Berlin. Gina Lückenkemper stürmt in Berlin über 100 Meter zurück in die Weltklasse. Kristina Pudenz glänzt mit dem Diskus

In ihrem Gesicht war pure Entschlossenheit zu erkennen – und 10,99 Sekunden später unendliche Erleichterung. Gina Lückenkemper blickte immer wieder ungläubig auf die Anzeigetafel, auf der ihre Zeit aufleuchtete. Die 25-Jährige Westfälin hatte es geschafft: Deutsche Meisterin über 100 Meter, sie hatte die Elf-Sekunden-Mauer durchbrochen – und endlich die vergangenen Monate der sportlichen Stagnation vergessen lassen. „Gina ist zurück“, hatte sie selbst vor wenigen Tagen noch voller Überzeugung gesagt. Und nun? „Gina ist definitiv zurück“, sagte die Sprinterin des SCC Berlin lachend.

Gina Lückenkemper: „Ich liebe dieses Stadion“

Wie wahr. Lückenkemper hatte sich nach vielen Problemen zuletzt in Wetzlar mit einer Zeit von 11,04 Sekunden zurückgemeldet und damit vor den Deutschen Meisterschaften der Leichtathleten in Berlin Hoffnung auf ein beständiges Comeback gemacht. Die Hoffnung wurde erfüllt. „Ich liebe dieses Stadion, ich liebe das Publikum und die Stimmung“, sagte sie bei ihrer Rückkehr ins Olympiastadion - jenem Ort, an dem sie 2018 Vize-Europameisterin wurde.

Die Spannung auf das 100-Meter-Finale hatte sich schon über den gesamten Samstag aufgebaut. Gina Lückenkemper gewann ihren Vorlauf in den Morgenstunden in 11,26 Sekunden – Tatjana Pinto (TV Wattenscheid) war im darauffolgenden genauso schnell. Gina Lückenkemper dominierte ihr Halbfinale am Nachmittag in 11,28 Sekunden, Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) war genauso schnell. Es war ein unglaublicher Spannungsaufbau und das Versprechen auf ein hochklassiges Finale, das in den Abendstunden schließlich erfüllt wurde.

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Gina Lückenkemper rannte wie entfesselt, Haase hatte als Zweitplatzierte mit 11,20 Sekunden keine Chance. Zum Titel bei den Herren stürmte über 100 Meter erstmals Owen Ansah vom Hamburger SV in 10,09 Sekunden.

Klare Sache bei den Speerwerfern

Weniger spannend ging es bei den Speerwerfern zu. Seit einigen Jahren zählt diese Disziplin zu den Highlights bei Deutschen Meisterschaften, denn kein anderes Land verfügt über vier Athleten mit 90-Meter-Potenzial. Jene Weiten wurden im nur spärlich gefüllten Olympiastadion am Samstag nicht erreicht, aber mit 86,61 Metern holte sich Favorit Julian Weber aus Mainz den Titel. Der 2017er-Weltmeister Johannes Vetter fehlte wegen einer Schulterverletzung, Rio-Olympiasieger und Europameister Thomas Röhler aus Jena wurde Fünfter.

Als Favoritin war auch Kristin Pudenz in den Wurfkreis gegangen. Und bereits beim dritten Wurf stand fest, dass die 29-Jährige vom SC Potsdam nicht zu schlagen sein wird. Auf 67,10 Meter schleuderte die Olympiazweite den Diskus. Bei den Tokio-Spielen hatte Pudenz mit 66,78 Metern ihre bis dahin beste Weite geschafft. Persönliche Bestleistung, deutsche Jahresbestleistung – Kristin Pudenz wird als Medaillenhoffnung zur WM reisen. „Die Bestleistung habe ich nicht erwartet“, sagte sie. Shanice Craft (SV Halle) wurde Zweite, und als Dritte überraschte Julia Harting. Die 32-Jährige vom SCC Berlin knackte mit ihrem Wurf über 64,34 Metern die WM-Norm. Nun haben fünf Werferinnen die Norm für die WM überboten, nur drei Athletinnen können in Eugene/USA starten.

Es gab Umarmungen, gemeinsam feierten die eigentlichen Konkurrentinnen ihre Erfolge.

Düsseldorfer Lita Baehre dominiert den Stabhochsprung

Ganz alleine war am Ende Bo Kanda Lita Baehre. Der letzte noch verbliebene Konkurrent, Oleg Zernikel aus Landau, hatte es nicht höher als 5,70 Meter geschafft und Lita Baehre war damit Deutscher Meister im Stabhochsprung. Zum vierten Mal innerhalb der vergangenen sechs Jahre. Der Düsseldorfer war aber noch nicht fertig, ließ nach gemeisterten 5,85 Metern erst 5,90 Meter auflegen und wagte sich dann gar an die 5,95 Meter. Doch da verließ ihn das Glück schließlich. Deutscher Meister, Bestleistung um zehn Zentimeter gesteigert, auf den derzeit dritten Platz der Weltbesten geklettert – Bo Kanda Lita Baehre verließ breit lächelnd das Stadion, in dem heute unter anderem Weitspringerin Malaika Mihambo und Diskuswerfer Christoph Harting antreten.