Leverkusen. Der frühere Weltklasse-Spieler Xabi Alonso ist neuer Trainer von Bayer Leverkusen. Erfahrung auf diesem Level hat er nicht - das birgt Risiken.

Bei seinem ersten offiziellen Auftritt als neuer Cheftrainer in Leverkusen surfte Xabi Alonso gekonnt zwischen Statements auf Deutsch und Englisch hin und her. Bei einem Ausdruck kam der frühere Weltklassespieler zwischendurch allerdings ins Grübeln. Das Wort „Abstiegskampf“, mit dem er da konfrontiert wurde, hatte in seiner Fußballerkarriere bei europäischen Schwergewichten wie Liverpool, Real Madrid und Bayern München schließlich nie eine Rolle gespielt. Deshalb bat Alonso erst einmal höflich um eine englische Übersetzung.

Als er den Hinweis auf die aktuelle sportliche Misere der Leverkusener, die am Samstag als Bundesliga-Vorletzter den Aufsteiger FC Schalke 04 empfangen (15.30 Uhr/Sky), dann verstanden hatte, hellte sich seine Miene wieder auf. „Darauf schaue ich nicht. Ich schaue nur auf die Partie gegen Schalke und das Spiel am nächsten Mittwoch gegen Porto“, beteuerte der 40-Jährige. Ehe er den Kernpunkt seines Engagements benannte.

Xabi Alonso hat noch keine Erstliga-Erfahrung als Trainer

Denn trotz des Glamours, der mit der Verpflichtung von Alonso (Vertrag bis 2024) nun durch die Bay­Arena weht, begleitet dessen berufliche Rückkehr nach Deutschland auch Skepsis. Denn als Spieler bei den Bayern holte der gebürtige Baske zwar drei deutsche Meistertitel, 2016 gewann er außerdem den DFB-Pokal. Doch als Trainer hat der frühere Mittelfeldstratege, der mit dem FC Liverpool (2005) und Real Madrid (2014) in der Champions League triumphierte, keinerlei Erstliga-Erfahrung.

„Im Leben gibt es keine Sicherheiten, und im Fußball schon gar nicht“, sinnierte Alonso hierzu. Natürlich habe er sich auch Gedanken über den unerwartet schlechten Saisonstart der Leverkusener gemacht. „Aber“, so seine Schlussfolgerung, „wenn du zu ängstlich bist, Risiken einzugehen, wirst du nichts erreichen.“ Er sei dankbar für die „Plattform“, die Bayer ihm biete, erklärte er – und kündigte mit Verweis auf seine eigenen Lehrmeister, darunter Spitzenkräfte wie Pep Guardiola, Carlo Ancelotti und José Mourinho, an: „Spieler müssen dir folgen. Du musst ihnen helfen, du musst sie füttern.“

2021 lehnte Xabi Alonso eine Anfrage von Borussia Mönchengladbach ab

Ein Jahr nach seinem Rücktritt als Spieler stieg Alonso im Sommer 2018 bei der U14 von Real Madrid als Trainer ein. Es folgten drei Spielzeiten bei seinem Heimatklub Real Sociedad San Sebastian, wo er die zweite Mannschaft coachte. Eine Anfrage aus Mönchengladbach, wo der damalige Sportdirektor Max Eberl nach dem verkündeten Wechsel von Marco Rose nach Dortmund im Frühjahr 2021 einen Trainer für den Sommer suchte, lehnte Alonso ab. Weil er erst noch reifen wollte.

Eineinhalb Jahre später ist er bereit für den Sprung zurück ins Rampenlicht. Und von einem Risiko, zum Einstieg als Erstligacoach einen zwar weiterhin sehr ambitionierten, aktuell aber eben sportlich abgestürzten Klub zu übernehmen, will der 114-malige spanische Nationalspieler ebenso wenig wissen wie Simon Rolfes.

Rolfes ist von Alonsos Fußball überzeugt

Bayers Sport-Geschäftsführer führte in erster Linie die Gespräche mit Alonso. Der dominante, dynamische Fußball, den Bayers „Premiumlösung“ für die Nachfolge des am Mittwoch entlassenen Gerardo Seoane bei der Reserve von Real Sociedad spielen ließ, überzeugte ihn. „Das passt hervorragend zu unserer Philosophie und Spielweise“, sagte Rolfes – und fügte hinzu: „Wenn man im Leben immer nur an mögliche Risiken denkt, kann man auch keine Entscheidungen treffen.“

Er schaue lieber auf die Chancen, die in dieser Personalie liegen. Die positiven Reaktionen, die er von früheren Weggefährten auf den Deal mit dem Weltmeister von 2010 erhalten habe, sprächen für sich, sagte Rolfes, der bei der Gelegenheit noch ein wenig von einigen Gesprächen der vergangenen Tage erzählte. „Viele trauen ihm auch als Trainer eine große Karriere zu“, fasste Leverkusens Sportchef diese Plauderstunden zusammen – und fügte seinerseits hinzu: „Erfahrung ist nicht wichtiger als die Qualität.“

Lob für den Mut der Manager von Xabi Alonso

Der Hochgelobte selbst nahm das Lob gerne auf. Und so pries Xabi Alonso die Fortschritte, die die Bundesliga in den letzten Jahren gemacht habe. Ebenso würdigte er den Mut, den viele Manager dort mit der Verpflichtung junger Trainer wie ihm bewiesen. „Das ist gut für den Fußball“, betonte der frisch installierte Coach der Werkself – der er bei seiner ersten Trainingseinheit am Donnerstagnachmittag als zen­trale Botschaft mit auf den Weg gab: „Heutzutage brauchst du im Fußball 95 Minuten höchste Konzentration. Wenn du nur 80 Minuten schaffst, killt er dich.“