Dortmund/London. BVB-Spieler Jadon Sancho erlebt in England die EM 2021 in seiner Heimat. Er will sich für Manchester United empfehlen.
Vermutlich wäre Jadon Sancho in diese EM 2021 nur in schlechter Form gestolpert, wenn sich Borussia Dortmunds Trainer Edin Terzic in der vergangenen Saison nicht so intensiv um den jungen Engländer bemüht hätte. Beide tauschten sich regelmäßig aus, versuchten, einen Weg zu finden, auf dem der 21-Jährige aus seinem Formtief klettern kann. Durch Krafttraining, durch eine professionellere Einstellung, auch durch Vergnügen. Nach und nach entwickelte sich Sancho so wieder zum neben Erling Haaland wichtigsten Offensivspieler und startet nun mit dem Rückenwind des DFB-Pokalsiegs in sein erstes großes Turnier.
England verfügt über einen Kader voller Talent
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Am Sonntag knistert es im Wembley-Stadion in London (15 Uhr/ARD), die englische Nationalelf ringt gegen den Vizeweltmeister Kroatien vor 22.500 Zuschauern um drei Punkte in der Gruppe D. Ein Höhepunkt. Bei dem schon die Tatsache zeigt, dass Sancho trotz seiner beeindruckenden Rückrunde nicht zwingend in die Startelf berufen wird, welch talentiertes Personal Trainer Gareth Southgate zur Verfügung steht. Harry Kane (27/Tottenham Hotspur), Marcus Rashford (23/Manchester United), Raheem Sterling (26) und Phil Foden (21/beide Manchester City) können Offensivliebhabern das Herz erwärmen.
Die Erwartungen der Fans sind daher riesig. Gleichzeitig trübt eine Rassismus-Debatte die Vorfreude. Ein Teil der englischen Anhänger hatte die eigenen Spieler bei Testspielen ausgebuht, weil diese vor dem Anpfiff knieten.
Trotz der Unruhe wird sich für Jadon Sancho aber die Gelegenheit bieten, den eigenen Marktwert noch einmal zu steigern – ob von Beginn oder nach einer Einwechslung. Der gebürtige Londoner benötigt Eigenwerbung, damit sein ersehnter Wechsel in die Premier League in diesem Sommer gelingt.
Die Dortmunder Verantwortlichen haben nicht vor, ihrem Profi die Umzugskartons nach vier Jahren im Ruhrgebiet aus der Hand zu reißen. Aber sie verlangen eine hohe Ablösesumme. Ein Interessent soll um die 90 Millionen auf das BVB-Konto überweisen. Laut einem Bericht der BBC und des Guardian hat Manchester United bereits ein Angebot von rund 78 Millionen Euro eingereicht, das abgelehnt worden sein soll.
Schon im vergangenen Jahr erhoffte sich Sancho einen Wechsel zu United, doch der englische Rekordmeister wollte die Bedingungen der Schwarz-Gelben nicht erfüllen. Auch diesmal drohen die Verhandlungen zäh zu werden, sie könnten wieder scheitern. Die Chefs der Borussia verspüren keinen Druck, dem Verhandlungspartner entgegenzukommen. Denn mit jedem gelungen EM-Auftritt steigt der Preis für den Offensivkünstler – und die Dortmunder hätte nichts dagegen, ihn zu behalten.
Jadon Sancho: Aus dem Park auf den Platz
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Im Interview mit dieser Redaktion hat Jadon Sancho vor einiger Zeit erzählt, wie er sich durch den Fußball aus dem Londoner Problemstadtteil Kennington herausgedribbelt habe. „Es gab sehr viele Kriminelle, sehr viele Gangs“, erzählte der Engländer. Er selbst habe aber die meiste Zeit mit dem Ball am Fuß im Park verbracht. „Da habe ich Tricks ausprobiert. Und irgendwann habe ich sie auch auf den Platz gebracht.“
Diese Gabe, auf dem Rasen immer ein wenig so zu wirken, als würde er gerade mit Freunden kicken, macht Sancho so wertvoll. Seine Körpertäuschungen verwundern Gegenspieler, verzücken Fans. In der wichtigsten Dortmunder Phase hat er zudem bewiesen, dass er seine Fähigkeiten nutzen kann, um entscheidende Tore zu erzielen oder vorzubereiten. Ein Bekenntnis zu seinem aktuellen Arbeitgeber hat Jadon Sancho jedoch nie abgelegt. Er wisse nicht, was die Zukunft bringe, meinte er nur. Sein Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, ist kein Geheimnis.
Eine wichtige BVB-Entscheidung für Jadon Sancho
Im November 2020, als die Sancho gerade durch sein erstes Karrieretief watete, forderte Englands Trainer Gareth Southgate mehr Einsatz von seinem Fußballer. „Sancho will ein Spitzenspieler sein? Er kann ein Spitzenspieler sein. Er ist noch extrem jung und muss sich weiter verbessern.“
Wenige Wochen später trennte sich der BVB von seinem damaligen Trainer Lucien Favre. Edin Terzic rutschte nach vorne, kümmerte sich intensiv um den technisch wohl begnadetesten Fußballer im Dortmunder Kader. Jadon Sancho kletterte aus seinem Loch, führte seine Elf zum Pokalerfolg in Berlin. Nun kann er bei der EM seinem Trainer beweisen, dass er schon längst ein Spitzenfußballer ist.