Bielefeld/Leverkusen. Bayer Leverkusen empfängt Bayern München am 17. Oktober auf Augenhöhe zum Spitzenspiel. Der Werksklub ist mit Trainer Gerardo Seoane im Aufwind.

Die nächste kleinere Unterbrechung im Ligabetrieb kommt Gerardo Seoane eigentlich ganz gelegen. Nach dem souveränen 4:0 am Sonntagabend in Bielefeld machten sich viele Leverkusener Kicker auf den Weg zu ihren Nationalteams – was ihr Vereinscoach durchaus goutierte. „Den Spielern wird eine Luftveränderung oder auch eine Verschnaufpause gut tun“, erklärte Seoane, warum er über die Länderspielpause „nicht traurig“ ist. Doch ehe das zuletzt so erfolgreiche Rasenpersonal in alle Himmelsrichtungen entschwand, knöpfte sich der 42-Jährige noch einen Reisenden vor.

Bayers tschechischer Doppel-Torschütze Patrik Schick hatte seinen ersten Treffer mit Muskelspielchen im Stile eines Bodybuilders zelebriert und den Arminia-Anhang damit mächtig gereizt. „Diese Jubelpose vor den Bielefelder Fans war unglücklich, dafür Entschuldigung von unserer Seite. So etwas sollte nicht vorkommen“, betonte der Übungsleiter aus der Schweiz – der damit einmal mehr unterstrich, dass ihm Demut bei seinen Spielern genauso wichtig ist wie Solidarität auf dem Platz und die von ihm immer wieder eingeforderte Bereitschaft, sich ständig verbessern zu wollen.

Punktgleich mit dem FC Bayern

Die Leverkusener Profis machte Seoane in den drei Monaten seit seiner Ankunft im Rheinland mit dem Trainer-Mantra ‚Fördern und fordern‘ fürs Erste so gut, dass sie Serienmeister München nach der Länderspielpause auf Augenhöhe empfangen. Der einzige Unterschied zwischen dem Liga-Ersten und -Zweiten beim Gipfeltreffen am 17. Oktober besteht in den vier Toren, die der FC Bayern mehr geschossen hat. Und Seoane darf sich in seinen forschen Aussagen aus der Anfangsphase der Saison bestätigt sehen.

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„Wir können alle Wettbewerbe sehr ambitioniert angehen“, betonte der gebürtige Luzerner, als der Vorjahressechste gerade mal die erste Pokalrunde (bei Viertligist Lok Leipzig) überstanden und in den ersten beiden Ligapartien bei Union Berlin und gegen Gladbach vier Punkte eingesammelt hatte. Seit dem 3:4-Spektakel gegen Dortmund vor drei Wochen gewann Leverkusen alle fünf Pflichtspiele in Bundesliga und Europa League. Und dank Seoanes pragmatischem, bei Bedarf auch mal defensivem Coaching entscheidet die Werkself im Herbst 2021 selbst enge Spiele wie in Stuttgart und gegen Mainz für sich.

Das war in der Vergangenheit unter dem Bayer-Kreuz längst nicht immer der Fall – und parallel zu dieser Entwicklung veränderte sich auch das Gesamtbild der Mannschaft. Denn so höflich-nüchtern, wie er die Auftritte seines Teams stets bewertet, analysierte Seoane nach seiner Verpflichtung im Mai gemeinsam mit den sportlich Verantwortlichen bei Bayer auch die Zusammensetzung des Kaders und dessen Schwachstellen. Das Ergebnis: „Wir haben Spieler nach diesem Profil ausgesucht – ein bisschen mehr Physis, die Stärke ein bisschen anders ausgerichtet als nur Dribbling und Tore. Sondern auch Wucht, Zweikampfstärke und Größe“, sagt Seoane.

Seoane beherrscht sechs Sprachen fließend

Entsprechend holte der Werksklub robuste, kantige Typen wie Mitchel Bakker, Piero Hincapie, Robert Andrich oder Odilon Kossounou an Bord. Als neue Rädchen im System eines Mannes, der sechs Sprachen fließend beherrscht und seiner Trainerkarriere gleich zu Beginn eine Leitwährung gab: mutig zu sein, mutige Entscheidungen zu treffen.

Jubelt vor den Bielefeld-Fans: Leverkusens Patrik Schick nach seinem ersten Treffer.
Jubelt vor den Bielefeld-Fans: Leverkusens Patrik Schick nach seinem ersten Treffer. © firo

In der Verfeinerung dieses persönlichen Grundsatzprogramms legt Bayers Bank-Vorstand großen Wert auf eine gute Kommunikation mit den Spielern – und auf gemeinsame Werte. Wenig verwunderlich ist es daher, dass Seoane (drei Meisterschaften und ein Pokalsieg mit den Young Boys) als sein Trainervorbild Ottmar Hitzfeld nennt. An dessen noblem Verhalten, an seiner Zielstrebigkeit und Souveränität in der Teamführung orientiert sich Leverkusens neuer Coach. So dass Mittelfeldkraft Kerem Demirbay – einer derjenigen, die unter Gerardo Seoane richtig aufblühen – schon vor einem Monat feststellte: „Wir sind eine Einheit, da bildet sich etwas heraus.“