München. Beim 1:2 gegen Frankfurt rächte sich erstmals Bayerns extreme Vorwärtsverteidigung. Nun wartet auch noch das konterstarke Leverkusen.
Viel war eigentlich nicht passiert, dieser Gedanke könnte Julian Nagelsmann auch am Montag beim Sporttreiben ein wenig beruhigt haben. Nach einer Niederlage sei er gerne körperlich aktiv, um dadurch hoffentlich auf gute Ideen zu kommen, hatte der Trainer des FC Bayern am Sonntagabend erzählt, nachdem er im elften Pflichtspiel mit seiner neuen Mannschaft erstmals verloren hatte.
Frankfurt bestraft Defizite der Bayern
Das ungewohnte Gefühl nach dem 1:2 (1:1) gegen Eintracht Frankfurt nagte erkennbar an Nagelsmann und den Münchnern, wenngleich ja vordergründig nicht viel passiert war. Sie bleiben Tabellenführer der Bundesliga während der Länderspielpause, ehe sie danach vom punktgleichen Zweiten Bayer Leverkusen empfangen werden.
Und doch ließ sich die erste Heimniederlage der Bayern seit fast zwei Jahren, seit einem 1:2 gegen eben jene Werkself, als Warnung interpretieren. Von der Eintracht waren ja jene Defizite erstmals bestraft worden, die sich schon mehrfach beobachten ließen, auch beim 5:0 gegen Dynamo Kiew am vergangenen Mittwoch in der Champions League. Die Ukrainer hatten es nicht vermocht, aus der Konteranfälligkeit der Bayern Kapital zu schlagen.
Manuel Neuer patzt, sein Gegenüber Kevin Trapp glänzt
Anders als Frankfurts Filip Kostic, der in der 83. Minute zumindest einen der vielen nicht gut ausgespielten Konter vollendete und den überraschten Torwart Manuel Neuer mit einem Linksschuss samt Aufsetzer schlechter aussehen ließ als dessen Gegenüber Kevin Trapp, der viele Chancen der Bayern teils herausragend pariert hatte. Nur Leon Goretzka war sein erstes Saisontor vergönnt gewesen (29.), ehe Martin Hinteregger umgehend ausglich (32.).
„Am Ende ist es immer tödlich, wenn du im Vier-gegen-Eins im Aufbau spielst und in der vordersten Linie die anderen sechs Spieler hast“, analysierte Nagelsmann. Denn dann gebe es „ein großes Loch in der Mitte, und über dieses Loch hat Eintracht Frankfurt, auch Greuther Fürth und auch Kiew das ein oder andere Mal umgeschaltet.“
Bayern-Spieler wirkten zum Schluss müde
In der ersten Halbzeit hatte Bayerns extreme Vorwärtsverteidigung noch funktioniert. Doch je länger das Spiel dauerte, desto ermüdeter wirkten sie von ihrem hohen Laufaufwand. Mit Borussia Dortmund haben sie den meisten Ballbesitz der Liga, zugleich liegen die Münchner nach gelaufenen Kilometern auf Platz sechs, eine eher ungewöhnliche Kombination.
Vor allem aber stehen sie bei den besonders anstrengenden Sprints auf Platz eins und bei den intensiven Läufen auf Platz drei. Werte, die auf einen eher unökonomischen Stil für ein Spitzenteam hindeuten. Im Verein fürchten sie schon länger, dass die kräftezehrende Spielweise auch Folgen haben könnte, wenn es im Frühjahr um die Titel geht.
Das Überrollen des Gegners klappte nicht
Es sind die Risiken der Raserei, die schon mehrfach zu erkennen waren, die nun aber erstmals bestraft wurden. Im Idealfall wird der Gegner mit diesem Stil überrollt, was den Bayern ja auch schon mehrfach gelungen war. „Dann stehen wir wieder hier und singen Super-Bayern“, sagte Thomas Müller, „so ist es jetzt nix mit Super-Bayern.“ Klappt das Überrollen nicht, wird es mit jeder Minute schwieriger, das Spiel zu gewinnen – wie diesmal.
Mit zunehmender Ermüdung wurde Frankfurt nicht mehr so aggressiv bedrängt, die Bayern kamen immer öfter zu spät oder sie schritten gleich gar nicht mehr energisch ein. Exemplarisch dafür stand das Gegentor, bei dem mehrfach der Moment verpasst wurde, den Frankfurter Konter zu unterbinden.
Ball wollte einfach nicht in Frankfurts Tor gehen
Stattdessen wirkten die Münchner ermattet und ließen die Gegenspieler gewähren. Dayot Upamecano tapste als letzte Instanz nur noch kraftlos in Richtung Kostic, erreichte den Torschützen aber gar nicht erst. Gewiss war zuvor viel zusammengekommen, dass der Ball einfach nichts ins Frankfurter Tor gehen wollte, weil mal der Pfosten und immer wieder Trapp teils spektakulär im Wege stand. Und doch deutete auch die mangelnde Effizienz eine weitere Gefahr der sehr laufintensiven Spielweise an: Die Ermüdung nach vielen Sprints verschlechtert die Koordination und Konzentration im Abschluss.
Aus Sicht der Münchner musste auch die Analyse von Frankfurts Trainer Oliver Glasner nach dem ersten Saisonsieg in der Bundesliga und dem ersten der Eintracht beim FC Bayern seit fast 21 Jahren wie eine Warnung klingen. Nicht nur, dass er auf seine Abwehr verwies, die so noch nie zusammengespielt habe. Man habe nach der Videoanalyse des Münchner 5:0 gegen Kiew auch gezielt auf Konter gespielt, weil die Innenverteidiger oft extrem hoch aufrücken, erklärte Glasner.
Frankfurts Trainer Glasner sieht sich bestätigt
Zudem habe man gewusst, dass man viele Konter bekommen werde. Nur am Ausspielen hatte es gehapert. „Wenn wir das wirklich gut machen, hätten wir noch drei, vier, fünf Mal alleine auf Manuel Neuer laufen können“, sagte Glasner.
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Hinzudenken ließ sich: Einer besseren Mannschaft wäre das wohl gelungen, und dann hätte sich dieses zunächst so dominant geführte Spiel mit den vielen Chancen für die Bayern für sie noch seltsamer angefühlt als ohnehin. Darüber dürfte auch Nagelsmann beim Sporttreiben am Montag nachgedacht haben. Ob ihm dabei gute Ideen gekommen sind? Das könnte sich bei den konterstarken Leverkusenern zeigen.