Eugene. Bei der WM in den USA qualifizierte sich der Düsseldorfer fürs Finale. Die Kritik am deutschen Team findet er überhöht.

„Wieviel Uhr ist es?“, fragte Bo Kanda Lita Baehre in der Interviewzone des Hayward Fiel ein bisschen ungeduldig. Als wüsste er schon, dass er in den kommenden Minuten etwas Wichtiges bei dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Eugene/Oregon verpassen könnte, wenn er nicht rechtzeitig seine Fragerunde beendet. Und tatsächlich: Wenige Minuten nachdem die Stabhochspringer ihre Qualifikation beendet hatten, sprintete Olympiasiegerin Sydney McLaughlin zum ersten Weltrekord dieser Leichtathletik-WM im Nordwesten der USA. Die 22-jährige US-Amerikanerin flog in unglaublichen 50,68 Sekunden über die 400 Meter Hürden und unterbot damit ihre erst vier Wochen zuvor an gleicher Stelle bei den US-Meisterschaften aufgestellte Bestmarke um gleich 73 Hundertstel. Für das WM-Gold erhält sie eine Prämie von 70.000 US-Dollar und für den Weltrekord weitere 100.000 US-Dollar. Das Stadion feierte die neue Rekordhalterin. Und der deutsche Stabhochspringer Lita Baehre wusste: Damit es auch für ihn im Finale in der Nacht auf Montag (2.25 Uhr) etwas zu feiern gibt, muss er sich noch drastisch steigern.

„Ich habe ganz schön Glück gehabt. Beinahe wäre ich schon draußen gewesen“, sagte der 23-jährige Düsseldorfer. Und fast wäre damit eine weitere deutsche Medaillenhoffnung unerwartet früh gescheitert. So wie in den vergangenen Tagen, so wie auch an diesem achten von zehn Wettkampftagen, der das Ausscheiden der Männer-Sprintstaffel, das Halbfinal-Aus der 800-Meter-Läuferinnen Christina Hering und Majtie Kolberg sowie das frühe Scheitern von Annika Marie Fuchs im Speerwurf-Finale sah. Und eine zeitlang sah es so aus, als würde auch Stabhochspringer Lita Baehre Teil des großen Hoffnungssterbens in Eugene werden. Nach dem achten Tag waren insgesamt schon 40 von 59 gestarteten Deutschen in den Qualifikationsrunden gescheitert.

Ein echter Krimi im letzten Sprung

Auch interessant

Lita Baehre, als Deutscher Meister und Nummer fünf der Stabhochsprung-Welt angereist, hatte die erste Höhe des Tages souverän gemeistert. 5,50 Meter, ein Kinderspiel für den Mann mit der Bestleistung von 5,90 Metern. Doch schon die 5,65 Meter schaffte er erst im zweiten Versuch. Als die Latte auf 5,75 Meter gezogen wurde, entwickelte sich diese Qualifikation dann zum echten Stresstest. Fehlversuch eins, Fehlversuch zwei – es blieb nur noch eine letzte Chance. Der Deutsche wechselte den Stab und lief mit entschlossenem Gesichtsausdruck an. Diesmal blieb die Latte liegen, schon im Fallen ballte Lita Baehre die Fäuste. Weil danach nur noch zwölf Springer im Wettbewerb waren, wurde die Qualifikation beendet - eigentlich waren 5,80 Meter gefordert. Weltrekordler Armand Duplantis aus Schweden benötigte nur zwei Sprünge für die erfolgreiche Qualifikation, 5,65 und 5,75 Meter. Auch der Deutsche Oleg Zernikel (27) steht im Finale, der WM-Debütant aus Landau hinterließ einen starken Eindruck und übersprang alle Höhen inklusive 5,75 Meter ohne Fehlversuch.

„Das war ein echter Krimi, den ich da mitgemacht habe“, sagte Lita Baehre. „Der Sprung war technisch echt nicht gut, das war reine Willenskraft, dass ich da rübergekommen bin. Aber davon lasse ich mich nicht runterziehen“, sagte der Mann mit den zahlreichen Tattoos und der verspiegelten Sonnenbrille. „Im Finale muss sich einiges besser machen. Bei großen Meisterschaften sind nun mal die Medaillen das Wichtigste, an alles andere erinnern sich die Leute nicht.“

Sprintstaffel verpatzt erste Stabübergabe

Auch interessant

Zuletzt landete Lita Baehre bei einem Sprung unglücklich, kurzzeitig war nicht klar, ob er in Eugene abheben kann - doch der „Nacken hat gehalten. Das soll hier keine Ausrede sein!“ Nach einem wie Lita Baehre lechzt die angestaubte Leichtathletik schon länger. Bei ihm stimmt die Leistung, er will mehr - und bringt das gewisse Extra mit. „Er ist authentisch und verstellt sich nicht, das bringt neues Flair in unsere Sportart“, sagte Chef-Bundestrainerin Annett Stein jüngst über den Modellathleten, der nach erfolgreichen Sprüngen auch gerne mal ein Tänzchen aufführt. Der frühere Basketballer gehört zu den letzten noch verbliebenen Medaillenhoffnungen des deutschen Leichtathletik-Verbands, der in den USA eine rabenschwarze WM durchlebt. Enttäuschung folgt auf Enttäuschung, und da reihte sich auch die Sprintstaffel ein. Denn für das Quartett Kevin Kranz, Joshua Hartmann, Owen Ansah und Lucs Ansah-Peprah - als Jahresschnellste nach Eugene gekommen - war mehr drin als der finale elfte Platz. Doch die erste Stabübergabe von Kranz auf Hartmann misslang, Hartmann musste abbremsen und dann erneut beschleunigen. Den Rückstand konnten die beiden Hamburger Ansah und Ansah-Peprah trotz starker Leistung nicht mehr aufholen. „Das ist scheiße gelaufen, das war einfach schlecht“, sagte Kranz. „Als ich dann realisiert habe, dass wir nicht auf Platz drei oder vier unseres Vorlaufs gelandet sind, war ich schon enttäuscht“, sagte Ansah.

Es passte irgendwie ins Bild dieser für das deutsche Team bisher so enttäuschenden WM. Doch Bo Kanda Lita Baehre wollte nicht ins Klagelied auf das deutsche Team einstimmen. „Ich finde es langsam nervig, dass alle auf den deutschen Startern herumhacken. Da ist mir zu viel Negativität drin. Da kommen noch ein paar Sportler, die ihr Bestes geben werden. Wir sollten nach vorne schauen.“ Das tut auch der Stabhochspringer. Im Finale in der Nacht auf Montag will er wieder überzeugen. Dort, sagt er, „kann alles passieren".