Leipzig/Dortmund. Die Bundesliga-Spitze ist dem BVB enteilt. Der Erfolg in der Champions League darf nicht von Problemen im Dortmunder Kader ablenken.

Der Leipziger Hauptbahnhof am Sonntagmorgen, einige Dortmunder Fans suchen nach dem richtigen Gleis, In ihren Händen tragen sie Brötchentüten, Wasserflaschen, auf einem schwarz-gelben Trikot steht der Name „Lars Ricken“, Liebling der Massen und bald neuer starker Mann des Klubs mit den vielen Fragezeichen. Dann fährt der Zug ein und markiert das Ende eines schmerzhaften Aufenthaltes für jeden und jede, die mit Borussia Dortmund sympathisieren. Der BVB ging in Leipzig unter.

Ein Tor hatte der BVB am Tag geschossen, aber vier kassiert. Die 1:4-Niederlage gegen RB Leipzig entwickelte sich zu einem Warnruf vor dem großen Spiel. Am Mittwoch (21 Uhr/DAZN) tritt der Noch-Vizemeister im eigenen Stadion gegen Paris Saint-Germain an, das elektrisierende Champions-League-Halbfinale wirkt im Vergleich zur durchwachsenen Bundesliga-Saison wie ein unerwartetes Feuerwerk.

Leipzigs Xavi Simons: Eine Nummer zu groß für den BVB.
Leipzigs Xavi Simons: Eine Nummer zu groß für den BVB. © Getty Images | Maja Hitij

BVB: Eigentlich müssten die Alarmglocken schrillen

Dadurch schwankt der Klub zwischen der berichtigten und nötigen Vorfreude auf dieses Duell und der Erkenntnis, dass das bisherige Abschneiden in der Bundesliga eigentlich zu schrillenden Alarmglocken führen müsste. Der designierte Sportvorstand Ricken, mit dem Paris-Spiel beginnt seine Arbeit, bekam vor Augen geführt, wie schnell die eigene Mannschaft weiterhin auseinanderbrechen kann und wie weit die Spitzengruppe der Liga zumindest in dieser Spielzeit enteilt ist. Der Status als Deutschlands Nummer zwei bröckelt sportlich gesehen gewaltig.

Aus acht Kräftemessen mit den „Top vier“ der Liga hat der BVB nur fünf Punkte erspielt, 8:16 lautet die Tordifferenz. Der Rückstand auf den Vierten Leipzig ist auf ein Fünf-Punkte-Loch angewachsen. Würde Rang fünf nicht aller Voraussicht nach zur Champions-League-Qualifikation reichen, wäre die Aufregung groß. „Da kann man abends dreimal beten“, sagte Julian Brandt. Die Niederlage in Leipzig fühle sich trotzdem an wie „ein Schlag aufs Maul“. Immer wieder gehe es um individuelle Fehler. „Wir laden den Gegner zum Toreschießen ein. Wir müssen das rauskriegen.“ Nur so könne sich etwas ändern.

Torschütze Jadon Sancho sorgte für einen BVB-Lichtblick - es wurde trotzdem ein enttäuschender Nachmittag im Osten Deutschlands.
Torschütze Jadon Sancho sorgte für einen BVB-Lichtblick - es wurde trotzdem ein enttäuschender Nachmittag im Osten Deutschlands. © dpa | Jan Woitas

Jadon Sanchos Kunstschuss als BVB-Höhepunkt

Eigentlich hatte die Partie gut begonnen für die Dortmunder. Es gelang ihnen, das Pressing des Gegners zu umspielen, sich Chancen wie den Kopfball von Niclas Füllkrug zu erarbeiten. Die Krönung dieser Anfangsphase folgte durch Jadon Sanchos kunstvollen Schlenzer in den rechten Winkel (20.). Geholfen hätte dem BVB nun, wenn Deniz Aytekin in Gedenken an den legendären Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder das Spiel einfach abgepfiffen hätte. So aber zerbrach die Dominanz mit jeder weiteren Spielminute etwas mehr.

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Kurz nach Sanchos Kunststück präsentierte auch Xavi Simons seine künstlerischen Fähigkeiten, seine Außenrist-Flanke, bei der sich andere das rechte Bein verdrehen würden, landete bei Lois Openda, der Torhüter Gregor Kobel überwand (23.). Per Videobeweis wurde der Abseitspfiff zurückgenommen. Und RasenBallsport beschleunigte nach dem Ausgleich das Tempo. Benjamin Sesko (45.+2) nutzte Kobels unglücklich Abwehr nach vorne für die Führung. Mohamed Simakan (46.) erhöhte kurz nach der Pause, nachdem RB die Dortmunder Viererkette überrumpelt hatte. Christoph Baumgartner (80.) veränderte das Ergebnis ein weiteres Mal. „Über 90 Minuten hinweg ist es einfach zu wenig, in vielen Bereichen war uns Leipzig überlegen“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. „In der zweiten Halbzeit haben wir uns nicht genug gewehrt.“

Auf dem Boden: BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck.
Auf dem Boden: BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck. © dpa | Jan Woitas

Felix Nmecha sammelt nur 44 Ballkontakte im BVB-Zentrum

Salih Özcan und Felix Nmecha, die den gelbgesperrten Emre Can und den erkälteten Marcel Sabitzer ersetzten, verloren nach dem guten Start die Kontrolle im Zentrum. Nmecha sammelte nur 44 Ballkontakte, Özcan bis zu seiner Auswechslung in der 63. Minute nur 39. Marius Wolf, durch die Gelbsperre von Ian Maatsen auf die Position des Rechtsverteidigers gerutscht, war den Leipzigern Offensivdribblern wie Simons unterlegen. Erneut mangelte es Terzics Elf an Ballsicherheit, an Kontrolle, an klaren Abläufen.

„Wir können es besser, davon bin ich überzeugt“, meinte Kehl. Ob der Kader aber wirklich genügend Qualität bietet, um wieder konstant herausragende Leistungen abzurufen, wird ein Thema der Saisonanalyse werden. Zuvor richtet sich der Blick auf Paris. An diesem Montag beginnt die Vorbereitung auf das erste Königsklassen-Halbfinale seit 2013. Kapitän Can kehrt zurück. Sabitzer wird seine Erkältung bis dahin auskuriert haben. Mats Hummels‘ Risswunde am Schienbein (der Verteidiger wurde ausgewechselt) sollte verheilen. Hoffnung besteht, dass Donyell Malen (Oberschenkelverletzung) und Ian Maatsen (Probleme am Muskel) ihre Beschwerden rechtzeitig hinter sich lassen.

BVB braucht deutliche Steigerung gegen PSG

„Wir müssen gegen Paris das Stadion mitnehmen, Tore schießen, verteidigen. Es wird nicht reichen, nur zu kämpfen, wir müssen selbst aktiv sein“, sagte Julian Brandt. Es falle ihm gerade nicht leicht. Aber: „Ich freue mich drauf.“