München. Jonas Hofmann traf beim 1:1 gegen England. Unter Bundestrainer Hansi Flick ist der Gladbach-Profi einer der großen Gewinner.
Jonas Hofmann widersetzte sich der ausdrücklichen Anweisung seines Trainers, aber das war in diesem Moment nicht weiter schlimm. Das Spiel war längst gelaufen, das 1:1 (0:0)-Unentschieden im zweiten Nations-League-Spiel gegen England war amtlich beglaubigt, in die Ergebnislisten eingetragen und nicht mehr zu ändern. Nun sprach Hofmann mit Journalisten über die zurückliegenden 90 Minuten, als Bundestrainer Hansi Flick im Hintergrund vorbeilief. „Der Jonas soll langsam machen!“, rief Flick und grinste.
Aber der Jonas machte nicht langsam, er hatte ja einiges zu erzählen, er war gefragt an diesem Abend – weil er vorher auf dem Spielfeld auch kein bisschen langsam gemacht hatte. Hofmann war einer von sieben Neuen, die Flick nach dem eher enttäuschenden 1:1 in Bologna gegen Italien am Samstag neu in die Startelf beordert hatte. Es kam zwar wieder ein 1:1 dabei heraus, aber eines der besseren Sorte. Die deutsche Mannschaft spielte dynamischer, aktiver, aggressiver. Weil die meisten von Flicks Wechseln aufgingen – insbesondere die Hereinnahme von Jonas Hofmann.
Der machte über die rechte Seite viel Schwung, startete immer wieder jene tiefen Läufe, die man auch von Borussia Mönchengladbach kennt. Wie in der 23. Minute, als er nach einem langen Ball plötzlich frei aufs englische Tor zulief, Schlussmann Jordan Pickford eiskalt überwand – aber wegen einer knappen Abseitsposition zurückgepfiffen wurde.
Hofmann sorgt auch gegen England für Schwung
Noch besser klappte es in der 50. Minute: Von rechts hatte sich der Flügelspieler nach innen geschlichen, hatte einen brillanten Pass von Joshua Kimmich mit dem Rücken zum Tor angenommen, sich blitzschnell gedreht und wuchtig abgeschlossen. Ein Ergebnis harter Trainingsarbeit, beteuerte der 29-Jährige: „Wenn wir nach dem Training noch Torschüsse üben, machen wir es immer wieder, dass wir schnell aufdrehen und zum Abschluss kommen.“ Es war zwar zu gleichen Teilen auch ein Ergebnis mangelhaften englischen Torwartspiels, aber das war dem Torschützen natürlich herzlich egal.
Er wusste ja, dass er wieder einige Argumente für sich gesammelt hatte – wie schon in Italien, wo er nach seiner Einwechslung für frischen Schwung über die rechte Seite sorgte und in der Entstehung des Ausgleichstreffers eine wichtige Rolle spielte. Die Freude über das eigene Erfolgserlebnis aber versteckte er, wie es sich für einen Mannschaftssportler gehört, hinter angemessen zerknirschten Worten ob des Ergebnisses: „Es ist bitter, so spät noch den Elfmeter zu kriegen“, meinte er über den Ausgleich nach 87 Minuten. „Wir hadern deswegen mehr mit den zwei verlorenen Punkten, weil wir ein ordentliches Spiel gemacht haben.“
Da klang ganz der Routinier durch, der Hofmann mit 29 Jahren schon ist. Einerseits. Andererseits war die Partie gegen England erst Hofmanns zwölftes Länderspiel, was ihn im Kreis der Nationalelf noch immer zu einem Frischling macht – und zu einer der bemerkenswerten Personalien der Ära Flick.
Bei der WM in Katar höchstwahrscheinlich dabei
Der immer noch recht neue Bundestrainer hat den Nationalspieler Hofmann zwar nicht erfunden, der kam schon unter Vorgänger Joachim Löw zum Einsatz und war vor einem Jahr im Kader für die Europameisterschaft – wo er aber nach einer Knieverletzung in der Vorbereitung ohne Spielminute blieb. Erst unter Flick wurde Hofmann zur Hauptfigur. Auch der neue Chef kann sich ja keine neuen Spieler backen und deswegen fehlen auch ihm die herausragenden Außenverteidiger. Also funktionierte er Hofmann kurzerhand zum Rechtsverteidiger um, mit bislang vielversprechender Bilanz: Drei Tore machte der Gladbacher seitdem in zehn Partien und zeigte auch defensiv ansprechende Leistungen.
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Gegen England aber war er plötzlich nicht mehr Rechtsverteidiger, sondern Rechtsaußen – gibt es also nun die Rolle rückwärts? „Der Bundestrainer hat sich nicht festgelegt, dass nur noch offensiv mit mir plant“, meinte Hofmann dazu. „Er hat mir aber gesagt, dass die letzten Wochen als Offensivspieler in Gladbach sehr gut waren. Er findet es, glaube ich, ganz gut, wenn er einen so flexiblen Spieler hat.“ Gesprochen wie einer, der sich seiner Sache ziemlich sicher sein kann. Der weiß, dass er bei der Weltmeisterschaft in Katar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dabei ist, wenn ihn nicht eine Verletzung stoppt.
Durchbruch bei Borussia Mönchengladbach
Es wäre der Höhepunkt einer Karriere, die nicht immer geradlinig verlief. Hofmanns Talent fiel zwar auf, als er vor elf Jahren aus dem Nachwuchs der TSG Hoffenheim in die U23 von Borussia Dortmund wechselte. 2013 zog ihn Jürgen Klopp zu den Profis hoch. Es folgten ein paar vielversprechende Einsätze, aber nicht der große Durchbruch. Der sollte erst deutlich später in Gladbach folgen, wo der feine Techniker mit einiger Anlaufzeit zur unverzichtbaren Größe wurde.
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Wenn es um die Zukunft des deutschen Fußballs und der Nationalmannschaft ging, fiel selten der Name Hofmann, da wurden meist andere genannt. Erik Durm etwa, inzwischen nur noch Randfigur bei Eintracht Frankfurt, stieß zur gleichen Zeit zu den BVB-Profis und durfte 2014 sogar mit zur Weltmeisterschaft fahren. Weil er zufällig Linksverteidiger war und weil die Außen schon damals eine Problemposition waren. Offensivspieler Hofmann hatte die deutlich größere Konkurrenz – und es sollte noch viele Jahre dauern, bis endlich jemand merkte, dass auch er zufällig Außenverteidiger spielen kann.