Wolfsburg. Joachim Löw wird vor dem Spiel gegen Liechtenstein durch ein Spalier von 2014er-Weltmeistern als Bundestrainer verabschiedet.
Es ist nicht bekannt, ob Joachim Löw zu den 14 Millionen Deutschen gehört, die am vergangenen Samstag „Wetten, dass…?“ geguckt haben. Die Messehalle 2 in Nürnberg war ein überdimensionales Schwimmbad, gefüllt mit wohltuender Nostalgie. Abba war da, ein Hund, der Müll trennen konnte, ein Bagger – und natürlich der Titan des guten Gesterns: Thomas Gottschalk.
Wenn an diesem Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) die deutsche Nationalmannschaft in Wolfsburg auf Liechtenstein trifft, dann dürften sich die 26.000 Fans und die Millionen TV-Zuschauer ebenfalls auf einen Titan des guten Gesterns freuen: auf Löw. Der ewige Jogi, bis zum Sommer 17 Jahre lang beim DFB beschäftigt, davon 15 als Bundestrainer, wird direkt vor den Nationalhymnen offiziell verabschiedet. Für wohlig warme Wehmutsgedanken werden dann die 2014er-Weltmeister Miroslav Klose, Sami Khedira, Benedikt Höwedes, Lukas Podolski und Jerome Boateng sorgen. Insgesamt werden mehr als 20 langjährige Wegbegleiter in der VW-Arena erwartet, die für Löw vor dem Anpfiff einen Spalier der guten Laune bilden sollen.
Da die Organisatoren, darunter auch Oliver Bierhoffs Teammanagement-Trainee Höwedes, 2G zur Teilnahme-Bedingung für die große Jogi-Show der Gefühle gemacht haben, dürfen für ein paar Minuten auch Corona, Kimmich und Quarantäne vergessen werden. Auf den beiden Videowänden wird ein Filmchen mit den schönsten Löw-Momenten gezeigt. Weltmeister 2014, Sommermärchen 2006, die WM der jungen Wilden 2010. Am Abend soll dann – unabhängig von der Höhe des mutmaßlichen Sieges gegen Liechtenstein – im Ritz Carlton weitergefeiert werden. Mit den früheren Nationalspielern, den aktuellen Nationalspielern und mit vielen unvergesslichen Momenten. Sechs davon haben enge Löw-Weggefährten dieser Redaktion vorab erzählt, unzählige weitere werden an diesem Abend folgen. Wetten, dass…
Moment 1: Sami Khedira
„Ich habe sehr viel erlebt mit Jogi: Wir haben uns gestritten, hatten uns wieder lieb, haben diskutiert, lagen uns in den Armen. Aber meinen persönlichen Jogi-Moment werde ich nie vergessen: Als ich mir im Länderspiel gegen Italien im November 2013 das Kreuzband gerissen hatte, war ich natürlich am Boden. Jeder, der rechnen konnte, wusste, was dieser Kreuzbandriss eigentlich bedeutet: Bei einer normalen bis guten Heilung von sechs bis sieben Monaten schien die Teilnahme an der WM sehr, sehr unwahrscheinlich. Ich war dann im Hotel im Rollstuhl, und die ganze Mannschaft kam der Reihe nach, hat mich bedauert und mir Mut zugesprochen. Aber Jogi war der einzige, der gar nicht so niedergeschlagen war. Er hat noch im Hotel von Mailand gesagt, dass er mir bis zum letzten Tag einen Platz im Kader freihält. Ich soll nur alles für meine Genesung tun – und dann würde es schon klappen. Und genau so war es. Jogi hat Wort gehalten und hat mir durch seine motivierende Worte viel Kraft für die Reha gegeben. Ich wusste auch, dass wir mit dieser Mannschaft und diesem Trainer Weltmeister werden könnten. Und da wollte ich unbedingt dabei sein.“
Moment 2: Oliver Bierhoff
