Eugene. Diskuswerferin Pudenz hat eine Medaille bei der Leichtathletik-WM verpasst. Welche Rolle spielt die kommende EM beim WM-Fiasko?

Es war der Moment, in dem nicht nur das Diskus-Finale verloren war. Als Kristin Pudenz mit gesenktem Kopf das Stadion verließ, hatte auch die deutsche Leichtathletik wieder etwas an Hoffnung verloren. Kristin Pudenz, als erste wirkliche Medaillenkandidatin des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) bei dieser WM in Eugene/Oregon an den Start gegangenen, hatte die Erwartungen nicht erfüllt. Und langsam kommt der DLV in Erklärungsnot: Warum gab es auch nach sechs Wettbewerbstagen noch keine Medaille?

Kristin Pudenz, und das sagte sie selbst, scheiterte am Ende am Druck. „Ich musste da draußen was zeigen. Diese großen Erwartungen – das kannte ich vorher so nicht“, sagte sie in den Katakomben des Stadions im Nordwesten der USA, spürbar erschüttert über das, was sich da zuvor abgespielt hatte. Im vergangenen Jahr hatte die 29-Jährige aus Herford Silber bei den Olympischen Spielen in Tokio geholt. Überraschend war sie dort plötzlich auf der Bühne der Weltbesten aufgetaucht. Vor zwei Wochen bei der Deutschen Meisterschaft hatte sie ihre Bestweite noch einmal gesteigert, sie trat nun als eine der Favoritinnen und nicht länger als Insidertip an.

Ein unfassbarer Start der Konkurrenz

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Doch zuerst warfen andere. Und wie sie warfen. Zunächst die Amerikanerin Valarie Allman: 67,62 Meter. Danach die Kroatin Sandra Perkovic: 67,74 Meter. Und die Chinesin Bin Feng schleuderte die Scheibe über 69,12 Meter. Schockstarre im Rest des Feldes. Der Wettbewerb war erst wenige Minuten alt, aber im Grunde war er bereits vorüber. Kristin Pudenz trat mit einer Bestleistung von 67,10 Metern an. Und diese hatten die drei ersten Werferinnen schon im ersten Versuch übertroffen.

Was folgte, war ein Trauerspiel. Pudenz schleuderte den ersten Versuch ins Fangnetz, der zweite landete bei 59,97 Metern, der dritte baumelte abermals im Netz. Die besten Acht warfen weiter, Pudenz schaute zu, genauso wie Teamkollegin Shanice Craft. Am Ende belegte Claudine Vita als beste deutsche Starterin den fünften Platz (64,24 Meter), Gold holte Bin Feng (69,12), Silber Perkovic (68,45) und Bronze Allman (68,30).

Rang fünf für Claudine Vita – es ist die höchste Platzierung im gesamten deutschen Team. Bisher hatten die Verantwortlichen des DLV noch zähneknirschend auf die zweite Hälfte dieser WM hingewiesen, in der die stärkeren Disziplinen der Deutschen ja noch anstehen. Explizit erwähnt dabei: der Diskuswurf der Frauen. Das erhoffte Aufbruchsignal in die Schlusstage aber blieb nun aus. Überraschungen sind zwar am Wochenende noch möglich in den Sprintstaffeln, im Speerwerfen, im Zehnkampf und im Stabhochsprung. Doch als Medaillenbank gilt nur noch Weitspringerin Malaika Mihambo. Es ist eine glanzlose WM für das deutsche Team.

Viele Starter, hohe Fördergelder

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Die ersten Tage waren vielen Kräften vorbehalten, die gerade so oder per Nachrückverfahren ins Starterfeld gerutscht waren. Die Sportler in den goldfarbenen Trikots scheiterten zuhauf in den Vorläufen oder blieben als Finalteilnehmer von Topplatzierungen entfernt. Warum aber reisten überhaupt so viele ohnehin chancenlose Athleten nach Eugene? Weil es für den Verband mit seinen 78 WM-Startern auch um Fördergelder geht. Bei der Unterstützung durch staatliche Mittel würde der DLV nach „der Struktur im Verband, nach den Ergebnissen und danach, wieviele Teilnehmer an Weltmeisterschaften wir generieren und an den Start bringen“, bewertet, sagte Chef-Bundestrainerin Annett Stein: „Deshalb probieren wir auch, jeden zu einem solchen Wettkampf mitzunehmen.“

Die EM ab 15. August in München spielt in puncto Fördergelder zwar keine Rolle – allerdings entstand immer wieder der Eindruck, dass einige Athleten ihr frühes WM-Aus achselzuckend zur Kenntnis nehmen und sich dann direkt auf die EM freuen. Die WM – nichts weiter als ein schöner Ausflug. Selbst die Bundestrainerin hat dies zur Kenntnis genommen. Es sei wohl „nicht gelungen, diese WM in den Fokus der meisten Athleten zu setzen, weil die EM doch sehr präsent ist“, sagte sie. Diese „Emotionalität im eigenen Land“ zu starten, eine Partystimmung wie bei der EM 2018 in Berlin zu erleben, „das sehnen alle wieder herbei“, sagte Stein: „Ich glaube nicht, dass hier jemand herfährt, um eine schlechte Leistung abzuliefern, auf keinen Fall. Aber die Leute sind auch realistisch und wissen, dass sie noch eine zweite Chance haben.“

Und so fiel der Verweis auf eine Besserung bei der EM häufig in der Interviewzone. Nur Diskuswerferin Claudine Vita stellte nach ihrem überraschenden fünften Platz klar: „Das hier ist eine WM. Und das war für mich ganz klar der Höhepunkt des Jahres.“