Essen. Nach 106 Länderspielen tritt Toni Kroos aus der deutschen Nationalmannschaft zurück. Unter Löw war er der zentrale Spieler.
Es gibt eine Eigenschaft von Toni Kroos, um die man ihn beneiden kann, für die man ihn bewundern kann: Der Mann bleibt immer ruhig. Egal, was um ihn herum auf dem Platz passiert. Egal, was auf den Rängen los ist. Egal, ob es 3:0 oder 0:3 steht.
Es gibt eine Eigenschaft von Toni Kroos, die einen verrückt machen kann, die man kaum nachvollziehen kann: Der Mann bleibt immer ruhig. Wer sich leidenschaftliche Spieler erhofft, deren eigene Begeisterung auf die Ränge überspringt, wird von ihm enttäuscht. Wer ausgiebige Gefühlsregungen bei Analysen erwartet, ebenfalls.
Das erklärt, warum Toni Kroos kein Liebling der Massen ist. Er will es nämlich auch gar nicht sein. Mit der Attitüde des Selbstsicheren spielt er sein Spiel, dafür will er respektiert werden. Und dieser Respekt ist in der Tat groß, obwohl er oft unnahbar wirkt.
Toni Kroos über seinen Rücktritt: "Eine Entscheidung für die Familie"
Mitspieler geraten ins Schwärmen, wenn sie über seine Fähigkeiten sprechen. Und Trainer, nicht nur Joachim Löw, sehen in ihm eine unersetzliche Zentralfigur.
Hansi Flick, der nächste Bundestrainer, wird allerdings ohne den 31-jährigen Ballstreichler auskommen müssen. Das 0:2 am Dienstag in London gegen England, das den EM-K.o. für Deutschland im Achtelfinale der Europameisterschaft bedeutete, war sein 106. und letztes Länderspiel. Toni Kroos hat am Freitag seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet.
„Die Entscheidung steht, sie ist unwiderruflich“, sagte der Mittelfeld-Regisseur von Real Madrid in seinem Podcast „Einfach mal luppen“ und fügte erklärend hinzu: „Das ist eine Entscheidung für die Familie und für mich, weil es mir auch gut tut, dass ich mehr bei der Familie bin. Ich will auch als Ehemann und Papa da sein und gebraucht werden.“
Toni Kroos: Der Titelsammler
Wer die 2019 erschienene Kino-Dokumentation „Kroos“ sah, wird sich nicht wundern. Darin wurde deutlich, dass diesem Profi die Familie alles bedeutet. Daheim bei seiner Frau und seinen drei Kindern lässt er auch Emotionen zu, die er der Öffentlichkeit verwehrt. Seine Entscheidung ist daher verständlich nach so vielen Jahren, in denen der Top-Fußballer viel Zeit mit Dienstreisen verbracht hat.
Aber: In der Bilanz hat es sich gelohnt. Toni Kroos ist 2014 Weltmeister geworden, sein brillantes Spiel beim historischen 7:1-Sieg im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien bleibt auf ewig unvergessen. Und Europas Königsklasse gewann er gleich viermal: einmal mit Bayern München, dreimal mit Real Madrid. Bei dermaßen gigantischen Erfolgen lohnt es sich schon kaum noch, Kleinigkeiten wie drei deutsche und zwei spanische Meisterschaften zu erwähnen.
Auch interessant
In der Nationalmannschaft hatte der gebürtige Greifswalder im März 2010 beim 0:1 gegen Argentinien in München sein Debüt gefeiert, er war damals als 20-Jähriger vom FC Bayern für eine Saison an Bayer Leverkusen ausgeliehen. Vier Jahre später erreichte er den Höhepunkt, auf dem Weg zum WM-Triumph fehlte er nicht eine Spielminute.
Besonderer Dank an Joachim Löw
An der WM-Blamage 2018 in Russland aber hatte auch Toni Kroos trotz seines genialen Siegtreffers in der Nachspielzeit gegen Schweden seinen Anteil, auch seinem Spiel haftete der Makel der Überheblichkeit an. Doch als Joachim Löw anschließend mit mehrmonatiger Verspätung die drei Rio-Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng aussortierte, kam er nicht auf die Idee, sich auch von Kurzpass-Künstler Kroos zu trennen. Löw sah in Kroos immer den entscheidenden Taktgeber, den unerschütterlichen Unterschiedsspieler. Kroos weiß das sehr zu schätzen, deshalb bedankt er sich nun bei Instagram auch ausdrücklich „vor allem ganz herzlich bei Jogi Löw“. Einleuchtende Begründung: „Er hat mir vertraut. Wir haben eine lange Erfolgsgeschichte geschrieben.“
Seit drei Jahren aber wurden dieser gemeinsamen Erfolgsgeschichte keine neuen Kapitel hinzugefügt. Toni Kroos hat seinen Rücktritt erklärt, bevor der hätte gefordert werden können.