Essen. Nationaltorhüterin Merle Frohms spricht zum Weltfrauentag über ein gutes Zeichen, die Probleme der deutschen Liga – und lobt die SGS Essen.

Merle Frohms muss pünktlich zum Training. Nach der Olympia-Qualifikation mit den deutschen Fußballerinnen ist die 29 Jahre alte Nationaltorhüterin und Vizeeuropameisterin von 2022 längst wieder im Alltag bei ihrem Klub VfL Wolfsburg angekommen. Auf den Einzug ins Pokal-Halbfinale Anfang der Woche soll am Montag der nächste Liga-Sieg gegen RB Leipzig (19.30 Uhr) folgen. Die Partie wird kostenlos von Sport 1, DAZN und MagentaSport übertragen – eine Aktion der von Google Pixel gesponserten Bundesliga und dem DFB. Anlass ist der Weltfrauentag an diesem Freitag. Für Merle Frohms allerdings: ein Tag wie jeder andere.

Frau Frohms, erst die Olympia-Qualifikation mit der Nationalmannschaft gesichert, dann mit dem VfL Wolfsburg das Pokal-Halbfinale erreicht. Die Stimmung ist gut, nehme ich an?

Merle Frohms: Ja, natürlich. (lacht) Wir haben jetzt zwei wichtige Spiele gewonnen und auch mit Blick auf die Zukunft echt gute Lose erwischt – von daher herrscht gerade eine durchweg positive Stimmung.

Im Pokalhalbfinale treffen Sie als Titelverteidiger auf die SGS Essen, den kleinen Außenseiter aus dem Ruhrgebiet. Mit der Stadt sind Sie verbunden: Ihr erstes Spiel für die Nationalmannschaft absolvierten Sie dort. Erinnern Sie sich noch daran?

Aber klar, ich glaube, das wird man nie vergessen. Es ist auf jeden Fall etwas Besonderes: zu erfahren, dass man sein erstes Spiel in dieser Mannschaft macht. Dabei sein ist so das eine, aber dann wirklich als Nationalspielerin zu gelten – das ist was anderes. Dann war es auch noch ein Heimspiel, gegen Österreich, wir haben gewonnen: Das war rundum gelungen.

Bevor es zu nostalgisch wird, springen wir zurück in die Gegenwart: An diesem Freitag ist Weltfrauentag. Was verbinden Sie damit?

Also für mich ist jeder Tag Weltfrauentag. (lacht) Ich brauche keinen bestimmten Tag, um zu erwähnen, wie toll wir Frauen sind.

Trotzdem wird er gerne genutzt, um große Leistungen von Frauen in den Fokus zu rücken oder auf Verhältnisse aufmerksam zu machen, die Frauen benachteiligen. Der DFB, die Frauen-Bundesliga und die übertragenden Sender nehmen ihn zum Anlass, um unter dem Motto „ein Spieltag für alle“ alle Partien kostenlos zu übertragen, um die Sichtbarkeit für den Frauenfußball in Deutschland zu erhöhen. Was halten Sie von dieser Aktion?

Das ist ein schönes Zeichen, über das wir uns sehr freuen! Insbesondere für unsere Fans ist das toll. Noch schöner wäre es natürlich, wenn wir an allen Spieltagen der Google Pixel Frauen-Bundesliga frei empfangbar wären. Dann hätten wir maximale Sichtbarkeit.

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Merle Frohms: Begeisterung für Frauenfußball hat nicht gelitten

Braucht der Frauenfußball in Deutschland einen neuen Aufmerksamkeitsschub? Hat die Begeisterung nach den jüngsten Misserfolgen nachgelassen?

Tatsächlich habe ich das auf Seiten der Fans nicht mitbekommen. Ich finde, diese Begeisterung ist sehr konstant geblieben, das zeigt sich ja auch anhand der Zuschauerzahlen, sowohl auf der Ebene Nationalmannschaft als auch in der Liga. Die Resonanz ist konstant gut – und die EM ist ja auch schon fast zwei Jahre her. Ich glaube, wenn es nur ein Trend gewesen wäre oder eine vorübergehende Begeisterung, dann stünden wir mit den Zahlen schon wieder an einer ganz anderen Stelle.

Spielt der Erfolg der Nationalmannschaft nicht trotzdem eine entscheidende Rolle?

