Tokio. Mit dem vierten Olympiasieg ist es nichts geworden für Sebastian Brendel. Doch auch die Bronzemedaille ist eine Bestätigung.
Sie haben ihre mächtigen Arme umeinander gelegt und lassen den jeweils anderen für eine ganze Weile nicht mehr los. Sie stützen einander und gaben sich Kraft, hier draußen, wo alle wissen wollen, ob Bronze denn nun zufriedenstellend sei, genauso wie kurz zuvor in ihrem superschmalen Boot, in dem sie zusammen Wind und Wellen und immerhin fünf Finalgegnern trotzten.
Ein kubanisches und ein chinesisches Duo allerdings waren am Dienstag auf dem Sea Forest Waterway im Zweiercanadier über 1000 Meter schneller als die Deutschen. Sergey Torres Madrigal und Fernando Dayan Jorge Enriquez siegten vor den Weltmeistern Liu Hao und Zhen Pengfe sowie Sebastian Brendel aus Potsdam und Tim Hecker aus Berlin.
Die Strecke der Kanuten: Nicht schön, aber schnell
Ein idyllischer Ort ist diese olympische Regattastrecke in Tokio nicht, auf der nun noch bis Samstag die Entscheidungen im Kanurennsport fallen. Sie liegt in einer Art Industriegebiet, dicht an einer vielbefahrenen Autobahnbrücke, mitten in der Einflugschneise des Flughafens. Das Wasser ist alles andere als erfrischend, aber schnell. Deutlich über 30 Grad warm und salzig, das lässt die Boote flutschen wie im Seifenbad.
Doch zum Auftakt der Finalrennen peitschte ein mächtiger Wind das Wasser auf und fegte die deutschen Goldhoffnungen und auch alle weiteren Medaillenträume des Tages gleich mal davon. Brendel geschlagen? Seit 2012 der unangefochtene Canadier-König, dekoriert mit zwei Einer-Olympiasiegen und einem im Zweier sowie vielfacher Weltmeister. Das kommt einer Majestätsbeleidigung gleich. Kein Wunder also, dass Brendl und Hecker einander festhalten, um das zu verarbeiten.
Brendel ist stolz, "etwas zählbares zu haben"
Doch siehe da, je mehr Interviews sie geben, desto überzeugender tragen sie Zufriedenheit vor: „Wir sind sehr glücklich mit Bronze. Das Rennen war stark und wir haben umgesetzt, was wir können, wir sind stolz, etwas Zählbares zu haben.“ So lautet die Version von Brendel. Die von Hecker klingt so: „Im Ziel hätte ich fast gekotzt.“
Die Chinesen begannen das Rennen sehr schnell, die Kubaner und die Deutschen mussten kämpfen, um nicht zu sehr den Anschluss zu verlieren. Aber Brendl ist ja bekannt für seinen unwiderstehlichen Endspurt. Darauf war bisher immer Verlass. Er kam auch, der Endspurt, ebenso wie ein leichter Einbruch der Chinesen. Doch dann hatte Kuba die Nase vorn und Deutschland das Nachsehen.
Schopf verpasst als Vierter die Überraschung
Im Kajak-Einer verpasste der 22 Jahre alte Jacob Schopf (Berlin) die Überraschung, er wurde mit 76 Tausendstel-Sekunden Rückstand Vierter. Gemeinsam mit dem Essener Olympiaveteranen Max Hoff (38) hat er jedoch am Mittwoch (Vorläufe)/Donnerstag (Halbfinale, Finale) noch eine zweite Chance mit guten Medaillenaussichten. Der Kajak-Zweier der Frauen mit Sabrina Hering-Pradler (Hannover) und Tina Dietze (Leipzig) war am Dienstag im Finale chancenlos.
Und Brendel? Der 34-Jährige zog schließlich sichtlich versöhnt mit dem Ergebnis seines Tagwerks davon. Der zehn Jahre jüngere Hecker sitze ja erste sein anderthalb Jahren mit ihm in einem Boot. Da wackelt es halt noch ein bisschen bei schweren Bedingungen. Aber Brendel hat ja auch noch eine weitere Chance. Den Einer am Freitag und Samstag. Dort könnte ihm allerdings ein anderer deutscher Debütant seinen dritten Einzel-Olympiasieg in Folge verderben: Der 25 Jahre alte Conrad Scheibner aus Berlin, immerhin schon Weltmeister von 2019.