Seefeld. Die Nationalmannschaft des DFB hat für die EM große Ziele – und muss diesmal nicht nur auf dem Platz mit großen Herausforderungen kämpfen.

Nein, sagt Manuel Neuer, singen müssen die beiden Rückkehrer nicht. Mats Hummels und Thomas Müller sind ja keine Debütanten in der Nationalmannschaft, sie sind nur zurück beim DFB nach gut dreijähriger Abstinenz. „Auch nach so einer langen Pause muss man keinen Einstand geben“, verfügt Neuer als Kapitän. „Obwohl sie das vielleicht sogar von sich aus gerne machen würden. Bei Thomas bin ich mir sogar sicher, dass er singen würde – der ist ja für jeden Spaß zu haben.“

Spaß – das ist das Wort, das in diesen Tagen immer wieder fällt, da sich die Nationalmannschaft in Seefeld auf die Europameisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) vorbereitet. Kapitän Neuer benutzt es, Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Direktor Oliver Bierhoff. „Spaß ist wichtig, weil man darüber positive Energie entwickeln kann“, erklärt Neuer. „Und die braucht man, um große Ziele zu erreichen.“

Diesmal ist viele anders beim DFB

In diesen Tagen aber ist der gemeinsame Spaß noch einmal etwas wichtiger als bei vergangenen Turnieren. Denn in Zeiten der Corona-Pandemie ist vieles anders. Nach dem Trainingslager wird es keine freien Tage geben, in denen die Spieler noch einmal nach Hause können. Sie dürfen keine Spaziergänge und keinen Stadtbummel unternehmen, weil sie abgeschottet in ihrer Blase bleiben müssen. Besuch im Hotel empfangen – ebenfalls verboten.

Trainieren dort, wo andere Urlaub machen. Bundestrainer Joachim Löw versammelt seiner Spieler in Seefeld.
Trainieren dort, wo andere Urlaub machen. Bundestrainer Joachim Löw versammelt seiner Spieler in Seefeld.

Und so werden die Nationalspieler sehr viel Zeit gemeinsam verbringen, mindestens vier und maximal sechs Wochen – wenn man das Finale erreicht, was Kapitän Neuer gleich mal als Ziel ausgibt. Die Verantwortlichen müssen deswegen nicht nur überlegen, wie sie die Trainingseinheiten strukturieren, wie sie Frankreichs Stürmer aus dem Spiel nehmen wollen und wie sie Ungarns Abwehrriegel knacken – sondern auch, wie sie Lagerkoller vermeiden. „Am Anfang ist das noch kein Thema“, sagt Löw. „Im Laufe der Zeit stellt es aber eine gewisse Herausforderung dar, wenn die Spieler so lange zusammen sind.“

In den vergangenen Jahren hat die sportliche Leitung sich immer bemüht, Abwechslung einzustreuen. Da gab es gemeinsame Ruder-Ausflüge, es ging in den Klettergarten. Das geht nun nicht, zumindest vorerst. „Am Anfang sollten wir sicher etwas zurückhaltender sein“, mahnt Mannschaftsarzt Timm Meyer. Anders sieht es aus, wenn man erstmal zwei bis drei Wochen ohne Corona-Fall in der Blase überstanden hat – dann wären zumindest Ausflüge an die frische Luft denkbar. „Dinge draußen sind ja ganz generell weniger gefährlich als drinnen“, sagt Meyer. Wenn es dann noch Aktivitäten wie ein Golfspiel sind, wo man sich nicht zu Nahe kommt: umso besser.

Extremsportler Mike Horn besucht die DFB-Elf

Erst einmal aber sind die Nationalspieler auf Hotel und Trainingsplatz beschränkt, und so mühen sich die Verantwortlichen, möglichst viel Abwechslung zu erzeugen zwischen den Einheiten. Am Freitag etwa war der südafrikanische Extremsportler Mike Horn zu Gast und hielt einen Vortrag. „Der ist einmalig. Ich könnte Stunden mit seinen Vorträgen verbringen“, schwärmt Neuer. „Es ist sensationell, wie er erzählt und wie er einen motivieren kann.“ Dass Horn außerdem vor dem WM-Sieg 2014 schon einmal zu Gast war, wird gerne als gutes Omen mitgenommen.

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Daneben will Bierhoff versuchen, „immer wieder Freiräume zu schaffen, dass man nicht nur auf dem Zimmer hocken muss“. Es sei aber auch „Teil der nötigen mentalen Stärke, trotz aller Widrigkeiten das Turnier positiv anzugehen, und sich von nichts aufhalten zu lassen“. Ähnlich deutlich ist Löws Ansage an seine Spieler: „Es gibt Werte wie Respekt, Vertrauen, Offenheit, die jeder leben muss“, fordert der Bundestrainer. „Da heißt es, gewisse Eigeninteressen und Egoismen hinten anzustellen.“

DFB hofft auf eine Gewinnermentalität

Mehr als sonst noch betont der Fußballästhet Löw den Geist, den seine Mannschaft leben muss. Das Wort Mentalität ist nach zwei Tagen Trainingslager zumindest gefühlt schon öfter gefallen als bei den drei vergangenen Turnieren zusammen. „Das Turnier beginnt mit dem erstem Trainingstag“, betont er. „Es ist wichtig, dass sich die Mannschaft schnell findet und eine Gewinnermentalität aufbaut.“

Aber natürlich bleibt der Bundestrainer in erster Linie ein Fußballlehrer. Und als solcher hat er einen klaren Plan für die kommenden Tage in Seefeld und die Testspiele gegen Dänemark (2. Juni) und zum Abschluss gegen Lettland (7. Juni), bevor es dann ins EM-Quartier nach Herzogenaurach geht. Drei Dinge stehen ganz oben auf dem Pflichtenzettel: offensiv konsequenter sein und die eigenen Chancen besser nutzen. Defensiv kompakter und stärker in den Zweikämpfen agieren. Und bei Standardsituationen mehr Gefahr erzeugen und weniger Tore kassieren. „Bei so einem Turnier muss das Gleichgewicht stimmen zwischen Offensive und Defensive“, sagt der Bundestrainer.

Und dann wäre der Spaß automatisch größer, erst recht bei Torhüter und DFB-Kapitän Manuel Neuer.