Dortmund. Der BVB offenbarte beim 4:3-Erfolg über den FC Augsburg viele, viele Defensivprobleme. Lag es am 4-1-4-1-System von Borussia Dortmund?

Sebastien Haller stand mit seinen drei Kindern auf dem Platz, vor ihm ragte die Südtribüne in die Luft, auf der sich die Fans in Schwarz-Gelb aneinanderschmiegten. Sechs Monate hatte es gedauert, bis er hier zum ersten Mal stehen konnte, sechs Monate voller Anstrengung, Qualen im Kampf gegen den Hodenkrebs. Jetzt schaute der 28-Jährige auf die größte Stehplatztribüne Europas und erlebte, wie sich die Anhängerinnen und Anhänger über den 4:3 (2:2)-Erfolg von Borussia Dortmund gegen den FC Augsburg freuten.

Dortmunds Trainer Edin Terzic berichtete später, dass er gemerkt habe, wie viel Haller dieser Moment bedeutet habe. Schon vor dem Anpfiff habe der Angreifer zur Mannschaft gesprochen. In der 62. Minute wechselte Terzic seinen Stürmer ein, da stand es noch 2:2. Es folgten drei Tore in einer Begegnung voller Wendungen, voller Treffer, voller Fehler.

BVB muss auf Bellingham in Mainz verzichten

Allein die Aufzählung der Spielstände verdeutlicht, wie viel Drama in dieser Partie am Sonntagnachmittag steckte; es stand 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 3:2, 3:3, 4:3. Durch die drei Punkte hält der BVB den Anschluss an die Champions-League-Ränge, trotzdem offenbarte das Spiel aus Dortmunder Sicht, wie groß die Defensivprobleme der Mannschaft weiterhin sind. Und im Auswärtsspiel am kommenden Mittwoch gegen den FSV Mainz 05 (18.30 Uhr) fehlt auch noch Jude Bellingham gelbgesperrt. Ob der kranke Kapitän Marco Reus dann wieder mithelfen kann, ist offen.

Terzic beklagte die Ballverluste vor den Gegentoren, die auch deswegen zustande gekommen wären, weil sich seine Spieler nicht geholfen hätten. Am 4-1-4-1-System hätten die Probleme nicht gelegen, meinte Terzic. „Wir haben schon häufiger in dieser Formation gespielt. Es kommt immer darauf an, wie man sie interpretiert.“ Am Sonntag musste Salih Özcan als alleiniger Sechser das Mittelfeld zusammenhalten, was ihm im Laufe der 90 Minuten zunehmend Probleme bereitete. Überhaupt ließ sich die erste Hälfte in zwei Phasen unterteilen, eine souveräne und eine wilde.

Moukoko erntet vor dem Anpfiff Pfiffe im Stadion

Zunächst drückte Dortmund die Gäste mehr und mehr in die eigene Hälfte, die erste Großchance vergab Youssoufa Moukoko (23.). Am Samstag hatte der 18-Jährige seinen Vertrag bis 2026 verlängert, nachdem er lange versucht hatte, ein möglichst hohes Gehalt aus den Verhandlungen herauszuholen. Dies hat anscheinend zerbrochenes Porzellan hinterlassen, jedenfalls pfiffen einige Fans, als die Vertragsverlängerung vor dem Anpfiff im Stadion verkündet wurde.

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Besser als Moukoko machte es Jude Bellingham, der mit einem Rechtsschuss Torhüter Gikiewicz überwindete (30.). Glückseligkeit. Doch nun begann die wilde Phase. Hauptdarsteller: Nico Schlotterbeck. Der Verteidiger leitete durch einen Ballverlust den Ausgleich von Arne Maier ein (40.). Nur zwei Minuten später nutzte Schlotterbeck dann eine der vielen gefährlichen Standardsituationen für einen Kopfball zur erneuten Führung. Halbzeit? Nein. Denn in der Nachspielzeit der ersten Hälfte traf Ermedin Demirovic zum 2:2.

Haller hat eine "gewaltige Gänsehaut" gespürt

In Hälfte zwei wurde Sebastien Haller wie erwähnt für Youssoufa Moukoko eingewechselt, dies ließ das Stadion lauter werden. Trainer Edin Terzic brachte wenig später Giovanni Reyna für Donyell Malen und Jamie Bynoe-Gittens für Karim Adeyemi (70.). Und es war Bynoe-Gittens, der von der linken Seite in die Mitte dribbelte und den Ball in die rechte Ecke schlenzte (75.). 3:2. Der Sieg? Nein, erst mal nicht. Denn jetzt wurde es schon wieder wild. Kurz nach der Führung spielte Schlotterbeck einen Fehlpass, Augsburg rannte nach vorne. Kelvin Yeboah traf den Pfosten, David Colina nutzte den Abpraller (77.). 3:3. Schluss? Wieder nein. Diesmal bekam Giovanni Reyna auf der rechten Seite den Ball und beförderte diesen wundervoll in die linke Ecke (78.). 4:3.

All die Probleme wirkten jedoch klein, wenn man die Geschichte von Sebastien Haller betrachtete. Er habe eine „gewaltige Gänsehaut“ gespürt, erzählte er. „Ich war so glücklich, meine ersten Schritte auf diesem Platz machen zu dürfen.“