Tokio. Im Finale ohne Abwurf: Als erste Frau hat die deutsche Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski Gold in der Einzelwertung gewonnen.

Drei Stunden zuvor konnte sie es kaum abwarten, wieder reiten zu dürfen. Julia Krajewski und Amande de B’Neville waren im Flow, im Gold-Flow. Und jetzt, als ihr Olympiasieg im Vielseitigkeitsreiten endlich feststeht, der erste einer Frau, kann die 32-Jährige aus Warendorf es kaum erwarten, endlich aufs Podest zu dürfen. Sie zappelt mit den Beinen und zuppelt am Jackett. Dann ist sie endlich dran, springt mit ähnlicher Energie aufs oberste Treppchen wie ihre Stute, genannt „Mandy“, in den letzten beiden Prüfungen des Wettbewerbs am Montag über die Hindernisse.

Amande, von ihrer Reiterin auch schon mal als kleine Zicke beschrieben, steht derweil gelassen hinter dem ihr zugewiesenen Blumentopf, kuschelt ein bisschen mit Pflegerin Sandra Decker und wartet ab. Das tut nicht jedes Pferd an diesem Abend, das die Prozedur der Siegerehrung noch über sich ergehen lassen muss. Manch eines muss in Bewegung gehalten werden. Amande zeigt ihre Kraft erst wieder beim Ehrenritt rund um den Parcours.

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Mannschaft belegt Platz vier

„Das ist Wahnsinn, ich habe das alles noch nicht realisiert, ich bin unfassbar stolz auf mein Pferd“ – so und ähnlich diktiert Julia Krajewski ihre Freude anschließend ein ums andere Mal in die Mikrofone. „Das ist wie das Happy End in einem eigentlich schlechten Film.“

Mit Gold für Deutschland im Vielseitigkeitsreiten hatten ja viele gerechnet. Mit Einzel-Gold für Julia Krajewski aber eher niemand. Nicht mal sie selbst. Unter die Top fünf habe sie kommen wollen, erzählt sie und muss immer wieder ihre Tränen trocknen. Doch Michael Jung (Orb), Olympiasieger der vergangenen beiden Ausgaben in London 2012 und Rio 2016, nach der Dressur mit seinem Wallach Chipmunk noch in Führung liegend, verspielte seine Medaillenchancen bei der Geländeprüfung und wurde am Ende Achter. Da Sandra Auffarth aus Ganderkesee, die dritte Reiterin in der deutschen Mannschaft, sich mit Viamant ebenfalls einige Fehler leistete, blieben die Deutschen in der Team-Wertung ohne Medaille. Sie wurden Vierte hinter Großbritannien, Australien und Frankreich.

Noch Anfang des Jahres spielte Olympia keine Rolle in den Plänen von Julia Krajewski. Sie hatte einen dunklen Winter hinter sich. Ihr Pferd Samurai du Thot erkrankte schwer, am Ende musste ihm ein Auge entfernt werden. Und Anfang des Jahres starb ihr Vater. Dem Pferd geht es wieder gut, aber es wurde in Rente geschickt.

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Beim Gewinn von olympischem Team-Silber vor fünf Jahren in Rio verweigerte der von Krajewski ausgebildete Wallach Samurai noch in der Geländeprüfung an einem Hindernis und wurde samt Reiterin disqualifiziert – anders als bei diesen Spielen in Tokio gab es damals aber noch ein Streichergebnis, so dass der Mannschafts-Erfolg nicht in Gefahr geriet. Als bei der EM 2017 jedoch eine verbotene Medikation bei Samurai du Thot festgestellt wurde, verlor das Team seine Silbermedaille. Und bei der WM 2018 leisteten sich Krajewski und „Sam“ einen Vorbeiläufer im Gelände, Deutschland verpasste die Medaille.

Die elf Jahre alte Mandy reitet Krajewski seit fünf Jahren. Für olympiareif hielt sie das Pferd Anfang des Jahres aber noch nicht. Sie wollte die Stute langsam auf große Championate vorbereiten. Als diese dann aber „plötzlich so einschlug und abgeliefert hat“, sei sie selbst überrascht gewesen. Zur Belohnung Mandy darf nun zwei Wochen auf die Wiese. Entspannen, grasen, sich dreckig machen. Denn das tägliche Gewaschen-werden, das ihr nicht so gefällt, hat jetzt erst mal ein Ende.