Krefeld. Der Bundestrainer spricht im Interview über den Deutschland Cup, die Winterspiele in Peking, Leon Draisaitl - und die eigene Zukunft.
Auf der Autofahrt nach Krefeld hat Bundestrainer Toni Söderholm (43) beste Laune, das ist auch durch das Telefon deutlich zu hören. Am Niederrhein trifft die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) am Donnerstag beim Deutschland-Cup auf Russland (19.45 Uhr/Sport 1). Am Samstag und Sonntag stehen zwei weitere Partien gegen die Schweiz und die Slowakei an. Noch ohne die Nordamerika-Profis wie Leon Draisaitl (26) will der Finne Söderholm die Grundlagen für den eigentlichen Höhepunkt des Winters legen: die Olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 22. Februar 2022).
Herr Söderholm, wie sind Ihre Gedanken vor dem Deutschland-Cup?
Toni Söderholm: Die Vorfreude ist natürlich sehr groß. Ich hoffe, dass viele Zuschauer kommen werden. Wir haben es auch schon bei den ersten Spielen in der DEL gesehen: Die Fans gehören einfach dazu.
Was sind die Herausforderungen auf dem Weg zu den Olympischen Spielen?
Das Gute ist, dass wir bei Olympia nur ein oder zwei Spieler dabeihaben werden, mit denen ich noch nicht gearbeitet habe. Dahingehend haben wir einen kleinen Vorteil. Wir müssen aber effizient arbeiten, eine Balance finden zwischen Olympia als Erlebnis – und dem Hauptgrund, warum wir da sind, nämlich sportlich erfolgreich zu sein.
Und wie schafft man das? Einige Spieler stoßen ja erst wenige Tage vor dem Turnier zum Team.
Unter diesen Voraussetzungen können wir nicht die Zeit komplett mit Tagesplänen füllen, das bringt gar nichts. Die Spieler brauchen Raum zum Atmen, die wissen schon, warum sie da sind. Und was alles rund um Taktik betrifft: Da bin ich zuversichtlich, dass wir das schon hinbekommen.
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Klingt ziemlich selbstbewusst.
Wir dürfen nicht glauben, dass sich die Dinge von alleine regeln, sondern müssen aufpassen, dass wir konzentriert und hungrig bleiben. Die Spieler wissen, was sie können und auch was gemeinsam möglich ist. Die Mannschaft geht sowieso mit dem Gedanken ins Turnier, dass sie alle Möglichkeiten hat, den Jackpot zu holen. Es gibt auch keinen Grund, anders zu denken.
Aber?
Es ist ein Prozess, bei dem man nicht weiß, wie lange er dauert. Sowohl für den Deutschland-Cup als auch die Olympischen Spiele gilt: Wir wollen alle Spiele gewinnen; aber es kann auch sein, dass man mal verliert. Niederlagen wie bei der WM kann man ja auch nutzen und die richtigen Lehren daraus ziehen. Das ist uns gelungen. Wir müssen einfach konzentriert bleiben und daran denken, dass unsere Zeit immer mehr kommt.
Schon bei den Peking-Spielen?
Vom Level her wird das natürlich ein anderes sein als die vergangenen Turniere. Es treffen sich diesmal die besten Spieler der Welt. Wir gehen definitiv als Herausforderer rein, wissen, was wir können. Und auch, dass die Goldmedaillen nicht in Spiel eins vergeben werden, auch nicht im zweiten. Wir müssen schauen, dass wir in den K.o.-Spielen uns so entwickelt haben, dass wir in der Lage sind, gegen jeden Gegner zu gewinnen.
Das hatten sich viele ja schon für die WM erhofft, als die Mannschaft viele Fans begeisterte, aber knapp im Halbfinale Finnland unterlag und letztlich Platz vier belegte. Ist es Ihnen schwergefallen, die Enttäuschung über die verpasste Medaille zu verarbeiten?
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Nach der WM 2019 bin ich sofort zur Analyse übergangen, diesmal aber brauchte ich Abstand, um die Emotionen ein bisschen runterkommen zu lassen.
Was hilft Ihnen dabei?
Der Alltag, mehr brauche nicht ich. Mit der Familie habe ich einige Wochen in unserem Sommerhaus in Finnland verbracht, das rund eine Stunde und 20 Minuten außerhalb von Helsinki liegt, am Wasser, im Wald, mitten in der Natur – da gibt es immer etwas zu tun, aber man bekommt seine Ruhe.
Vor wenigen Wochen haben Sie beim NHL-Klub Florida Panthers hospitiert. Was haben Sie an Wissen mitgenommen?
Vor allem die Gewissheit, dass wir in Deutschland und beim Verband auf dem richtigen Weg sind, sei es bei Taktik oder Menschenführung. Es gibt aber auch Sachen, die wir noch verbessern müssen. Und ich war ja nicht für mich da, sondern für alle anderen Bundestrainer, denen ich das Wissen weitergebe.
Die NHL erschüttert ein Missbrauchsskandal. Diverse Personen mussten zurücktreten, darunter auch der Trainer der Panthers. Was sind ihre Gedanken dazu?
Anscheinend ist es so, dass in der Gesellschaft – nicht nur im Sport und im Eishockey – Leute in Führungspositionen sind, die ihre Macht nicht richtig nutzen. Das muss sich möglichst schnell ändern. Kein Mensch hat es verdient, sich so behandeln lassen zu müssen.
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Bei Ihrem Aufenthalt in den USA sind sicher auch Ihnen viele Fragen zum deutschen Eishockey gestellt worden, oder? Schließlich haben sich Talente wie der 20 Jahre alte Moritz Seider bei den Detroit Red Wings ins Rampenlicht gespielt.
Die Anerkennung für das deutsche Eishockey ist auf jeden Fall gestiegen, das Interesse daran auch. Wenn man Erfolg hat und Talente hervorbringt, kommen schnell die Fragen: Wie habt ihr das gemacht?
Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers ist das Aushängeschild und ein Eishockey-Superstar in Nordamerika. Wissen eigentlich die Leute in Deutschland, wo Eishockey eher zu den Randsportarten zählt, wie gut er wirklich ist?
Die, die es nicht wissen, werden es bald herausfinden (lacht). Seine Mannschaft gewinnt jetzt regelmäßig, hatte einen brutalen Start in die Saison. Ich glaube, man muss schon lange suchen, bis man einen deutschen Sportler im Weltsport findet, der sein Team so geführt hat, wie es Leon in den vergangenen fünf Jahren getan hat. Er ist einfach einer der Besten der Welt, das muss man so sagen.
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Ihr Vertrag als Bundestrainer läuft Mitte nächsten Jahres aus. Wie geht es weiter?
Die Arbeit beim DEB macht sehr viel Spaß, ich bin stolz darauf, dass der Verband mir die Möglichkeit gegeben hat. Ich habe auf jeden Fall Interesse daran, weiter zu machen. Noch aber haben wir keine Entscheidung getroffen. Es geht nicht nur um mich, es kann ja auch sein, dass der Verband andere Pläne hat.
Ist Ihr Ziel weiterhin die NHL?
Welcher Trainer möchte nicht irgendwann in der besten Liga der Welt arbeiten? Allerdings ist es als europäischer Trainer unheimlich schwierig, in die NHL zu kommen. Da braucht man Glück, dass es zeitlich passt.