Tokio/Essen. Speerwerfer Vetter, Schwimmer Wellbrock und Dressurreiterin Werth gelten bei Olympia als Top-Anwärter. Unsere Olympia-Prognose.

Eins der schönen Dinge am Sport ist seine Unvorhersehbarkeit. Dennoch wird vor dem Start Olympischer Spiele nach Einschätzungen verlangt. Wie viele Medaillen kann das „Team Deutschland“ holen? Wer werden die strahlenden Siegerinnen sein, wer die tragischen Helden? 2016, bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro, belegte Deutschland mit 42 Medaillen – davon 17 aus Gold, zehn aus Silber sowie 15 aus Bronze – den fünften Rang im Medaillenspiegel. Welche der 434 Teilnehmenden in Tokio sind die aussichtsreichsten, um auf dem Siegerpodest die deutsche Hymne zu hören? Diese Zeitung wagt eine Prognose.

"Sichere" Goldmedaillen: Gute Chancen für Vetter und Wellbrock

17 Siege in Serie, siebenmal über die 90-Meter-Marke geworfen, Weltjahresbestweite bei 96,29 Metern gesetzt – es müsste mit dem Teufel zugehen, sollte Speerwerfer Johannes Vetter (28/Offenburg) am 7. August (13 Uhr/alle Zeiten MESZ) den Olympiasieg verpassen. Das Gleiche gilt für Schwimmer Florian Wellbrock. Der 23-Jährige geht am 1. August (3.44 Uhr) als Topfavorit ins Freistilrennen über die 1500 Meter und hat auch im Freiwasser über die 10-km-Distanz am 4. August (23.30 Uhr) beste Siegchancen – die sich noch dadurch erhöhen, dass sein härtester Konkurrent Gregorio Paltrinieri (26/Italien) am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt ist.

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Als Goldbank gelten auch die Dressurreiter. Das gilt sowohl für den Teamwettbewerb am 27. Juli (10 Uhr) als auch für den Einzelwettbewerb einen Tag später (10.30 Uhr). Wenn dort nicht die „Grande Dame“ Isabell Werth aus Rheinberg, die am Mittwoch ihren 52. Geburtstag feierte, ihr zweites Einzelgold nach 1996 in Atlanta gewinnt, kann immer noch Shootingstar Jessica von Bredow-Werndl (35/Aubenhausen) in die Bresche springen – pardon: piaffieren.

Wirft den Speer derzeit am weitesten: Johannes Vetter.
Wirft den Speer derzeit am weitesten: Johannes Vetter. © getty Images

Olympia: Auch die Kanuten und Radfahrer hoffen auf Gold in Tokio

Wahrscheinliche Goldmedaille: Die Kanuten haben das Potenzial, einmal mehr der erfolgreichste Verband im Deutschen Olympischen Sportbund zu werden. Bei den Männern (Rennsport, nicht Slalom) gibt es bei allen Starts Siegchancen (K1, K2, K4 und C1, C2). Der Potsdamer Sebastian Brendel (33), der im Canadier-Einer (7. August, 4.39 Uhr) und Zweier (3. August, 4.54 Uhr) startet, scheint in der Lage, seine vierte und fünfte olympische Goldmedaille zu erringen. Ebenso goldverdächtig sind die Aussichten im Bahnradfahren. Vor allem die Frauen um Dreifachweltmeisterin Emma Hinze (23/Cottbus) haben im Teamsprint, Sprint und Keirin die Chance, um die Titel zu kämpfen. Aber auch das zweifache Weltmeisterduo Roger Kluge (35/Eisenhüttenstadt)/Theo Reinhardt (30/Berlin) geht im Madison (7. August, 9.55 Uhr) mit hohen Zielen an den Start.

Im Schwimmen sollte Sarah Köhler (27/Frankfurt am Main) über 1500 Meter Freistil am 28. Juli (4.54 Uhr) fast so gute Siegchancen haben wie ihr Lebenspartner Wellbrock. Auf Weitspringerin Malaika Mihambo (27/Heidelberg), die 2019 in Doha den WM-Titel gewinnen konnte, ruhen am 3. August (3.50 Uhr) trotz nicht allzu überzeugender Vorleistungen in diesem Jahr ebenfalls große Goldhoffnungen. Nicht fehlen darf in dieser Kategorie der Deutschland-Achter. Das Paradeboot des Deutschen Ruder-Verbands gilt nur deshalb am 30. Juli (3.25 Uhr) nicht als sichere Goldbank, weil nach drei WM- und vier EM-Titeln in Serie ausgerechnet bei der Generalprobe, der EM im April in Varese (Italien), mit Rang vier ein unerwarteter Leistungseinbruch passierte. Und wenn Welt- und Europameister Oliver Zeidler (24/Ingolstadt) mit Wellen und Wind im Tokioter Hafenbecken zurechtkommt, ist auch er am selben Tag im Einerrennen (2.45 Uhr) Goldkandidat.

Goldkandidaten bei Olympia: Klosterhalfen und Kampfsportler sind für Überraschungen gut

Mögliche Goldmedaille: Für das erste deutsche Gold in Japan könnte Radprofi Maximilian Schachmann (27/Berlin) im Straßenrennen am 24. Juli (4 Uhr) sorgen. Die deutschen Hockeyteams gelten angesichts der harten Konkurrenz nicht als Topfavoriten, können bei optimalem Verlauf aber beide um Gold mitspielen. Die Finals sind für 5. August (11 Uhr) bei den Herren und 6. August (11 Uhr) bei den Damen angesetzt. Den deutschen Springreitern ist sowohl im Team (7. August, 19 Uhr) als auch im Einzel (4. August, 11 Uhr) mit dem Weltranglistenersten Daniel Deußer (39/Wiesbaden) sehr viel zuzutrauen.

Konstanze Klosterhalfen gewann bei der WM 2019 Bronze über 5000 Meter - auch in Tokio schielt sie wieder auf eine Medaille.
Konstanze Klosterhalfen gewann bei der WM 2019 Bronze über 5000 Meter - auch in Tokio schielt sie wieder auf eine Medaille. © getty Images

Philipp Buhl (31/Sonthofen) sollte als amtierender Weltmeister in der Laser-Klasse auch in Tokio am 1. August (7.33 Uhr) um Gold mitsegeln. Über 10.000 Meter hat Leichtathletin Konstanze Klosterhalfen (24/Leverkusen) am 7. August (11.45 Uhr) Titelchancen. Tennisprofi Alexander Zverev (24/Hamburg) muss nach den Absagen diverser Topspieler vor allem den Weltranglistenersten Novak Djokovic (34/Serbien) aus dem Feld schlagen (Finale am 1. August um 5 Uhr).

Bleiben noch die Kampfsportarten. Karate-Weltmeister Jonathan Horne (32/Kaiserslautern) hat in der Klasse über 75 Kilogramm am 7. August (13.05 Uhr) ebenso Ambitionen auf den Titel wie Alexander Bachmann (27/Stuttgart) am 27. Juli (14.45 Uhr) im Taekwondo in der Klasse über 80 kg. Und im Judo, der wichtigsten japanischen Traditionssportart, gehen Anna-Maria Wagner (25/Ravensburg) am 29. Juli (10 Uhr) in der Klasse bis 78 kg und Dominic Ressel (27) vom Hamburger JT am 27. Juli (10 Uhr) im Limit bis 81 kg aussichtsreich auf die Matte.