Wolfsburg. Gegner Liechtenstein dezimiert sich früh selber. National-Elf gewinnt in Überzahl bei der Verabschiedung von Jogi Löw mit 9:0.
Wolfsburg hatte sich rausgeputzt für diesen Donnerstagabend, an dem sich noch einmal vor Joachim Löw verbeugt werden sollte. Als wollte sich die Stadt gegen die Kritiker stemmen, die im Vorfeld beklagt hatten, dass der Abschied einen schillernderen Ort verdient gehabt hätte. Vor dem Stadion wurden schwarz-rot-goldene Fahnen verteilt, alle 25.900 Fans erhielten Trikots der deutschen Nationalmannschaft, ein Teil der Anhänger bedankte sich mit einer Choreografie bei dem 61-Jährigen, der seine Arbeit als Bundestrainer in diesem Sommer nach 15 Jahren beendet hat.
Nationalmannschaft schon vor dem Spiel für die WM qualifiziert
Dadurch geriet der 9:0 (4:0)-Erfolg über Liechtenstein unter dem Löw-Nachfolger Hansi Flick im vorletzten WM-Qualifikationsspiel in den Hintergrund. Daniel Kaufmann (20.) traf ins falsche, Ilkay Gündogan (11./Foulelfmeter), Leroy Sané (22./49.), Marco Reus (23.), Thomas Müller (76./86.) und Ridle Baku (80./89.) fanden das richtige Tor. Deutschland hat sich ohnehin bereits für die Großveranstaltung im Winter 2022 in Katar qualifiziert, bei der im nächsten Jahr vom 21. November bis zum 18. Dezember ein neuer Weltmeister gesucht wird. Thomas Müller freute sich über die "super Heimspielatmosphäre" und sprach von einem tollen und harmonischen Abend", auch wenn es natürlich wichtig sei einzuordnen, dass sich Liechtenstein faktisch "bei der ersten Aktion eine Rote Karte" gesehen habe, was der Mannschaft Möglichkeiten eröffnet habe.
In Erinnerung werden von diesem Abend die Geschehnisse vor dem Anpfiff bleiben. Erst flimmerten Szenen aus Löws Amtszeit auf den beiden Videowänden im Wolfsburger Stadion, erinnert wurde an all die Erfolge, die rauschhafte Anfangszeit. EM-Finale 2008, WM-Dritter 2010, Confed-Cup-Sieger 2017 und natürlich der Triumph, der bleiben wird: der WM-Titel 2014. Die Misserfolge wurden verständlicherweise ausgespart. Das blamable WM-Vorrundenaus 2018. Genauso die anschließenden zähen drei Jahre, zu denen das trostlose EM-Aus im Achtelfinale in diesem Sommer gegen England (0:2) im Wembley-Stadion passte. Diese 90 Minuten besiegelten das Ende der Ära Löw.
Ein Weltmeister-Spaler für Joachim Löw
Vergessen, jedenfalls am Donnerstag, als Joachim Löw schließlich den Rasen betrat, durch ein Spalier von einigen Spielern marschierte, die seine Zeit geprägt haben. Unter anderem Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Sami Khedira, Per Mertesacker, Miroslav Klose und Lukas Podolski applaudierten ihrem ehemaligen Trainer. Von den Rängen hallten „Jogi“-Rufe. Der Angesprochene winkte, bedankte sich kurz, dann verschwand er bereits. Zu viel Aufmerksamkeit wollte Löw anscheinend nicht auf sich ziehen, die 90 Minuten verfolgte er auf der Tribüne neben dem ehemaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach.
Dort erlebte er einen Start, bei dem zunächst ein Foul verschreckte. Der Liechtensteiner Jens Hofer trat Leon Goretzka im eigenen Sechzehnmeterraum ins Gesicht (8.). Schiedsrichterin Ivana Martincic (erstmals leitete eine Frau ein Länderspiel der deutschen Herren) pfiff Elfmeter, zeigte Hofer berechtigterweise die Rote Karte. Ilkay Gündogan verwandelte den Strafstoß (11.). Goretzka konnte nach längerer Behandlungszeit weitermachen.
Flick musste gegen Liechtenstein etwa den Corona-infizierten Niklas Süle durch Thilo Kehrer in der Verteidigung ersetzen. Mittelfeld-Lenker Joshua Kimmich harrt zudem durch den Kontakt zu Süle in Quarantäne aus, für ihn begann Gündogan. Gegen den krassen Außenseiter machte sich dies nicht bemerkbar. Im Gegenteil. Flicks Elf fand Gefallen an dem Spiel gegen einen Gegner, der sich mit allen verbliebenen Spielern an den eigenen Sechzehnmeterraum zurückzog, ohne dadurch die deutschen Angriffe einzudämmen. Daniel Kaufmann grätschte den Ball über die eigene Linie (20.). Leroy Sané zielte in die rechte Ecke (22.). Marco Reus musste nur noch das leere Tor treffen (23.).
Die Partie beruhigte sich anschließend etwas, erst in Hälfte zwei gestaltete Deutschland das Ergebnis noch deutlicher. Sané tunnelte bei seinem zweiten Tor Mitspieler Thomas Müller (49.), der später selbst zweimal traf (76./86.). Ridle Baku erlebte das Glücksgefühl eines ersten und eines zweiten Länderspieltreffers (80./89.). Die Fans drückten ihre Zufriedenheit durch eine La-Ola-Welle aus. Weiter geht es am Sonntag in Armenien (18 Uhr/RTL).
Joachim Löw dürfte in jedem Fall zur Kenntnis genommen haben, dass sich die Mannschaft auf einem guten Weg befindet. Um seine Bedeutung zu verdeutlichen, prangten auf einem Banner im Stadion die Namen der vier deutschen Weltmeister-Trainer. Sepp Herberger, Helmut Schön, Franz Beckenbauer und eben Löw. Dieser berichtete schon vor dem Anpfiff bei RTL, dass er sich durchaus vorstellen könne, bald einen neuen Trainerjob zu übernehmen. „Nach so langer Zeit brauchte ich ein halbes Jahr oder vielleicht ein Jahr, um Abstand zu gewinnen. Die Lust kommt allmählich zurück und die Motivation“, sagte Löw.