Tokio. Gold verpasst, doch stolz über Silber: Judoka Eduard Trippel holte in Tokio überraschend die erste Judo-Medaille für das deutsche Team.
Fassungslosigkeit hat viele Gesichter, und zwei davon zeigten am Mittwochabend im Nippon Budakan, dem Tempel des Judosports, die beiden Männer, die im 90-kg-Limit um Olympiagold gekämpft hatten. Während der Georgier Lasha Bekauri (21) entrückt lachend ein Stoßgebet gen Himmel sandte, kniete Eduard Trippel neben ihm und starrte ins Leere.
Eine kleine Wertung, Waza-ari genannt, hatte das Finale zugunsten seines Rivalen entschieden, und weil Silber im ersten Moment die Medaille des Verlierers ist, brauchte es Zeit, bis sich der Stolz Bahn brechen konnte.
Trippel erster deutscher Medaillengewinner seit 2012
„Über eine olympische Medaille kann man sich nicht beschweren, ich war nach dem Halbfinale schon so froh“, sagte Trippel, als er sich erholt hatte. Der 24-Jährige aus Rüsselsheim verpasste es zwar, als erster deutscher Judoka seit Ole Bischof im 81-kg-Limit in Peking 2008 Olympiagold zu gewinnen.
Mit seiner Energieleistung, die ihn im Verlauf des Mittwochs – im Judo werden die Medaillen innerhalb eines Tages vergeben – zu Siegen über die höher eingeschätzten Krisztian Toth (Ungarn) und Nemanja Majdov (Serbien) getrieben hatte, sorgte er aber immerhin für zwei historische Fakten. Trippel ist der erste deutsche Medaillengewinner im Judo seit London 2012, und in seiner Gewichtsklasse der erste, seit der Dresdner Marko Spittka 1996 in Atlanta Bronze holte.
Starke Form hatte sich vor Olympia angedeutet
Es sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, mit dem Judo anzufangen, hatte Eduard Trippel in einem Interview vor dem Start der Tokio-Spiele gesagt. Seine aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Mutter habe ihm zu dem aus Japan stammenden „sanften Weg“ – das bedeutet Judo auf Japanisch – geraten, nachdem seine Grundschullehrerin ihn als hyperaktiv bezeichnet und ihm mehr Bewegung verordnet hatte. Diese Einschätzung dürfte sich nach dem Silber-Triumph nun verfestigt haben bei Trippel, der sich in der Ausbildung zum Polizeikommissar befindet.
Seine starke Form hatte sich in den Turnieren auf dem Weg zu Olympia bereits angedeutet. Bronze beim Doha-Masters im Januar, der zweite Rang dann beim Grand-Slam-Event in Kasan im Mai – „das hat mir Selbstbewusstsein gegeben und den Kopf frei gemacht.“ Wie frei, das stellte Eduard Trippel nun am Mittwoch unter Beweis. Seinen Blick richtete er bereits in Richtung Paris, wo in drei Jahren die nächste olympische Goldchance locken könnte. „Ich bin noch lange nicht am Ende“, sagte er.
Goldhoffnung Anna-Maria Wagner startet am Donnerstag
Im Freudenrausch um Trippel ging die ebenfalls starke Vorstellung von Giovanna Scoccimarro ein wenig unter. Die 23 Jahre alte Wolfsburgerin verpasste in der Klasse bis 70 kg Bronze nur knapp, unterlag nach 11:44 Minuten Kampfzeit der Niederländerin Sanne van Dijke durch Ippon im Golden Score.
Die größte deutsche Goldhoffnung, Anna-Maria Wagner (25/Köln), ist am Donnerstag im 78-kg-Limit auf der Matte zu bewundern. Für Aufregung sorgte am Mittwoch zusätzlich ein Video, das Bundestrainer Claudiu Pusa zeigt, wie er der am Dienstag im 63-kg-Limit ausgeschiedenen Kölnerin Martyna Trajdos (32) zwei Ohrfeigen verpasst. Trajdos erklärte dazu, dass dies ein Ritual sei, auf das sie bestehe, um wach zu werden. Dennoch wurde Pusa vom Weltverband IJF wegen „schlechten Verhaltens während des Wettkampfs“ offiziell verwarnt.