Arbeiter, die etwas weniger mit dem Ball konnten. Aber wir waren kampfstark und konnten deswegen jeden schlagen.

Ich nehme an, Sie zählen sich zu den Stars?

(lacht) Also ich tue da sicher keinem Unrecht und zähle mich natürlich zu den Zweitgenannten. Aber: Am Ende geht es darum, das Spiel zu gewinnen. Alles andere ist egal.

Zweitens: Worüber freuen Sie sich mehr? Den U17-Titel oder den Champions-League-Sieg?

Okay, das ist wirklich eine fiese Frage. Für den Klub ist der Champions-League-Triumph natürlich viel, viel größer. Für mich persönlich ist es schwer zu beantworten, weil mir die U17 sehr am Herzen liegt.

2022 beendete Marcel Schmelzer seine Karriere beim BVB. Nach insgesamt 17 Jahren.
2022 beendete Marcel Schmelzer seine Karriere beim BVB. Nach insgesamt 17 Jahren. © dpa | David Inderlied

Gehen Sie am Mittwoch ins Stadion?

Wir spielen mit der U17 im Halbfinale bereits um die Mittagszeit, dann kann ich mich vor dem Spiel abends noch ausruhen. Deswegen: Ja. Generell kostet es mich viel Kraft, an der Seitenlinie auf eine Partie einzuwirken. Direkt danach würde ich es nicht schaffen, im Stadion zu sitzen, da fiebere ich ja genauso mit.

Und im Falle der Sensation, reisen Sie zum Finale nach London?

Ach, da kann hier ich direkt mal meinen Wunsch bei der Geschäftsführung hinterlegen. Ich hätte dann gerne eine Karte, um mich auf den Weg zu machen.

Mehr News und Hintergründe zum BVB