Eugene. Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause steht im WM-Finale von Eugene. Überraschung und Erfolg nach Monaten voller Rückschläge.

Waren es Tränen der Enttäuschung? Oder Ausdruck der Erleichterung? Das war in diesem Moment nicht zu deuten, als Gesa Felicitas Krause sich in der Interviewzone des Leichtathletik-Stadions in Eugene/Oregon auf das Geländer vor ihr beugte und schluchzend mit feuchtglänzendem Gesicht wieder auftauchte. Minutenlang hatte die Hindernisläuferin zuvor gewartet und gebangt, dass nicht noch viel mehr Teilnehmerinnen des letzten Vorlaufs bei dieser WM schneller ins Ziel kommen als sie selbst. Als die Zahlen jenes Laufs offiziell wurden, reagierte Krause also entsprechend emotional. Die 29-Jährige schlug die Hände vors Gesicht, sie weinte. Nun war es zu deuten, mit acht Hundertstelsekunden Vorsprung schaffte es die Deutsche noch als letzte Hindernisläuferinnen unter die 15 Endlauf-Starterinnen, die in der Nacht auf Donnerstag (4.45 Uhr) um Gold kämpfen. Es waren Tränen der Erleichterung.

Gesa Felicitas Krause im Ziel.
Gesa Felicitas Krause im Ziel. © dpa

Acht Hundertstelsekunden. Nicht mehr als ein Wimpernschlag auf den 3000 Metern. Auf diesen quälend langen siebeneinhalb Stadionrunden, bei denen jeweils vier Hürden und der Wassergraben überwunden werden müssen. Bei denen Deutschland mit Gesa Felicitas Krause eigentlich über eine Medaillenkandidatin verfügt, fünfmal hatte sie bereits in einem WM-Finale gestanden, von den vergangenen beiden Treffen der Weltbesten war die zweimalige Europameisterin jeweils mit Bronze zurückgekehrt. Doch diesmal wusste selbst der Deutsche Leichtathletik-Verband nicht wirklich, wo einer seiner wenigen Hochkaräter überhaupt leistungstechnisch steht. Bis zum Startschuss.

Lea Meyer stürzt spektakulär in den Wassergraben

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Krause lief im zweiten Vorlauf, sie hielt sich zunächst im hinteren Bereich der Traube auf. Das erste Mal überquerte sie den Wassergraben, bei dem im Lauf zuvor die zweite deutsche Starterin, Lea Meyer aus Köln, spektakulär mit dem Gesicht voran in die Grube gestürzt war. Doch dieser Lauf war schneller als der vorherige, die Französin Alice Finot peitschte das Feld voran, von Runde zu Runde zog es sich immer mehr wie ein Akkordeon auseinander. In den finalen Umlauf ging Krause auf Position zehn liegend, zog auf den letzten Metern noch einmal an und passierte die Ziellinie schließlich als Siebte. „Im Rennen selbst hat man alles noch in der eigenen Hand, man kann über sich hinauswachsen“, sagte sie im Anschluss. 9:21,02 Minuten hatte sie benötigt, es war ihre Bestzeit in dieser Saison. Doch die Schmerzen auf den Schlussmetern waren nichts gegen die nun folgenden qualvollen Minuten des Wartens. Reicht die Zeit fürs Finale? Krause war fix und fertig: „Das war schlimm. Da hat man keinen Einfluss auf das Geschehen um einen herum.“

In diesem Jahr hatte Gesa Felicitas Krause häufig keinen Einfluss auf das Geschehen um sie herum, auch nicht auf ihren Körper. Nach einer Darm-OP im Dezember hatte sie „wieder ganz unten angefangen und mich Schritt um Schritt zurückgekämpft“. Doch jedem Schritt nach vorne schienen zwei nach hinten zu folgen. Weil sie ihrem Körper manchmal einfach zu viel zumutete oder weil sie gleich mehrmals durch schwere Erkältungen zurückgeworfen wurde. „Es war einfach alles schlecht“, blickte Krause auf die zurückliegenden Monate zurück, in denen sie überhaupt nur ein Rennen bestreiten konnte. Ihr Auftritt beim Diamond Meeting in Stockholm Anfang Juni endete enttäuschend, bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin hatte sie zuvor krank gefehlt. Krause reiste als eine Art menschliches Fragezeichen zur WM.

"Was soll junge Menschen dann noch motivieren?"

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Und nun? Eine Medaillenchance rechnet sich die Athletin vom Verein Silvesterlauf Trier nicht aus. Doch zurückzuziehen – das sei auch keine Option! „Natürlich fragt man sich, ob man diese Qual auf sich nehmen soll, wenn keine Chance aufs Treppchen besteht. Aber das wäre Kneifen. Dann würde doch der Sinn des Leistungssports verloren gehen“, sagte sie trotzig. „Wenn ich jetzt aufgebe, weil ich es nicht aufs Podium schaffe – was soll dann noch junge Menschen motivieren, diesen Sport zu betreiben?“

Höhen und Tiefen gehören für Krause zum Sport einfach dazu. Die Tiefen hat sie in den vergangenen Monaten durchlebt. Nun sollen endlich wieder Höhen folgen, das WM-Finale will sie als weitere Aufbauarbeit für die EM in München im August nutzen. „Da“, sagt die Titelverteidigerin entschlossen, „will ich wieder in Topverfassung antreten.“