Frankfurt/Main. Deutschland gelingt das nächste Ausrufezeichen. Die Stimmung hat sich gewandelt. Der Bundestrainer freut sich daher für sein Team.
Julian Nagelsmann war schon zum entspannten Teil des Abends übergangen. Den cremeweißen Pullover mit der dunkelblauen Strickweste hatte er abgelegt und war in den Trainingsanzug geschlüpft, dessen Retro-Look mit weitem Schnitt und schwarz-rot-goldenen Streifen an die 1990er-Jahre erinnern soll.
Im sportlichen statt legeren Outfit musste der Bundestrainer am Dienstagabend aber doch noch zur Erkenntnis gelangen, dass in diesen zehn Tagen doch nicht alles wie am Schnürchen gelingen konnte. Mit zwei großen Taschen auf dem Rücken und einem Lächeln auf den Lippen kam Nagelsmann aus der Kabine und lief zielsicher auf eine schwarze Tür in der Interview-Zone des Frankfurter Waldstadions zu.
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Hinter der Tür mit der kryptischen Beschreibung „UEFA VOBM OFFICE“ allerdings verbarg sich nicht wie vom 36-Jährigen gedacht der Weg aus der Arena, sondern ein schmuckloser Besprechungsraum mit einem dieser monströsen Kopierer, der alle paar Tage nach mehr Toner und einer befüllten Papiertrommel schreit. Links daneben verwies eine Doppeltür, auf die prominent die Logos des deutschen und des niederländischen Verbandes gedruckt waren, auf den eigentlichen Ausgang.
DFB-Team: Julian Nagelsmann warnt vor Hysterie
Nagelsmann nahm diesen dann trotzdem mit einem guten Gefühl, weil „die zehn Tage wirklich sehr viel Spaß gemacht haben, von A bis Z“. Sein Fazit nach dem 2:1 (1:1) gegen die Niederlande, der Bestätigung des starken 2:0 in Frankreich drei Tage zuvor, zog der Bundestrainer noch in Strick-Montur. „Es war nicht alles perfekt, wir ziehen nicht alles in Hysterie, sondern versuchen, Dinge zu analysieren“, sagte Nagelsmann. „Der Spirit aber hat sich ganz anders als im November angefühlt, das ist der Verdienst der Spieler. Wir im Trainerteam müssen Entscheidungen finden, wen wir mitnehmen. Am Ende müssen sich die Spieler darauf einlassen. Das haben sie getan – großes Kompliment. Wenn das dann greift, ist viel möglich im Fußball.“ Auch bei der Europameisterschaft?
Plötzlich ist ja wieder der Glaube an ein erfolgreiches Turnier da. Sogar ein leichtes Kribbeln. Julian Nagelsmann hat für Frühlingsgefühle gesorgt. Die deutsche Elf spielte gegen die Niederlande zwar nicht so mitreißend wie noch in Lyon, wozu auch der unwürdige Rasen seinen Teil zu beitrug. Es war sicherlich keine Gala. Aber sie präsentierte ein Konzept, konnte immer wieder auf die taktische Variabilität der Elftal reagieren, verteidigte stabil, warf sich in Zweikämpfe und vermittelte dem Publikum glaubwürdig, Lust auf Fußball zu haben.
BVB-Profi Niclas Füllkrug erlöst DFB-Team spät
Und anders als im Herbst fiel sie nach dem frühen Rückstand durch Joey Veerman (4.) nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Maximilian Mittelstädt, der das 0:1 mit einem schlampigen Pass verschuldet hatte, antwortete nur sieben Minuten später mit einem herrlichen Schuss in den Winkel.
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Als in der zweiten Halbzeit alles nach einem Remis ausgesehen hatte, zog die DFB-Elf für die Schlussphase noch einmal das Tempo an und schärfte die Sinne. „Das Gefühl, dass wir unbedingt gewinnen wollten, hatte ich in Österreich nicht“, merkte Nagelsmann an. Schon allein die Dramaturgie des späten Siegtreffers von Niclas Füllkrug (85.) wird Schwung geben. „Wir brauchen jetzt nicht in die maximale Euphorie fallen, aber können positiv sein“, sagte der Dortmunder. „Der Zuschauer kann gerne maximale Euphorie verspüren. Aber wir versuchen, unseren Weg fortzuführen.“
Der schien im Herbst noch nach den beiden bitteren Pleiten gegen die Türkei und in Österreich zum Scheitern verurteilt zu sein. „Ich freue mich, dass es mit der Mannschaft gut funktioniert hat. Auch für den Staff. Denn wenn man den in Österreich gesehen hat, war das kein schönes Bild“, gestand Nagelsmann. „Da sind einige dabei, die seit fünf, sechs Jahren nur auf die Mütze kriegen. Die Spieler natürlich auch, und als Trainer ist es nicht so super, weil du deinen Teil dafür zu verantworten hast. Und alle denken sich: Jetzt geht die Scheiße wieder los.“
Julian Nagelsmann: DFB-Team muss „Spirit weitertragen“
Ist sie diesmal aber nicht, weil Nagelsmanns Maßnahmen wie die klare Rollenverteilung fruchteten. „Ich hoffe, dass die Jungs den Spirit weitertragen in ihre Klubs. Das ist das A und O“, forderte der Bundestrainer. „Wir sind erstmal nur zweite Geige, im Sommer dann die erste.“ Sein Fazit: „Es hat Spaß gemacht. Am Ende ist gewinnen ein bisschen schöner als verlieren.“
Nun sind es noch zweieinhalb Monate, bis sich das DFB-Team in Weimar wiedertrifft, um den Turnier-Feinschliff zu erhalten. „Gefühlt wäre es schön“, konstatierte Julian Nagelsmann, „wenn jetzt die EM wäre.“ Das dachte man im Land schon länger nicht mehr.