Essen. Die Ex-Doperin Vania Stambolova stand noch zwei Tage vor dem Leichtathletik-Meeting am 26. Juli in Zeulenroda auf der Starterliste. Nun lud der Veranstalter die Bulgarin kurzfristig aus. Und behauptet, von ihrer Doping-Vergangenheit nichts gewusst zu haben. Ein Hilfeschrei aus Zeulenroda.

Nichts sehnt die deutsche Leichtathletik-Szene vor den Weltmeisterschaften in Berlin (15.-23. August) mehr herbei, als ein buntes und fröhliches Sportfest, das von Dopingenthüllungen verschont bleibt. Doch schon allein bei jedem Start eines Ex-Dopers zeigt die dunkle Welt der Manipulation wieder ihr abstoßendes Gesicht und wirft grundlegende Fragen auf: Wie soll mit ehemaligen Dopingsündern umgegangen werden? Sollten sie bei den Meetings im Vorfeld der Weltmeisterschaften erst gar nicht eingeladen werden?

Vania Stambolova bei der Universiade in Belgrad. Die 25-Jährige, die bis zum 9. April 2009 eine zweijährige Dopingsperre abgesessen hatte, setzte sich mit 55,14 Sekunden über 400 m Hürden durch. Sie war zuvor positiv auf Testosteron getestet worden.
Vania Stambolova bei der Universiade in Belgrad. Die 25-Jährige, die bis zum 9. April 2009 eine zweijährige Dopingsperre abgesessen hatte, setzte sich mit 55,14 Sekunden über 400 m Hürden durch. Sie war zuvor positiv auf Testosteron getestet worden. © imago | imago





Vor dieser Frage stand nun auch Hans-Peter Bischoff, Veranstalter des Zeulenroda Meetings. Am morgigen Sonntag findet zum elften Mal der Vergleich in dieser Stadt im östlichen Thüringen statt. Und in der Startliste für 400 Meter Hürden stand bis Freitag mit der Bulgarin Vania Stambolova eine Athletin, deren Sperre erst im April ausgelaufen war. „Ein Versehen“, sagt Bischoff. Er hatte erst aus den Medien erfahren, dass die 25-Jährige eine Dopingsünderin war. Und so setzte eine hektische Telefonaktion ein und Vania Stambolova wurde wieder ausgeladen.

Ex-Doper müssen draußen bleiben

Das Problem ist ein Grundsätzliches. Es trifft die Organisatoren der German Meetings – eine Vereinigung von derzeit 23 internationalen Leichtathletik-Wettkämpfen in ganz Deutschland, zu denen auch Zeulenroda gehört – ebenso wie die Euro-Meetings – eine Gruppe der rund 40 führenden europäischen Leichtathletik-Meetings. Die Organisatoren der Euro-Meetings haben sich darauf geeinigt, möglichst auf ehemalige Dopingsünder zu verzichten. Ein Vorgehen, über das Gerhard Janetzky, Veranstalter des Internationalen Stadionfestes (Istaf) in Berlin, nur den Kopf schütteln kann.

Aber auch er hatte sich im Juni gebeugt und dem britischen Staffel-Europameister und 2004 für zwei Jahre wegen Steroid-Dopings gesperrten Dwain Chambers den Start verwehrt: „Ich habe Dwain Chambers nicht starten lassen, um meinen Kollegen bei den Euro-Meetings gegenüber loyal zu sein. Die Mehrheit ist, im Gegensatz zu mir, für ein Startverbot“, sagt Janetzky. Doch er will sich dafür einsetzen, dass diese Praxis geändert wird: „Die Euromeetings können nur Empfehlungen aussprechen“, so Janetzky. „Das Istaf hat sich daran gehalten und wird die andere Position – kein lebenslanges Berufsverbot, denn das ist es ja defacto – in den Gremien der Euro-Meetings versuchen mehrheitsfähig zu machen.“

Ein anderes Beispiel ist Ralph Hirsch, Meeting-Direktor in Dessau. Die Aufregung entzündete sich auch dort an Dwain Chambers. Er war zu dem Meeting am 2. Juni erst eingeladen worden. Aber nachdem die Wogen der medialen Empörung hochschlugen und die Vereinigungen Euro-Meetings und German Meetings Druck machten, bekam Chambers auch dort das Stopp-Schild gezeigt.

Sorgloser Umgang mit der Doping-Geschichte

Und nun also Zeulenroda. Der Fall liegt, so sagt zumindest Bischoff, etwas anders. Er habe es einfach nicht gewusst. Sagt er und klingt gehetzt: „Wir sind in der unmittelbaren Vorbereitung und ich habe diese Informationen nicht wahrgenommen.“ Das mag erstaunlich klingen und symbolisiert den sorglosen Umgang mit dem Thema Doping. Denn Vania Stambolova ist nicht irgendwer, ihre Vergangenheit ist im Internetzeitalter schnell offenkundig.

Egal, ob in der Online-Enzyklopädie Wikipedia; oder in einer von den Organisatoren der Euro-Meetings veröffentlichen Liste mit Doping-Sündern von 2003-2008; oder in den verlässlich geführten Liste mit Athletenporträts des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF; oder auf leichtathletik.de: Vania Stambolova war am 24. Januar 2007  positiv auf Testosteron getestet worden und hatte von der IAAF eine zweijährige Sperre bekommen. Die endete im April, im Juli war Stambolova schon wieder ganz vorne. Bei der Universiade in Belgrad gewann sie gegen die Bremerin Jonna Tilgner. Damit kann die Bulgarin 2009 schon fast wieder an ihre Erfolge vor der Sperre anknüpfen: Damals gewann sie bei der Europameisterschaft 2006 in Göteborg Gold über 400 Meter in 49,85 Sekunden.

Hilfeschrei aus Zeulenroda

Hans-Peter Bischoff ist aber nicht nur wegen des Doping-Missgeschicks nicht zu beneiden: „Ich hätte Vania Stambolova doch gar nicht eingeladen, wenn ich genügend Starter zusammenbekommen hätte“, sagt Bischoff. Doch die bekam er nicht. Nur ein Drittel beträgt der Anteil der deutschen Starter. „Die Ausreden, warum die deutschen Athleten nicht starten wollten, waren teilweise abenteuerlich“, sagt Bischoff. Und da kam vor zwei Wochen das Angebot des Stambolova-Management gerade recht. Denn Bischoff wollte insbesondere der deutschen Starterin Tina Kron (SV Schlau.com Saar) eine schnellere Konkurrentin präsentieren. Die Nummer zwei der deutschen Bestenliste hat bislang 56,39 Sekunden über 400 Meter Hürden erzielt, die Norm für die Weltmeisterschaften liegt bei 55,50 Sekunden. Die fixe Bulgarin hätte auch Tina Kron in Richtung Norm ziehen können.

Das ist jetzt Geschichte, Bischoff versucht kurzfristig noch andere deutsche Läufer wie die Leverkusenerin Maren Schott zu bekommen. Doch die Mathematik-Doktorandin wird Tina Kron auch nicht annähernd zu einer 55er Zeit führen können. Die geringe Bereitschaft deutscher Athleten, bei Meetings zu starten, störe ihn, sagt Bischoff: „Unser Termin ist zwar mit dem DLV abgestimmt. Aber wir erleben hier gerade das größte Desaster.“ Bischoff hatte sich Konkurrenz für Tina Kron gewünscht. Aber nicht in Form einer Ex-Doperin.