Seefeld. Mats Hummels soll die Abwehrprobleme beim DFB lösen. Der Rückkehrer wird beim EM-Auftakt nicht nur dabei sein – sondern mittendrin.
Mats Hummels erscheint leicht verspätet zum Medientermin. Kein großes Problem, man hat ja schließlich zweieinhalb Jahre warten müssen auf einen Auftritt von Mats Hummels im DFB-Trikot, da fallen die paar Minuten auch nicht mehr ins Gewicht. Im November 2018 bestritt der Innenverteidiger beim 2:2 gegen die Niederlande sein letztes Länderspiel, danach sortierte Joachim Löw ihn aus.
Der Bundestrainer wollte einen Umbruch, andere Spieler sollten sich zeigen und entwickeln können. Doch gerade in der Abwehr klappte das nicht wie gewollt, auch weil sich Niklas Süle, ein Eckpfeiler der Löw’schen Planungen, schwer verletzte und seitdem um Form und Fitness kämpft. Der Bundestrainer hat viel probiert, mit Dreierkette, mit Viererkette, mit unterschiedlichem Personal. Doch die defensiven Probleme blieben, auch und gerade bei Standardsituationen. Und je näher die Europameisterschaft rückte, desto mehr wuchs die Erkenntnis: Es geht (noch) nicht ohne Mats Hummels.
Der hat nicht nur eine starke Saison bei Borussia Dortmund hinter sich, die DFB-Statistiker entdeckten noch ein weiteres Argument: Hummels ist der Spieler in der Bundesliga mit den meisten ersten Ballkontakten nach Standardsituationen, was er nicht nur auf den eigenen Strafraum beschränkt: Bei der WM 2014 etwa war sein 1:0-Siegtreffer im Viertelfinale gegen Frankreich per Kopf nach einem Freistoß ein wichtiger Schritt zum Titel.
DFB-Team am 15. Juni gegen Frankreich
Außerdem ist er „ein Führungsspieler, die anderen schauen auf ihn“, sagt Oliver Bierhoff, der Direktor Nationalmannschaften. Hummels könnte also die Lösung für mehrere Probleme dieser Mannschaft darstellen, und deswegen ist er nun dabei in Seefeld, wo sich die deutsche Mannschaft knapp zwei Wochen lang vorbereitet auf die EM, die für sie am 15. Juni in München mit dem Spiel gegen – ausgerechnet – Frankreich beginnt.
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Ein bisschen aufgeregt sei er schon gewesen, erzählt der 31-Jährige, mehr zumindest als die letzten Male, als er zur Nationalmannschaft reiste. Mit Bundestrainer Löw, der den Abwehrspieler einst aussortierte, gebe es auch kein Problem. Immer mal wieder hatten beide im vergangenen Halbjahr telefoniert, bevor vor rund zwei Wochen der entscheidende Anruf kam und Löw Hummels mitteilte, dass er ihn dabei haben will bei der EM.
Mats Hummels: Selbstbewusst und selbstironisch
Man hat sich also wieder zusammengerauft. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Verhältnis zwischen den beiden nie ganz spannungsfrei war, es gab immer wieder mal Reibereien zwischen dem Bundestrainer und dem manchmal eigenwilligen und immer selbstbewussten Abwehrspieler. Von diesem Selbstbewusstsein hat Hummels kein Stück eingebüßt, er kann es inzwischen aber besser verstecken hinter der feinen Selbstironie, die er sich über die Jahre angeeignet hat. Ob er mal Selbstzweifel verspürt habe nach dem DFB-Aus, will ein Journalist wissen, ob er sich etwa gefragt habe, ob er zu langsam sei. „Ob ich zu langsam bin, frage ich mich, seit ich 17 bin“, entgegnet der Abwehrspieler grinsend.
Hummels ist dank seiner Größe von 1,91 Metern und 94 Kilo Gewicht robust und doch geschmeidig in den Bewegungen, zweikampf- und kopfballstark, ballsicher und extrem stark in der Spiel-Eröffnung. Deswegen wird er nicht nur dabei sein, sondern mittendrin, wenn die EM beginnt. Einen Hummels holt man nicht für die Ersatzbank zurück, das hat Löw schon durchblicken lassen. Der Bundestrainer hat zwar auch gesagt, dass er keine Einsatzgarantien für das gesamte Turnier geben kann – aber wer wollte, konnte da heraushören, dass eine Einsatzgarantie für die ersten Spiele schon ziemlich wahrscheinlich ist.
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Die Frage ist vor allem, wer neben Hummels auflaufen wird bei der EM: Süle eher nicht, er muss im Trainingslager noch Zusatzschichten schieben, um in Topform zu kommen. Der grundsolide Matthias Ginter? Der hochbegabte Robin Koch? Oder, am wahrscheinlichsten: der frischgebackene Champions-League-Sieger Antonio Rüdiger, der unter seinem neuen Trainer Thomas Tuchel beim FC Chelsea zu erstaunlicher Stärke und Konstanz gefunden hat. „Er hat in den letzten Monaten gezeigt, was für ein überragender Verteidiger er sein kann“, sagt Hummels über Rüdiger. „Da kann man schon das Wort Weltklasse in den Mund nehmen.“
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Hummels nimmt aber noch ganz andere Worte in den Mund. „Scheiß Kontakt!“, brüllt er, als ihm mal in einer Übung der Ball verspringt, bevor er sich schnell korrigiert: „Beziehungsweise gar kein Kontakt!“ Ein Mats Hummels kann eben nicht nur feiner spielen als andere. Er kann auch elaborierter fluchen.