Leipzig. Die Schmach des BVB in Leipzig wirft Schatten auf den kommenden Champions-League-Auftritt. Wie sieht es nach dem 1:4 personell aus?

Julian Brandts Haare sind schon seit einiger Zeit so lang, dass er sie sich immer wieder hinter die Ohren schieben musste, während er im Leipziger Stadion Worte formulierte, die zusammen eine Brandrede ergaben. „Das ist ein Schlag aufs Maul“, schimpfte Brandt.

Der Schweiß auf seiner Stirn war bereits getrocknet, auf seinem schwarz-gelben Trikot ließen sich Rasenflecken entdecken, gerade erst war das Spiel abgepfiffen worden, das mehr Fragen aufwirft, als Antworten liefert, weil Borussia Dortmund am Ende verdient 1:4 (1:2) bei RasenBallsport Leipzig verloren hatte. Dadurch sind die Leipziger enteilt, haben als Vierter nun fünf Punkte Vorsprung auf den BVB.

Die Bundesliga-Spitze ist dem BVB enteilt

Normalerweise wäre es nun stürmisch in Dortmund, wäre die Konstellation in dieser Spielzeit eine andere; durch das starke Abschneiden der Bundesliga-Klubs in Europa wird aber aller Voraussicht nach der fünfte Platz für die Qualifikation zur Champions League reichen. Und am Mittwoch hat die Borussia ja selbst noch ein besonderes Erlebnis vor sich: Dann empfängt sie Paris Saint-Germain im Königsklassen-Halbfinale.

Daran wolle er jetzt aber noch nicht denken, sagte Julian Brandt am Samstagabend. Denn „immer wieder geht es um individuelle Fehler, wir laden den Gegner zum Toreschießen ein. Wir müssen das rauskriegen.“ Dieses Jahr sei die Spitzengruppe der Liga enteilt. „Diese Pille müssen wir schlucken.“ Nur fünf Punkte hat der Vizemeister aus insgesamt acht Spielen gegen die Top vier gesammelt. Zu wenig.

Mal wieder folgt der Einbruch beim BVB

Borussia Dortmunds Niclas Füllkrug.
Borussia Dortmunds Niclas Füllkrug. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

In Leipzig hatten die Dortmunder eigentlich gut begonnen. Die Spieler von Edin Terzic hatten den Ball, die Kontrolle, erspielten sich Chancen. Jadon Sancho streichelte einen Schuss in den rechten Winkel (20.). So tritt eine Spitzenmannschaft auf, konnte man bis hierhin denken. Nur: Es folgte ein Einbruch. „Wir kriegen direkt das 1:1 und fangen auf einmal an, lethargisch zu spielen. Wir haben unfassbar viele Fehlpässe gespielt, wir waren nicht mehr konsequent vor dem Tor, wir haben es defensiv gar nicht mehr in den Griff bekommen“, meckerte Brandt.

Lois Openda glich nach einer kunstvollen Flanke des begnadeten Xavi Simons aus (23.); der eigentliche Abseitspfiff wurde durch den Videoassistenten korrigiert. Benjamin Sesko (45.+2), Mohamed Simakan (46.) und Christoph Baumgartner (80.) erhöhten, die Dortmunder Laune stürzte in den Keller. Torhüter Gregor Kobel, der den Ball vor dem zweiten Tor unglücklich in die Mitte abklatschen gelassen hatte, sprach von einem „scheiß Gefühl“. Fast hätte es nach einem Rempler von Salih Özcan gegen Dani Olmo sogar noch einen Strafstoß gegeben. Schiedsrichter Denis Aytekin korrigierte sich nach Ansicht der TV-Bilder selbst. „Ich hätte auch keinen Elfmeter gegeben“, meinte Leipzig Trainer Marco Rose nach dem Spiel gegen seinen Ex-Klub.

„Wir haben verdient verloren“, sagte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl. „Mir haben ein paar Dinge einfach nicht gut in der zweiten Halbzeit gefallen, wir haben uns nicht gut gewehrt. Wir sahen nicht gut aus.“

BVB-Verteidiger Mats Hummels soll gegen Paris spielen können

Vor allem der Ausfall des gelbgesperrten Linksverteidiger Ian Maatsen schmerzte. Für ihn rückte Julian Ryerson nach links, Marius Wolf begann auf der rechten Seite und war in seinen vielen Duellen gegen Xavi Simons überfordert. Auch Kapitän Emre Can fehlte gelbgesperrt, Marcel Sabitzer wurde aufgrund seiner Erkältung geschont. Deswegen bekamen Salih Özcan und Felix Nmecha die Chance, ihre Qualität im Zentrum nachzuweisen, was nur die ersten 20 Minuten akzeptabel gelang. Nmecha hatte am Ende nur 44 Ballkontakte, weiterhin bleibt der Königstransfer ein Rätsel.

Can wird gegen Paris zurückkehren. Maatsen, das verriet Sebastian Kehl, knabbert an einer kleinen Verletzung. Sein Einsatz wackelt. Mats Hummels, der in Leipzig in der 51. Minute vom Platz humpelte, hat eine Platzwunde am Knie. „Er wurde gerade schon behandelt, so dass es kein Problem sein sollte“, sagte Terzic.

Der kommende Mittwochabend soll nun natürlich ganz anders verlaufen als dieser bittere Nachmittag in Leipzig. „Wir haben gezeigt, dass wir in diesem Wettbewerb gute Leistungen abrufen können. Wir werden jetzt unsere Wunden lecken, dann werden wir am Mittwoch alles versuchen“, sagte Sebastian Kehl. „Im Halbfinale der Champions League standen wir seit 2013 nicht mehr. Aber wir müssen uns mehr wehren.“

Er wisse mit einer solchen Situation umzugehen, erklärte Julian Brandt. „Wir werden das Gefühl dieses Spiels hier nicht mitnehmen, da bin ich mir sicher.“ Aber: „Dieses Wochenende wird mich das beschäftigen.“

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