Eugene. In den USA beginnt an diesem Freitag die Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Der Kreis deutscher Medaillenanwärter ist jedoch überschaubar.

„Niemals ganz zufrieden!“ Seinen Leitsatz veröffentlichte Bo Kanda Lita Baehre jüngst in den Sozialen Medien. Ein Spruch, wie er auf unzähligen Küchen-Kalendern steht. Ein Satz, den so mancher Athlet zum Mantra erhoben hat. Doch nicht alle lassen den Worten auch Taten folgen wie der Stabhochspringer aus Düsseldorf. Jüngst, beim internationalen Stabhochsprung-Meeting in Rottach-Egern am Tegernsee, versuchte sich der 23-Jährige an den 5,92 Metern. Zuvor hatte er bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin erstmals die 5,90 Meter gemeistert, damit seine persönliche Bestleistung aufgestellt und sich zu einem Medaillenanwärter bei der Leichtathletik-WM gemausert. Nun also lag die Latte noch einmal zwei Zentimeter höher. Niemals ganz zufrieden!

Am Ende fiel die Stange beim persönlichen Rekordversuch, Lita Baeh­re zeigte sich dennoch zuversichtlich. „Die Basis ist gut, ich bin in guter Verfassung“ sagte er. „Ich versuche auf jeden Fall, vorne mitzuspringen.“

Dynamisch: Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre will bei der WM aufs Podium.
Dynamisch: Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre will bei der WM aufs Podium. © dpa

Eine Reihe von Absagen für die WM

In guter Verfassung – eine Aussage, die nur bedingt auf das gesamte Aufgebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zutrifft, das ab diesem Freitag bei der WM in Eugene im US-Bundesstaat Oregon in die Wettkämpfe startet. 80 deutsche Athletinnen und Athleten werden antreten, doch zuletzt gab es immer wieder Absagen, darunter die von Medaillenhoffnungen. Deutschlands Speerwurf-Rekordhalter Johannes Vetter ist an der Schulter verletzt. Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong fühlt sich außer Form. Die ehemalige Siebenkampf-Vizeweltmeisterin Carolin Schäfer hat einen Trainingsrückstand, und Jonathan Hilbert, den Olympia-Zweiten im Gehen, hatte jüngst Corona außer Gefecht gesetzt.

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Die Bilanz der WM 2019 in Doha/Katar wird kaum zu erreichen sein, in der Wüste hatten die Athletinnen und Athleten des DLV sechs Medaillen gewonnen: zweimal Gold und viermal Bronze. Beim Treffen der Weltbesten im Westen der USA ist die Gruppe der Medaillenanwärter nun überschaubar. Mit seinen 5,90 Metern reist Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre als Fünftbester des laufenden Jahres nach Eugene. Für einen Treppchenplatz braucht es aber wohl einen Sahnetag bei der Jagd auf das schwedische Stabhochsprung-Wunder Armand Duplantis mit der Jahresbestleistung von 6,16 Metern.

Olympiasiegerin Mihambo will ihren WM-Titel aus Doha verteidigen

In die Liga der ganz Großen ist auch Kristin Pudenz vorgestoßen. Viele Jahre lang war die 29-Jährige vom SC Potsdam in der zweiten Reihe der deutschen Diskuswerferinnen zu finden. Dann änderte sie ihre Herangehensweise an den Sport: Ernährungsberatung, Mental- und Koordinationscoaching. Die gebürtige Herforderin wurde Olympiazweite in Tokio. Bei Diamond-League-Wettkämpfen, der Leichtathletik-Premiumserie zwischen Welt- und Kontinentalmeisterschaften, belegte sie mehrmals den dritten Platz. Derzeit rangiert sie mit ihren bei der Deutschen Meisterschaft erzielten 67,10 Metern auf Rang drei der Weltjahresbestenliste. Schluss sein soll noch lange nicht. Pudenz: „Ich hoffe, dass es noch weiter geht.“

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Das hofft auch Malaika Mihambo. Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin – wenn es eine Gold-Medaillenanwärterin im deutschen Team gibt, dann ist es die 28-jährige Weitspringerin von der LG Kurpfalz. 7,09 Meter ist sie in diesem Jahr schon gesprungen, nur die Australierin Brooke Buschkuehl sprang mit Rückenwind vier Zentimeter weiter. Die Titelverteidigung geht Mihambo mit „Lockerheit“ an. „Ich merke, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, irgendjemandem anderen oder mir selbst etwas beweisen zu müssen. Ich hoffe, dass ich diese Lockerheit nutzen kann, um noch weiter zu springen.“ 6,85 Meter reichten Mihambo jüngst für den Deutschen Meistertitel, und noch merkte man, dass sie mitten in der WM-Vorbereitung steckte. In Eugene will sie wieder in Topform auftreten.

DLV hat einige Wundertüten im Team

Das müssen auch die weiteren Deutschen, die sich Chancen auf eine Topplatzierung ausrechnen. Allesamt sind sie aber Wundertüten. Darunter Konstanze Klosterhalfen, Deutschlands beste Langstreckenläuferin. Die 25-Jährige lebt und trainiert in Oregon, zeigte sich zuletzt aber ein gutes Stück von ihrer Bestform entfernt und kämpfte danach noch mit einer Corona-Infektion. Häufiger krank war auch Gesa Felicitas Krause (29). Die Hindernisläuferin holte bisher zweimal WM-Bronze – doch ihr einziger Auftritt in diesem Sommer lässt nicht aufs WM-Treppchen hoffen.

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Bei den Speerwerfern ruhen die Hoffnungen nun auf Julian Weber (27). Dem Mainzer, mit 89,54 Metern derzeit die Nummer fünf der Welt, ist durchaus ein Wurf jenseits der 90-Meter-Marke zuzutrauen. „Die Weltelite ist stark, aber ich bin auch stark“, sagt Weber. „Ich muss um die 90 Meter werfen, wenn nicht sogar weiter. Das ist auf jeden Fall drin.“ Als amtierender Weltmeister reist Zehnkämpfer Niklas Kaul an. An eine Titelverteidigung glauben aber nur kühne Optimisten: Immer wieder warfen Verletzungen den 24-Jährigen zuletzt zurück. „Niemals ganz zufrieden“ – ein Leitsatz, der Stabhochspringer Lita Baehre als Motivation dient – und der für Kaul zuletzt bittere Realität war.