Essen. Wohltäter und Straftäter, Kümmerer und Angreifer: Uli Hoeneß polarisierte oft. Heute feiert er Geburtstag. Der FC Bayern ist sein Lebenswerk.

Wie man sich doch täuschen kann, selbst wenn man sich gut kennt. Während der Saison 1978/79 durften zwei Filmemacher die beiden Freunde Uli Hoeneß und Paul Breitner ein ganzes Jahr lang begleiten, es war ausgerechnet das Jahr, in dem sich für Hoeneß Schlag auf Schlag alles änderte. Beim FC Bayern degradierte ihn Trainer Gyula Lorant, der im Umgang mit den Stars so einfühlsam war wie ein Kampfhund auf Nulldiät, zum Reservisten.

Ein geplanter Wechsel zum Hamburger SV scheiterte, weil sich Uli Hoeneß weigerte, vorher einen riskanten Eingriff an seinem lädierten Knie vornehmen zu lassen. Die Flucht zum 1. FC Nürnberg war ein letzter Versuch, die Karriere zu retten: Hoeneß spielte nur noch elfmal für den Club, der am Ende der Saison abstieg. Der Europameister von 1972 und Weltmeister von 1974 sah ein, dass es vorbei war, der Knorpelschaden war irreparabel. Die Bayern holten ihn zurück und hüllten ihn in Vertrauen: Mit nur 27 Jahren wurde Uli Hoeneß, der an diesem Mittwoch seinen 70. Geburtstag feiert, der jüngste Manager der Bundesliga-Geschichte.

Weltmeister: Uli Hoeneß (vorne) 1974 bei der Ehrenrunde in Münchens Olympiastadion.
Weltmeister: Uli Hoeneß (vorne) 1974 bei der Ehrenrunde in Münchens Olympiastadion. © imago

In der Dokumentation „Profis“ aber sagte Paul Breitner, der mit Uli Hoeneß nicht nur die sportliche Biografie teilte, sondern auf Reisen auch das Hotelzimmer, nur wenige Monate vorher: „Das kann ich mir nur schwer vorstellen, Uli mal als Manager bei einem Fußballverein zu sehen. Das wäre Unsinn. Und ich glaube, er will das auch gar nicht.“

Für den Verein legte er sich häufig an

Doch, er wollte. Und zwar mit allen Konsequenzen. Schon vorher wusste Uli Hoeneß genau, wie er seine neue Aufgabe interpretieren wollte: „Ich werde versuchen, in allererster Linie den Verein zu sehen. Aber auch, das Menschliche immer in den Vordergrund zu stellen.“

Star im Pelzmantel: Uli Hoeneß Mitte der Siebziger.
Star im Pelzmantel: Uli Hoeneß Mitte der Siebziger. © imago

Dieses Versprechen hielt er ein, über Jahrzehnte. Der FC Bayern, mit dem er als Spieler dreimal Europapokalsieger der Landesmeister geworden war, wurde zu seinem Lebenswerk. Wenn er das Wohl des Vereins gefährdet sah, legte er sich mit ausgefahrenen Ellbogen mit allen an, die er für Unruhestifter hielt. Es kam auch vor, dass er Chefredakteure anrief und sich schimpfend über die Aufmachung ihrer Blätter beschwerte. Abteilung Attacke.

Einen Flugzeugabsturz überlebt

Oft warf er sich auch für die Spieler ins Zeug, so erreichte er den nicht unbedeutenden Zusammenhalt der Bayern-Familie. Unvergessen die Giftpfeile, die er bei TV-Auftritten abfeuerte. Wie im ZDF-Sportstudio auf Kölns ebenfalls angriffslustigen Trainer Christoph Daum, dessen Aufstieg zum Bundestrainer er später spektakulär verhinderte. Oder im DSF-Doppelpass auf seinen früheren Trainer Udo Lattek, der die Seiten gewechselt hatte und als TV-Experte Oliver Kahn kritisierte.

1982: mit Ehefrau Susi zwei Tage nach dem Flugzeugabsturz.
1982: mit Ehefrau Susi zwei Tage nach dem Flugzeugabsturz. © dpa

Dass Uli Hoeneß 1982 bei der Reise zu einem Länderspiel nach Hannover als einziger von vier Passagieren den Absturz eines Privatflugzeugs überlebte, hatte wenig Einfluss auf seinen polarisierenden Charakter. Im persönlichen Gespräch konnte man ihn angenehm und aufgeschlossen erleben. Doch öffentlich überschritt er nicht selten die Grenze vom Selbstbewusstsein zur Arroganz. Redete er sich in Rage, fällte er vernichtende Urteile.

Rettungsspiele für Traditionsvereine

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Auch deshalb gilt Uli Hoeneß bis heute als große Reizfigur des deutschen Fußballs. Diesen Ruf hat er sich redlich verdient, daran konnte auch sein aufrichtiges Auftreten als Wohltäter nichts ändern. So half er notleidenden Traditionsklubs mit sogenannten Retterspielen, ohne Gage traten die Bayern in St. Pauli, Aachen, Offenbach, Rostock, Dresden und Kaiserslautern an.

Uli Hoeneß gefiel sich auch in seiner Rolle als Mahner. Bei vielen großen politischen und gesellschaftlichen Themen mischte er sich ein, stets die Moralkeule schwingend. Er wusste, er konnte sich das leisten. Bis 2013, als die Welt des Uli Hoeneß zusammenbrach.

Retter: Hoeneß 2003 auf St. Pauli.
Retter: Hoeneß 2003 auf St. Pauli. © firo

Weil er sich auf Zocker-Geschäfte eingelassen, in Aktien investiert und versucht hatte, dem Fiskus die Gewinne mit einem Geheimkonto in der Schweiz vorzuenthalten, kam es zur Anklage. Wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro wurde Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Das Schlimmste sei für ihn nicht der Gefängnisaufenthalt ab Juni 2014 in der Justizvollzugsanstalt Landsberg gewesen, in der er „sehr korrekt behandelt“ worden sei, sondern die Zeit zwischen Urteilsverkündung und Haftantritt, erzählte er kürzlich im ARD-Talk „Club 1“: „Jeden Tag waren Fotografen und Kameraleute vor unserem Haus, da hatte ich keine Freiheiten mehr.“

Ehefrau Susi stand stets zu ihm

Das ist Uli Hoeneß

Uli Hoeneß, geboren in Ulm, als Fußballer Welt- und Europameister, dreimal Europapokalsieger und dreimal Deutscher Meister, prägte den FC Bayern auch als Manager, Präsident und Aufsichtsrats-Chef. Mit seiner Frau Susanne ist er seit 1973 verheiratet, das Paar hat zwei Kinder, vier Enkel und lebt in Bad Wiessee.

Die Familie litt mit, aber sie stand zu ihm. Ehefrau Susi blieb stets an seiner Seite, Sohn Florian und Tochter Sabine führen seit Jahren die von ihm aufgebaute Wurstfa­brik. Auch wegen des familiären Rückhalts kehrte Uli Hoeneß rehabilitiert und stabilisiert in die Öffentlichkeit zurück. Nachdem er im Februar 2016 vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, ließ er sich neun Monate später erneut zum Präsidenten des FC Bayern wählen, dessen Ehrenpräsident er heute ist.

Zu seinem 70. Geburtstag kommen seine Lieben zu einem Essen zusammen, eine große Feier soll, wenn Corona es zulässt, später nachgeholt werden. „Ich habe alles erreicht, das Lebenswerk ist vollbracht“, sagt Uli Hoeneß. „Ich bin ein Glückskind.“