Natürlich, weil die Nationalmannschaft auch international die Leistungen in Deutschland widerspiegelt. Sie ist das Erste, woran man denkt; an ihren Ergebnissen wird auch das Niveau der Liga gemessen. Ich meine, die meisten Spielerinnen aus der Nationalmannschaft spielen auch in der deutschen Liga. Die Nationalmannschaft ist daher ein Gradmesser und lässt auch Rückschlüsse auf die Stärke der Liga zu.

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Voraussetzung ist aber, dass die besten deutschen Spielerinnen auch tatsächlich hier spielen.

Ja, das zeigt, dass die Liga für die Topspielerinnen interessant genug ist, um zu bleiben, dass sie sich nicht mehrheitlich ins Ausland locken lassen, um noch mal einen Schritt nach vorne zu machen oder unter anderen Bedingungen Fußball zu spielen. Noch schafft es die Bundesliga, den Ansprüchen ihrer Besten gerecht zu werden. Aber natürlich haben wir jetzt auch in jüngster Vergangenheit gesehen, dass international die Ligen aufrüsten und in jeglicher Hinsicht interessant werden für Spielerinnen – sei es finanziell, sportlich oder von den Bedingungen her.

Sie sagen „noch“: Ist es zu erwarten, dass perspektivisch weitere Spielerinnen Richtung Ausland abwandern? Einige Beispiel gab es ja schon.

Ja, auf jeden Fall. Das geht ja mit der zunehmenden Professionalisierung des Fußballs einher, dass nicht mehr nur zwei, drei Ligen um die Topspielerinnen konkurrieren, sondern eben vier, fünf. Von daher ist es für die Bundesliga ungemein wichtig, da auch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Merle Frohms: Wechsel ins Ausland aktuell kein Thema – aber reizvoll

In der Bundesliga heuern immer wieder auch Topspielerinnen anderer Nationen an. Tragen sie auch zur Attraktivität der Liga bei?

Internationale gute Spielerinnen zu halten, ist, glaube ich, immer ein Vorteil. Die Vereine wollen ja auch international erfolgreich sein, und dafür braucht es die Besten – nicht nur aus Deutschland. Dass jetzt kein deutscher Verein mehr in Champions League vertreten ist, ist ein Dämpfer – für die Vereine, aber auch für die deutsche Liga. Ein Knacks wird aber, denke ich, davon nicht bleiben. Wenn die nächste Qualifikation gelingt, ist die Bühne ja wieder da.

Torhüterin Merle Frohms im Trikot des VfL Wolfsburg.
Torhüterin Merle Frohms im Trikot des VfL Wolfsburg. © DPA Images | Adam Davy

Können Sie sich einen Wechsel ins Ausland vorstellen?

Natürlich ist es reizvoll, persönliche Erfahrungen auch Mal im Ausland zu machen, aber aktuell habe ich hier sportliche Ambitionen: mit dem Verein wie mit der Nationalmannschaft.

Hört man denn genau zu, wenn Kolleginnen, die im Ausland aktiv sind, von ihrem Alltag dort berichten?

Ja, das ist natürlich interessant, was sie erzählen. Vor allem, weil ich selbst eben nur die Bundesliga kenne. Da hört man schon zu, was sie für Bedingungen vor Ort haben, wie deren Abläufe sind, wie spannend auch gerade in England die Liga ist. Da investieren viele Vereine gerade wirklich eine Menge, um auch in der Meisterschaft konkurrieren zu können. Das ist eine aufregende Entwicklung.

Kann das in Deutschland zeitverzögert passieren?

Das sollte das Ziel sein, ja.

Was ist in England anders?

Ich glaube einfach, dass England eine Fußballkultur hat, die nie groß unterschieden hat zwischen Männer- und Frauenfußball. Die Klubs haben einfach immer das Potenzial im Fußball an sich gesehen haben und dann die Chance genutzt, dass viele Leute Bock haben, ins Stadion zu gehen. Dann haben sie schnell erkannt, dass es genügend Spielerinnen gibt, die auf hohem Niveau spielen können – und so hat sich das immer weiterentwickelt.

Merle Frohms fliegt für die deutsche Nationalmannschaft in der Nations League gegen Frankreich.
Merle Frohms fliegt für die deutsche Nationalmannschaft in der Nations League gegen Frankreich. © AFP | Franck Fife

In Deutschland ist das nicht so.

