Essen. . Das Bundesliga-Finale war an Spannung kaum zu überbieten. Doch Hertha BSC und der HSV schreiben ein weiteres furioses Kapitel.

In so vielen Bildern dieses Wochenendes zeigte sich die Sehnsucht nach der Bundesliga.

In Bremen stürmten die Fans am Sonntag auf den Rasen, durch das Internet rauschten Videos, in denen die Menschen die Straßen der Hansestadt füllten. Werder kehrt nach dem 2:0-Erfolg über Jahn Regensburg in Deutschlands höchste Spielklasse zurück.

Auch interessant

In Stuttgart riss Trainer Pellegrino Matarazzo am Samstag im Überschwang mehrere Spieler um, Vereinsmaskottchen Fritzle schmiss sich auf den 44-Jährigen, Anhängerinnen und Anhänger purzelten übereinander. Innerhalb von sechs Minuten veränderten sich die Gegebenheiten im Tabellenkeller der Ersten Liga, Wataru Endo köpfte den VfB beim 2:1 über Köln in der 92. Minute zum Klassenerhalt.

Und dann? Ekstase.

Es geht für die Klubs um TV-Millionen

Der große Schlussakt folgt allerdings erst noch. In der Relegation treffen der Hamburger SV und Hertha BSC aufeinander. Eine Partie, die früher nach Europapokal klang, jetzt geht es um die Zugehörigkeit zu den besten 18 Mannschaften in Deutschland und damit um TV-Millionen, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven.

Und als würde dieses Duell nicht schon genug Geschichten erzählen, wird die Hertha auch noch von Felix Magath trainiert, dem ehemaligen Hamburger Spieler, der den HSV 1983 im Finale gegen Juventus Turin zum Europapokal der Landesmeister geschossen hat.

Der 68-Jährige setzte am Sonntag beim Zweitliga-Finale allerdings auf den falschen Gegner. Magath studierte den SV Darmstadt auf der Tribüne, der den SC Paderborn beim 3:0 zwar dominierte. Nur nutzte dies nichts, weil der Hamburger SV sich in Rostock zu einem 3:2-Erfolg zitterte und dadurch wie Darmstadt 60 Punkte erspielt hat – mit der besseren Tordifferenz. Drei Jahre in Folge scheiterte der Klub als Vierter am Projekt Aufstieg, nun hat er sich auf Rang drei geackert.

Sechs Minuten verändern im Abstiegskrimi alles

Die größte Herausforderung wartet jetzt. Berlin empfängt Hamburg am Donnerstag (20.30 Uhr/Sky und Sat.1) im Olympiastadion als Favorit. Am Montag folgt das Rückspiel im Norden Deutschlands, in dem die einen (Hertha) eine missratene Saison retten und die anderen (HSV) einen nach vielen Rückschlägen kaum für möglich gehaltenen Erfolg feiern könnten.

Auch interessant

Dabei wähnten sich die Berliner am Samstag um 17.15 Uhr sicher in der Ersten Liga, um 17.16 Uhr nutzte jedoch Youssoufa Moukoko seinen linken Fuß für die Dortmunder Führung. Magaths Elf entglitt durch das 1:2 ein Spiel, das sie lange bestimmt hatte. Während fast 400 Kilometer entfernt in Stuttgart der Berliner Rückstand neue Kräfte weckte, plötzlich fehlte gegen den 1. FC Köln nur noch ein Tor zum Klassenerhalt. Um 17.22 Uhr – in der 92. Minute – köpfte Endo diesen Treffer. Der VfB drückte sich im eigenen Stadion auf den rettenden Platz 15, Magaths Elf rutschte auf den Relegationsrang 16 ab. Dem Tabellen-Siebzehnten Arminia Bielefeld reichte ein 1:1 gegen RB Leipzig ohnehin nicht.

Bremen kann Herthas Drama entspannt verfolgen

Nach den unwirklichen sechs Minuten meinte Magath, dass sich seine Mannschaft in Dortmund wie ein Bundesligist präsentiert habe. „Gegen den Tabellendritten der Zweiten Liga haben wir berechtigte Aussichten, den Klassenverbleib zu schaffen.“ Dafür ziehen die Profis bereits ab Dienstag ins Olympische Trainingszentrum Kienbaum östlich von Berlin. Der Druck wird von Tag zu Tag zunehmen. Der Verein wollte mit über 300 Millionen Euro von Investor Lars Windhorst eigentlich Besonderes erreichen, jetzt taumelt er am Abgrund.

Auch interessant

In Bremen können sie all das entspannt verfolgen. Nach dem Abstieg in der vergangenen Saison hat der Klub die Rückkehr vor allem durch Trainer Ole Werner geschafft. Der 34-Jährige übernahm, als Markus Anfang im November 2021 aufgrund eines gefälschten Impfausweises zurücktreten musste. „Werner kam zum richtigen Zeitpunkt und hat Ruhe reingebracht“, sagte Clemens Fritz, Leiter Profifußball bei Werder. Verteidiger Ömer Toprak gab zu, dass er sich „extrem geschämt“ habe nach dem Absturz in Liga zwei. „Ich habe es unbedingt ausmerzen wollen und bin so froh, dass wir es geschafft haben.“

Neuer Glanz für Liga eins

Der Aufstieg des Traditionsvereins verleiht der Bundesliga Glanz, wie der andere Aufsteiger Schalke verfügt Bremen über eine enorme Strahlkraft. Dies gilt genauso für den Hamburger SV, der unerwartet zurückkehren könnte.

Auch interessant

„Alle hatten uns schon abgeschrieben“, sagte der Hamburger Torjäger Robert Glatzel. Sportvorstand Jonas Boldt schwor die Mannschaft auf „zwei Pokalspiele“ gegen Hertha ein, „das müssen wir annehmen“. Felix Magath kann sich auf einen wilden Gegner einstellen, der manchmal das Verteidigen vergisst.

Am Samstagabend in Dortmund kannte der Trainer den Herausforderer noch nicht, als er im blauen Mannschaftsbus verschwand, auf dem der Spruch „Die Zukunft gehört Berlin“ daran erinnerte, dass die Hertha normalerweise große Ansprüche verfolgt. In der Gegenwart muss sie erst mal die Relegation überstehen.