„Einer unserer schönsten Momente war der Abend nach dem WM-Sieg in Brasilien. Wir saßen zusammen auf der Hotelterrasse bei schönem, warmem Wetter. Und auf einem großen Felsen wurde der vierte Stern beleuchtet. Da haben wir uns einfach nur umarmt und gefreut. Uns war klar, dass dieser vierte Stern das Ergebnis einer langen, gemeinsamen Reise war.“
Moment 3: Miroslav Klose
„Es gibt nicht diesen einen besonderen Moment für mich, es waren einfach zu viele großartige Momente. Und es war dieses absolut positive Gefühl, mit Jogi zu arbeiten. Es hat einfach super gepasst, und ich weiß, was ich ihm zu verdanken habe.“
Moment 4: Marcell Jansen
„Sicherlich gibt es nur wenige Trainer, von denen ich so viel lernen durfte wie von Jogi Löw. Bereits bei der Heim-WM 2006 hat er uns taktisch geschult, unter ihm hatte ich die größte Lernkurve. Doch was mir am meisten bei Jogi imponierte: Ausgerechnet in einem meiner schwersten Momente zeigte er Größe und Wertschätzung, die ihn selbst auszeichnete. Ich hatte mir in einem der letzten Testspiele vor der WM 2014 im März gegen Chile in Stuttgart die Bänder gerissen – und trotzdem noch eine geringe Rest-Hoffnung, doch noch bis zur WM fit zu werden. Jogi Löw verabredete sich dann mit mir und erklärte mir sehr einfühlsam, dass er mich aufgrund meines angeschlagenen Fußes leider nicht nach Brasilien mitnehmen konnte. Einerseits zerbrach ein Traum von mir, andererseits war ich Jogi extrem dankbar für die respektvolle Art und Weise, wie er mir mein WM-Aus erklärte. Es fiel ihm sehr schwer, mir die Entscheidung zu erläutern, wodurch es mir einfacher fiel, ihm und dem Team alle Daumen zu drücken.“
Moment 4: Benedikt Höwedes
„Jogi ist ein sehr herzlicher Mensch, der es herausragend verstanden hat, eine gute Atmosphäre und eine gute Balance innerhalb der Mannschaft zu schaffen. Gerade mit Blick auf die Turniere ist es ihm gelungen, die richtige Mischung aus Individualisten, aus Teamplayern, aus Extrovertierten und Introvertierten, aus Jungen und Älteren zu finden, damit sich ein echtes Team entwickeln konnte. Dafür hatte er ein feines Gespür. Dazu kam eine Spielphilosophie, die er über die Jahre entwickelt hat: mit viel Spielfreude und mitreißendem, erfolgreichem Fußball. Jogi hat immer gut einschätzen können, was er aus den ihm zur Verfügung stehenden Kadern herausholen konnte und was wichtig war für den Erfolg, beispielsweise in Brasilien vor allem eine stabile Defensive. Ich persönlich habe ihm wahnsinnig viel zu verdanken, weil er mich auf einer Position eingesetzt hat – und das über jede Sekunde bei der WM 2014 –, die niemand, selbst ich nicht, für mich gesehen habe. Unser Verhältnis war von Verlässlichkeit, Loyalität und hoher Wertschätzung geprägt.“
Moment 6: Mario Götze
„Der alles überstrahlende Moment – Zitat und Ablauf sind ja hinlänglich bekannt – war natürlich die Einwechslung in der 88. Minute im Finale der WM 2014 in Brasilien und seine Überzeugung, mich in dieser Situation ins Spiel zu bringen. Dennoch ist mir vor allem meine erste Nominierung gegen Schweden im November 2010 und die Anfangszeit in der Nationalmannschaft in besonderer Erinnerung. Weil ich in jedem Gespräch gespürt habe, dass er trotz meines jugendlichen Alters großes Vertrauen in mich setzt. Diese Wertschätzung von Jogi hat mich immer beflügelt.“