Wolfsburg. Die deutsche Nationalmannschaft trifft an diesem Donnerstag auf Liechtenstein. Pierre Littbarski trainierte dort einst den FC Vaduz
Hermann Gerland ist nicht nur ein Tiger, sondern auch ein Fuchs. Einer, der seit jeher ein Gespür für Entwicklungspotenziale von Fußballtalenten hat und auch vor rund zwölfeinhalb Jahren den richtigen Riecher bewies. Da klingelte das Telefon des damaligen Co-Trainers des FC Bayern, Pierre Littbarski rief an. „Du, Tiger“, sagte der frühere Trainer des FC Vaduz, „was ist mit dem Thomas Müller?“
Der Münchener Angreifer pendelte zwischen Amateur- und Profimannschaft hin und her, deswegen wollte ihn Littbarski, der Weltmeister von 1990, mit einem Stammplatz nach Liechtenstein locken. Aber: „Da kommst du eine Idee zu spät“, antwortete Gerland. Müller blieb in München, wurde Stammspieler, Raumdeuter, Allesgewinner.
Dabei hätte Müller auch in Vaduz alles haben können, was er so braucht: „Berge zum Skifahren, Idylle, Pferde und einen Stammplatz. Das wäre alles dagewesen“, erzählt Littbarski lachend. Am Donnerstagabend begegnet Müller den Liechtensteinern: Die DFB-Elf empfängt den Außenseiter zum WM-Qualifikationsspiel in Wolfsburg (20.45 Uhr/RTL).
Von Yokohama bis Vaduz
Littbarski wird auf der Tribüne sitzen, den Deutschen die Daumen drückend, aber auch in Erinnerungen schwelgend. „Das kommt alles hoch“, sagt er. Von November 2008 bis April 2010 arbeitete er als Cheftrainer und Sportdirektor in Personalunion beim FC Vaduz, dem Serienmeister, der damals im Schweizer Oberhaus spielte. Es waren eineinhalb Jahre, in denen der heute 60 Jahre alte Klubrepräsentant des VfL Wolfsburg zur Ruhe kam.
Seine Vorgeschichte spielt zum Verständnis eine gewichtige Rolle. Littbarski trainierte in Yokohama, in Sydney und unmittelbar vor seinem Amtsantritt in Vaduz beim Saipa FC im Iran. Dort sei er aber überwacht und von Ex-Profi und Volksheld Ali Daei angegangen worden, außerdem herrschte eine enorme Sprachbarriere. Kurzum: Das Arbeiten war unruhig und am Ende unmöglich. „Daher war ich wohl auf der Suche nach einem ruhigeren Platz, an dem mich jeder versteht und andersherum“, sagt Littbarski.
Extreme Lebensqualität ohne jegliche Hektik in Vaduz
Vaduz also, die 5000-Seelen-Hauptstadt Liechtensteins, idyllisch gelegen zwischen den Bergen der Alpen, mit „einer extremen Lebensqualität ohne jegliche Hektik“. Und mit Ruhe. Viel Ruhe. „Samstags ab 13 Uhr waren alle Supermärkte dicht, die Restaurants ab spätestens 20 Uhr. Erst ab Montagmittag hat alles wieder geöffnet“, erinnert sich Littbarski, der damals das Gefühl hatte: „Wenn man hier mal verloren geht, wird man nie wiedergefunden. Das ist eine isolierte Welt, in der das Rad der Zeit jahrzehntelang stillstand.“
Nach dem Chaos im Iran kam ihm die Gemächlichkeit in Vaduz aber gerade recht. Ruhe kann aber auch laut werden, wenn man in Großstädten wie Berlin, Köln, Yokohama oder Sydney gelebt hat, in denen der Puls der Stadt den Rhythmus des Lebens bestimmt, und dann in der Pampa lebt. Und sie kann auch nerven, wenn sie die Entwicklung behindert.
Denn der Puls des FC Vaduz schlug deutlich langsamer als Littbarskis, der als Profi jahrelang auf höchstem Niveau unterwegs gewesen war. Erst nach und nach lernte er die Einstellung der Leute zu nehmen. „Wenn ich das schneller verstanden hätte“, sagt er, „wäre ich vielleicht länger geblieben.“ Immerhin lernte er etwas. „Man muss seinen eigenen Stil anpassen können, ohne sich selbst zu verändern.“ Das gelte für den Fußball wie fürs Leben.
Co-Trainer Felix Magaths in Wolfsburg
Nach gut eineinhalb Jahren ging Littbarski zurück nach Deutschland, zwei Monate später fing er als Co-Trainer Felix Magaths in Wolfsburg an, wo er noch immer lebt.
Am Donnerstag schaut sich der 73-malige Nationalspieler und Weltmeister von 1990 seine Nachfolger an. „Aber natürlich blicke ich auch auf die Liechtensteiner, die meinem Eindruck nach eine kleine Entwicklung genommen haben in den vergangenen Jahren.“
Neben Thomas Müller kontaktierte Littbarski als Vaduz-Trainer übrigens noch die Weltklasse-Stürmer Henrik Larsson, Dwight Yorke und Davor Suker – allesamt erfolglos. „Als ich Suker unser Angebot am Telefon unterbreitete, sagte er nur: ,Da fehlen zwei Nullen’. Dann habe ich mich fürs Gespräch bedankt und aufgelegt. Ich hab’s immerhin versucht.“