Essen/Peking. Rekord-Olympionikin Claudia Pechstein und Bob-Pilot Francesco Friedrich tragen bei Eröffnungsfeier der Winterspiele die deutsche Fahne.
Unter den ersten Nachrichten, die Claudia Pechsteins Handy in Peking erreichten, befand sich auch ein Glückwunsch von Kristina Vogel. Die zweimalige Olympiasiegerin aus Erfurt, die im Bahnradsport ähnlich tiefe Spuren hinterlassen hat wie Berlinerin im Eisschnelllaufen, gratulierte zu einer „besonderen Auszeichnung“. Gemeinsam mit Bobpilot Francesco Friedrich wird Claudia Pechstein an diesem Freitag (13 Uhr/ZDF) die deutsche Mannschaft zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele ins Nationalstadion der chinesischen Hauptstadt führen.
„Das ist eine Riesenehre für mich. Ich bin ganz stolz, den weiblichen Part übernehmen zu dürfen“, sagte die sichtlich gerührte Ausnahmeathletin. „Dass ich als erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin bei meinen achten Spielen auch noch die Fahne tragen darf, ist sensationell und der i-Punkt auf meine Karriere.“ Bei der Verkündung am Donnerstag waren sie und Friedrich an den Standorten Peking und Yanqing zwar noch rund 80 Kilometer voneinander getrennt. Doch die 49-Jährige stellte schon einmal schmunzelnd fest: „Ich finde, wir sind ein cooles Duo.“
Zum zweiten Mal eine Doppelspitze
Auch Friedrich strahlte übers ganze Gesicht und bezeichnete das Votum als „Ritterschlag“, den er stellvertretend für das gesamte Bob-Team sehr gern in Empfang nehme. Und der zweimalige Olympiasieger von Pyeongchang verriet, dass beide Protagonisten schon ein bisschen auf diesen Ausgang der Abstimmung spekuliert hätten: „Bei der Anreise am Flughafen haben wir ein Bild zusammen gemacht und gesagt: Vielleicht klappt es ja und wir sehen uns dann am Freitag.“
Mehr als 120.000 Fans sowie die Mitglieder des „Team D“ hatten sich an der vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) durchgeführten Wahl beteiligt. Am Ende gewann Pechstein mit 37,4 Prozent der Stimmen vor Snowboarderin Ramona Hofmeister (34,5) und Rennrodlerin Natalie Geisenberger (28,1). Friedrich setzte sich mit 43,4 Prozent vor Eishockey-Kapitän Moritz Müller (39,0) und Rennrodler Tobias Wendl (17,6) durch. Beide Sieger betonten aber unisono, „dass es jeder der Nominierten genauso verdient hätte“.
Zum zweiten Mal nach den Sommerspielen im vergangenen Jahr in Tokio, wo Beachvolleyballerin Laura Ludwig und Wasserspringer Patrick Hausding die Auserwählten waren, bilden eine Frau und ein Mann die sportliche Doppelsitze. Rekordweltmeister Friedrich, der in Peking mit André Lange als erfolgreichstem olympischen Bobpiloten gleichziehen könnte, hob die Fahnenträger-Rolle emotional prompt auf die höchste Stufe: „Das ist mindestens gleichzusetzen mit der Goldmedaille, die wir hier gewinnen können.“
Claudia Pechstein, die mit ihrer achten Olympia-Teilnahme Geschichte schreibt, ging sogar noch einen Schritt weiter: „Die Fahne zu tragen ist mehr wert als alle meine olympischen Medaillen, weil dafür die eigene Leistung allein nicht ausreicht. Es ist ja eine Wahl und damit etwas ganz Besonderes“, sagte die Rekord-Olympionikin und verriet, erst das zweite Mal überhaupt bei einer Eröffnungsfeier dabei zu sein. Sie hätte meistens darauf verzichtet, weil schon am nächsten Tag der erste Wettkampf anstand.
Pechstein: Olympia-Premier in Albertville
An die Premiere bei ihren ersten Spielen kann sie sich jedoch noch gut erinnern: „Das war vor 30 Jahren, 1992 in Albertville, ein Gänsehaut-Moment. Das vergisst man nicht.“ Obwohl diesmal im Pekinger „Vogelnest“ keine Zuschauer zugelassen sind und nur eine kleine DOSB-Abordnung für ein bisschen Stimmung sorgen kann, will sie den Einmarsch „total genießen“. Ohne Gedanken an das 3000-Meter-Rennen, das bereits am Samstag in der neuen „Ice Ribbon“-Halle auf sie wartet. „Die Beine werden dann zwar nicht frisch sein, der Kopf aber umso mehr“, zeigte sich Pechstein überzeugt.
Friedrich gilt als Top-Favorit im Bob
Auch Friedrichs Motivation dürfte durch die „riesengroße Ehre“ noch mal einen kräftigen Schub erhalten. Der Sachse geht in der zweiten Olympia-Woche sowohl im Zweier- als auch im Vierer-Bob als Top-Favorit an den Start und weiß um den „wahnsinnig schweren Rucksack“, den er zu schultern hat. Wenn jedoch jemand voller Selbstbewusstsein nach den Sternen greifen kann, dann ist es Friedrich.
14 der 16 Weltcup-Rennen hat er in dieser Saison gewonnen. Und Eiskanal-Legende Lange, mittlerweile Trainer bei den gastgebenden Chinesen, meint voller Hochachtung: „Franz hat das beste Gesamtpaket: vom guten Start, über das Top-Material bis zum fahrerischen Können. Ich weiß nicht, wer ihm den Olympiasieg streitig machen könnte.“
Der 31-Jährige selbst macht keinen Hehl aus seinen Zielen: „Wir wollen die Goldmedaillen von Pyeongchang hier verteidigen.“ Er warnt aber auch davor, dies als Selbstverständlichkeit zu betrachten. „Man darf sich auf dieser Bahn nichts zu Schulden kommen lassen. Wer die wenigsten Fehler macht, nimmt die Medaillen mit nach Hause“, meint Friedrich.
Die jüngere Vergangenheit lehrt: Die schwarz-rot-goldene Fahne ist kein schlechtes Omen für eine Titelmission. 2014 war sie von Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch getragen worden, 2018 von Kombinierer Eric Frenzel. Und beide kehrten reichlich goldgeschmückt nach Hause zurück.
Alle Zahlen, Daten, Fakten zu den Wettbewerben bei den Olympischen Spielen in Peking