Man hat schon manchmal das Gefühl, dass Fußball hier als Entweder-oder-Entscheidung gesehen wird. Entweder pushen die Vereine den Männer- oder den Frauenfußball. Aber wir müssen dahinkommen, dass es einfach Fußball ist. Ich würde mir wünschen, dass Frauenfußball einfach als Sport an sich angesehen wird, und nicht immer versucht wird, irgendwelche Dimensionen nachzuahmen, die eh nicht zu erreichen sind.

Gleiches Gehalt für Männner und Frauen im Fußball? Utopisch!

Stichwort gleiches Gehalt für Männer und Frauen im Fußball: Wie sehen Sie das?

Utopisch!

Heißt?

Ich weiß gar nicht, ob wir da wirklich hinkommen sollten. Wir bringen ganz viele Dinge mit, die im Männerfußball oft als fehlend bemängelt werden: was Fannähe angeht, was Vorbilder angeht. Ich glaube nicht, dass der Frauenfußball gut beraten ist, allem nachzustreben, was der Männerfußball erreicht hat. Unabhängig davon muss sich aber einfach was tun und was entwickeln im Frauenfußball.

Was muss die Liga, was müssen die Vereine besser machen?

Man muss für die Spielerin beste Bedingungen schaffen: ein gutes Trainingsgelände, gute medizinische Versorgung. Natürlich muss es finanziell jeder Bundesligaspielerin auch möglich sein, mit dem Gehalt ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und innerhalb der Liga muss es spannend sein, dass man nicht nur drei Topklubs hat, die um die Meisterschaft spielen, sondern dass jeder Spieltag spannend ist, es keine sicheren Punkte gibt.

Doch genau diese Situation herrscht derzeit in der Liga: Glauben Sie, dass sich das bald ändern wird?

Es braucht auf jeden Fall noch Zeit. Die Notwendigkeit, etwas zu verändern, und auch der Sinn dahinter, ist mittlerweile bei allen angekommen. Allerdings mahlen die Mühlen auch teilweise sehr langsam. Ich würde mir schon wünschen, dass gerade bei Teams, die in ihrem Verein auch eine Männermannschaft im Rücken haben, mehr investiert wird. Dass den Spielerinnen einfach mehr geboten wird. Es gibt da immer noch teilweise wirklich grenzwertige Zustände.

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Zum Beispiel?

Dass neben dem Fußball, was auch wirklich ein Full-Time-Job ist, noch gearbeitet werden muss. Dass keine guten Bedingungen vor Ort herrschen, die Spielerinnen nicht wissen, wo sie heute trainieren, Verletzungen nicht gut betreut werden, sie keine entsprechende Behandlung bekommen. Das Problem ist schon lange bekannt, aber längst nicht überall gelöst.

Beim VfL Wolfsburg haben Sie solche Probleme nicht. Dennoch waren auch Sie bis vor Kurzem Teil der Sportfördergruppe der Bundeswehr.

Ja, das hatte aber keine aktuellen finanziellen Gründe. Das Angebot der Sportförderung ist im letzten September ausgelaufen und war für mich eine Motivation, um vorzusorgen, eine Alternative für das zu haben, was ich nach der Karriere machen kann.

So weit ist es ja zum Glück noch nicht: Am Montag spielen Sie frei empfangbar wieder in der Liga. Wolfsburg gegen RB Leipzig – bei den Männern würde das für wenig Quote Sorgen. Bei den Frauen ist das anders: Wolfsburg ist Deutschlands Vorzeigeklub. Wünscht man sich als Spielerin dennoch auch so große Traditionsnamen wie Borussia Dortmund oder Schalke 04 in der Liga?

Natürlich wären das Namen, die an sich erst mal Fans in die Stadien locken. Allerdings ist das für mich zweitrangig, welcher Name dahintersteht. Entscheidender ist für mich, wie intensiv sie den Frauenfußball unterstützen und fördern. Nehmen wir das Beispiel SGS Essen. Es ist beeindruckend, wie sie es seit Jahren als reiner Frauenfußballverein schaffen, top Leistungen zu bringen, einen guten Kader hinzustellen. Wie gut die Bedingungen sind, sei mal dahingestellt, aber es zeigt, dass es viel wichtiger ist, dass Vereine aus Überzeugung unterstützen müssen – und nicht nur auf irgendeinen Zug aufspringen, weil das gerade kulturell erwünscht und gut fürs Image ist.