Mönchengladbach. Borussia Mönchengladbach will zügig einen Nachfolger für Trainer Adi Hütter finden. Top-Favorit ist Lucien Favre. Ist er der Richtige?
Bei Borussia Mönchengladbach genießt Lucien Favre sehr hohes Ansehen. Als der Schweizer Trainer 2011 zu dem taumelnden Fußball-Bundesligisten kam, gab er einer destabilisierten, verunsicherten Mannschaft die nötige Struktur. Ihm gelang die Rettung in der Relegation gegen den VfL Bochum, im Jahr darauf führte der Taktikliebhaber mit dem Hang zum Perfektionismus sein Team schon in den Europapokal. Favres Wirken läutete eine erfolgreiche Dekade der Borussia ein. Eine Zeit, die mittlerweile vorüber ist.
Adi Hütter und Roland Virkus: Einvernehmliche Trennung
Erstmals seit 2011 beendete Gladbach nun eine Bundesliga-Saison nicht mit einem einstelligen Tabellenplatz. Der Klub belegt in der Abschlusstabelle Rang zehn, daran konnte er der 5:1 (3:1)-Sieg gegen die TSG Hoffenheim nichts ändern. Nach dem Spiel trat Trainer Adi Hütter, der 2021 einen Vertrag bis 2024 unterzeichnet hatte, vor die Fernsehkameras, um zu verkünden, dass Gladbach und er fortan getrennte Wege gehen. Der 52-jährige Österreicher sprach ebenso wir Sportdirektor Roland Virkus (55) von einer einvernehmlichen Trennung. Virkus will bald einen Nachfolger präsentieren, „um Ende Juni in einer neuen Konstellation in die Vorbereitung auf die neue Saison zu gehen“. Eine heiße Spur führt zu Favre, der als Top-Kandidat auf die Hütter-Nachfolge gilt.
Das hat gleich mehrere Gründe. Der 64-Jährige kennt den Verein sehr gut, machte auch damals schon Bekanntschaft mit Virkus, der zu dieser Zeit als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums arbeitete. Der heutige Sportchef soll bereits erste Gespräche mit Favre über ein mögliches erneutes Engagement in Gladbach geführt haben. Im September 2015, nach sechs Pflichtspiel-Niederlagen in Serie, hatte der Fußballlehrer dem Präsidium seinen Rückzug angeboten, der zunächst abgelehnt wurde. Kurz darauf veröffentlichte Favre eine Erklärung, in der er seinen sofortigen Rücktritt bekanntgab. Favre hatte mit Gladbach in jenem Jahr die Qualifikation für die Champions League geschafft, nun endete diese Ehe, weil er einen Schlussstrich zog – nicht der Klub.
Hütter posiert vor der Fankurve für ein Abschiedsfoto
Von 2016 bis 2018 arbeitete Favre beim französischen Erstligisten OGC Nizza, anschließend bei Borussia Dortmund, wo er im Dezember 2020 nach einer 1:5-Niederlage gegen den VfB Stuttgart entlassen wurde. Seitdem ist Favre auf dem Markt. Sein Name war schon mehrmals in der vergangenen Saison im Zusammenhang mit Gladbach gefallen, in einer für den Klub hoch komplizierten Spielzeit, die letztlich enttäuschend verlaufen ist. Die Borussia scheiterte im DFB-Pokal beim Zweitligisten Hannover 96 (0:3), befand sich im Abstiegskampf, ging im Dezember mit 0:6 gegen den SC Freiburg unter, kassierte zwei Derby-Niederlagen gegen den 1. FC Köln (1:4, 1:3). „Die Saison ist für uns nicht zufriedenstellend, deswegen haben wir gemeinsam die Konsequenzen gezogen“, sagte Hütter.
„Die Gespräche waren wirklich offen, ehrlich und respektvoll und auch mit Inhalt gefüllt“, berichtete Virkus: „Aber wir haben dann beide gesagt, dass es besser ist, getrennte Wege zu gehen.“ Die Entscheidung habe am Freitagabend festgestanden, erklärte Hütter. Am Samstag drehten Lars Stindl (26.), Alassane Pléa (44., Foulelfmeter), Jonas Hofmann (45.+1/68.) und Breel Embolo (53.) das Spiel nach dem Hoffenheimer Führungstreffer durch Andrej Kramaric (3.) zu einem hohen, aber letztlich sportlich bedeutungslosen Sieg. Nach der Partie posierte Hütter mit der ganzen Mannschaft vor der Fankurve noch für ein Abschiedsfoto.
Lucien Favre könnte Gladbacher Abwehr Stabilität verleihen
2021 hatte Gladbach 7,5 Millionen Euro Ablöse an Eintracht Frankfurt für Hütter gezahlt, nun ist seine Zeit am Niederrhein schon wieder vorbei. „Es tut mir leid, dass wir die Erwartungen nicht erfüllen konnten“, sagte Hütter. Der ehemalige Sportdirektor Max Eberl hatte ihn zur Borussia gelotst, jetzt liegt es an Eberls Nachfolger Virkus, einen Mann zu präsentieren, mit dem Gladbach das eigene Ziel, die Rückkehr in den Europapokal, erreichen kann.
Favre könnte der Mannschaft spielerische Struktur und defensive Stabilität verleihen. Zudem spricht er wie etliche Profis im Borussen-Kader Französisch – kommunikativ ein klarer Vorteil. Als weitere Tainer-Kandidaten für Gladbach gelten Daniel Farke (45), der seinen Vertrag bei russischen Klub FK Krasnodar im März aufgelöst hat, und André Breitenreiter (48), der nach dem Gewinn der Schweizer Meisterschaft mit dem FC Zürich seine Zukunft offen gelassen hat. Für Roland Virkus geht die Saison jetzt in die Verlängerung.